Gelsenkirchen. . Das Werk in Schalke wird 2018 rote Zahlen schreiben, sagt der Leiter des Geschäftsfelds Lenksysteme in Europa. Die Lage sei nicht zu verbessern.
Belegschaft, Gewerkschafter und Delegationen von Standort-Betriebsräten der ZF Friedrichshafen AG werden am heutigen Mittwoch in Schalke-Nord erwartet, ebenso Vertreter aus Politik und Verwaltung. Es wird, das ist sicher, Solidaritätsbekundungen geben. Und Unmut über einen Konzern, der am alten TRW-Standort an der Freiligrathstraße Ende des Jahres die Lenkungs-Produktion des Automobilzulieferers einstellen möchte. 350 Beschäftigte sind betroffen. Mindestens. Über 500 hat der gesamte Standort.
Konkrete Anfragen von Mitarbeitern
Christopher Gruhn, Personalleiter im Bereich Lenkungssysteme, wird sich Mittwoch der Belegschaft stellen. „Die Entscheidung ist uns nicht leichtgefallen. Wenn man sich in den einzelnen Mitarbeiter hinein versetzt, kann man gut verstehen, dass er enttäuscht und wütend ist.“ Stellen an anderen ZF-Standorten offeriert das Unternehmen. Doch die sind (bis auf Witten) außerhalb der Region in ganz Deutschland verteilt. Bei den Mitarbeitern kam das bislang nicht wirklich positiv an. Dennoch: „Wir versuchen, eine faire Lösung für jeden zu finden und jedem eine Perspektive anzubieten.“ Die Ausbildung und Kompetenz der Mitarbeiter, betont Theodor Kaster, Leiter des ZF-Geschäftsfelds Lenksysteme in Europa, „ist etwas, das wir nicht verlieren wollen“. Man habe auch bereits „konkrete Anfragen von Mitarbeitern bekommen“, so Gruhn. „Wir haben ein Team, das hilft, aktiv Stellen zu vermitteln.“
120 Mitarbeiter gingen Ende April in die Freistellung
Das alles zeigt auch: ZF meint es bitter ernst mit den Plänen zur Beendigung der Produktion, die laut Kaster wirtschaftlich begründet sei. „Wir werden 2018 rote Zahlen schreiben am Standort. Und das würde sich so deutlich fortsetzen.“
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120 Mitarbeiter gingen Ende April in die Freistellung. Bislang ging man in Schalke-Nord im Betriebsrat davon aus, dass dies nur für eine Übergangsphase sei, dass es „Brückenaufträge“ und Verlagerungen von anderen Standorten geben solle, dass das Werk über 2020 hinaus verbindlich eine Perspektive bekommen sollte. Doch ZF wurde aus Sicht der Unternehmensleitung in Gelsenkirchen von der Realität überholt.
Kaster: „Wir haben einen enormen Wettbewerb auf dem Weltmarkt“, es sei nicht gelungen, neue Aufträge für Gelsenkirchen zu akquirieren, gleichzeitig seien die Preise für Lenkungssysteme in den letzten Jahren um etwa 20 Prozent gefallen. „Das ist eine Größenordnung, die man nicht mit Effizienzmaßnahmen darstellen kann. Und wir sehen jetzt, dass die Preise der Zukunft uns keine Chance für Schalke lassen.“ Die diskutierte Überbrückung sei eben „mit Hinblick auf ein nachhaltiges Zukunftsgeschäft gedacht“ gewesen. „Wenn das wegfällt, macht auch eine Brücke keinen Sinn.“
Optimierungsmöglichkeiten geprüft und diskutiert
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2017, so Kaster, „haben wir die Lage analysiert und uns mit dem Betriebsrat zusammengesetzt. Grundsätzlich wurde erörtert, „was wir tun können und welche Perspektiven wir haben, um den Standort zu entwickeln.“ 2018 stand aus Sicht der Konzernspitze fest: offenbar nichts, was die Lage dauerhaft verbessern könnte. Transparent und nachvollziehbar, glaubt Kaster, habe man alle Optimierungsmöglichkeiten geprüft und auch mit dem Betriebsrat diskutiert, schon zuvor seien Effizienzmaßnahmen eingeleitet worden. „Die Qualität ist gut. Die haben einen guten Job gemacht“, stellt auch Kaster fest. Allerdings eben keinen, der sich dauerhaft für ZF rechne. Kaster erklärt das mit dem grundlegenden Technologiewandel von hydraulischen hin zu elektronischen Lenksystemen und eben mit dem massiven, wachsenden Kostendruck. Was das geplante Aus der Produktion für den gesamten Standort bedeutet, „können wir noch nicht sagen“, erklärt Gruhn, zunächst stünden Gespräche und Verhandlungen mit dem Betriebsrat auf der Agenda.
Signale stehen keineswegs auf Personalabbau
Auch wenn unter die Produktion in Gelsenkirchen ein Schlussstrich gezogen werden soll: Das Thema Lenkungen, betonen die ZF-Vertreter, sei für den Konzern, eine Schlüsseltechnologie zum autonomen Fahren und damit ein Zukunftsfeld. „Wir investieren global massiv in den Bereich Lenkungssysteme und wollen hier Technologieführer werden.“ Auch stünden die Signale im Konzern keineswegs auf Personalabbau. Im Gegenteil. Von 2015 bis 2017 habe man allein in Deutschland „1600 Beschäftigte aufgebaut.“ Die Belegschaft in Schalke-Nord dürfte es mit Verwunderung zur Kenntnis nehmen.
>> Aktiengesellschaft im Stiftungsbesitz
Die ZF Friedrichshafen AG hat rund 230 Standorte in 40 Ländern mit über 146 000 Mitarbeitern, gut 50 000 Beschäftigte arbeiten in Deutschland.Der Umsatz 2017: 36,4 Milliarden Euro.
ZF gilt als weltweit zweitgrößter Automobilzulieferer. Haupteigentümer ist (mit 93,8 Prozent) die Zeppelin-Stifung. Stiftungsträger ist die Stadt Friedrichshafen.