Mülheim. . Grundschulkinder mit Lesehürden lesen Vierbeiner Rico vor. So gewinnen sie Selbstvertrauen und lesen flüssiger, wenn der Hund zuhört.
Sheila und Linus fiel das Lesen nie wirklich leicht. Die beiden Grundschulkinder können allerdings flüssiger lesen, seit die fast dreijährige Fellnase Rico ihnen beim Lesen zuhört. „Rico urteilt nicht, er kritisiert nicht“, erklärt Literaturpädagogin Birgit Hass den Lernerfolg von Sheila und Linus. Deshalb trauen sich die kleinen Vorleser und werden immer besser. „Ich kann flüssiger lesen“, freut sich die neunjährige Sheila. Sie hat ein Mal die Woche eine Lesestunde mit Rico. Auch beim zehnjährigen Linus klappt das Lesen immer besser.
Eine Studie der Uni Rostock zur hundegestützten Leseförderung zeigt: Lesen Kinder mit Hund, senkt sich ihr Stresspegel ab. Sie lernen schneller gut zu lesen. „Die Kinder bauen Ängste und Hemmungen ab“, sagt Literaturpädagogin Hass. In dem Experiment aus dem Jahr 2014 haben Forscher herausgefunden, dass Kinder mit Lesehund wesentlich ihren Lesefluss im Vergleich zur Arbeit mit Stoffhund steigern. Auch die Motivation, das Selbstbewusstsein und das Lernklima verbessern sich.
Lesehund Rico bricht schnell das Eis
„Im Unterricht und Elternhaus sind Kinder oft Druck ausgesetzt“, sagt Birgit Hass. Rico ist bis zu zwei Mal in der Woche im Einsatz in einer Einzellesestunde. Das rote Halstuch mit der Aufschrift „Lesehund“ und ein weicher Teppich sind für den Mini-Goldendoodle das Signal, dass es in die Lesestunde geht. Jedes Kind hat ein Heft, in dem es mit einem Hunde-Stempel der Fortschritt notiert wird. „Manche Kinder haben anfangs Angst, weil Rico eine dunkle Farbe hat“, sagt Hass. Für Hass ist es stets ein wunderbarer Moment, wenn ein Kind, das zunächst ganz weit weg von Rico in der Lesestunde saß, sich an die Fellnase herantraut, ihn streichelt.
Ein Buch über hundegestützte Leseförderung brachte Birgit Hass auf den Hund, um genauer zu sein auf den Lesehund. Das war 2012. Die Literaturpädagogin hielt Ausschau nach einem Vierbeiner, der das Zeug zu einem idealen Lesehund hat. „Ein Lesehund sollte in erster Linie zuhören, geduldig sein“, sagt Hass. „Ich habe mich für Rico als Mini-Goldendoodle entschieden, weil er diese Eigenschaften hat“, erklärt Hass die Wahl ihres jetzigen Hundes. Mini-Goldendoodle sind eine Mischung aus Golden Retriever und Pudel. „Rico hat die Intelligenz des Pudels und auch die Sanftheit eines Therapie- oder Familienhundes“, sagt Hass.
Lesehund-Seminare über anderthalb Jahre
Ein Lesehund muss ruhig und freundlich sein, sich gut mit Kindern vertragen. „Er darf nur ein niedriges Aggressionspotenzial haben und darf nicht schreckhaft sein“, erläutert Birgit Hass die Eigenschaften eines Lesehundes. Stimmen die Grundvoraussetzungen, absolvieren Hund und Halter eine Ausbildung. So auch Birgit Hass und Rico. Über anderthalb Jahre lang hat sich die Literaturpädagogin mit Rico in München und Oberhausen in Lesehund-Seminaren fortgebildet.
Die Stadtbibliothek hat mit mehreren Schulen eine Kooperation abgeschlossen. Rico unterstützt derzeit drei Kinder von der Grundschule Zunftmeisterstraße und drei Kinder von der Grundschule Trooststraße.
Doch Rico darf auch mal Hund sein, im Rudel herumlaufen, rennen und buddeln. „Ich treffe mich oft mit Hundefreunden“, sagt Birgit Hass. Das darf Rico dann, wenn er Feierabend hat, wenn er Kindern geholfen hat, flüssiger zu lesen und mehr Selbstbewusstsein zu haben.
>> DIE IDEE STAMMT AUS DEN USA
Die Idee zum Lesehund kommt ursprünglich aus den USA, wo Tiere – nicht nur Hunde – schon seit vielen Jahren erfolgreich zur Leseförderung eingesetzt werden.
Der Lesehund Verein unter der Schirmherrschaft von Konstantin Wecker wurde 2008 in München gegründet. Der Verein bildet ehrenamtliche Mensch-Hund-Teams in Workshops aus.