Bottrop/Essen. . Peter Stadtmann aus Bottrop soll aus Geldgier Krebsmedikamente gepanscht haben. Sein Prozess beginnt am Montag. Die Opfer hoffen auf Aufklärung.
Das Schlimmste für sie ist das Schweigen des Bottroper Apothekers. Die 73 Jahre alte Frau aus Gladbeck ist an Krebs erkrankt und weiß aus der Anklage der Staatsanwaltschaft Essen, dass ihre Medikamente gegen die tückische Krankheit zu wenig lebensrettende Wirkstoffe enthielten. Verantwortlich dafür soll der 47 Jahre alte Apotheker Peter Stadtmann sein – aus Geldgier, so vermutet die Staatsanwaltschaft.
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Aus Geldgier das Leben anderer aufs Spiel setzen? Auf diese Frage will die Gladbeckerin eine Antwort, wenn am Montag der Prozess gegen Peter S. am Landgericht Essen startet. Als Nebenklägerin nimmt sie am Verfahren teil, auch wenn sie wegen „des ganzen Trubels“ nicht persönlich erscheinen wird. Ihr Anwalt Hans Reinhardt: „Sie vermisst, dass der Apotheker zur Aufklärung beiträgt. Das findet sie besonders verwerflich.“
Verteidiger gibt keine Erklärung ab
Wie jeder Angeklagte hat auch Peter Stadtmann das Recht, zu reden – oder zu schweigen. Bislang hat er nichts gesagt, auch wenn ihm ein Geständnis oder eine nicht zu widerlegende Erklärung vielleicht die U-Haft erspart hätte, in der er sich seit einem Jahr in der JVA Wuppertal befindet. Am Schweigen ändert sich vorerst nichts. Peter Strüwe, einer seiner vier Verteidiger: „Im Moment geben wir keine Erklärung ab.“ Was am Montag vor der XXI. Wirtschaftsstrafkammer geschehen wird, das lässt er offen.
In einigen Medien gilt Stadtmann, der in der Bottroper City in vierter Generation die „Alte Apotheke“ betrieb, bevor er sie abgeben musste, längst als schuldig. „Apotheken-Panscher“ wird er genannt.
Krebsmittel für Chemotherapien zu schwach dosiert
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Aber ganz so einfach wird sich der Prozess nicht führen lassen. Das liegt schon am Umfang: zwölf Bände Hauptakte, 41 Beiakten. Auf 820 Seiten listet Staatsanwalt Rudolf Jakubowski die Vorwürfe in der Anklage auf. Danach soll Stadtmann zwischen dem 1. Januar 2012 und dem 29. November 2016, dem Tag seiner Verhaftung, in 61.980 Fällen gegen das Arzneimittelgesetz verstoßen haben.
Das sind die Krebsmedikamente, vor allem Chemotherapien, die er zu schwach dosiert oder unter unzureichenden hygienischen Bedingungen in seinem Labor hergestellt haben soll. Die Zahl beruht auf Schätzungen, weil er bei den Lieferanten zu wenig Wirkstoffe für die Zahl der Präparate eingekauft haben soll. Juristisch heikel wird es, wenn Stadtmann oder die Verteidiger am Montag sagen, dass es einen Schwarzmarkt für die Wirkstoffe gibt, auf dem er sich bedient hat. Das wäre ein Steuervergehen, aber keine menschenverachtende Tat.
Allerdings hat die Staatsanwaltschaft bei einer Razzia 116 fertige Medikamente sichergestellt, von denen sie 27 dem Apotheker selbst zuordnet. Zu einem Großteil enthalten sie zu wenige oder gar keine Wirkstoffe. Das sind die 27 Fälle der versuchten Körperverletzung. Schließlich wirft Jakubowski dem Apotheker 59-fachen Betrug vor. Das sind die monatlichen Abrechnungen bei den Krankenkassen, weil er viel Geld für die Wirkstoffe verlangt hat, die laut Anklage gar nicht verbraucht wurden. Schaden: rund 56 Millionen Euro.
Geschädigte will, dass Apotheker büßen muss
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Das lässt ahnen, warum er sich in Kirchhellen eine Villa leisten konnte, die ihm laut Medienberichten mit einer Wasserrutsche den Weg vom Badezimmer zum Swimmingpool erleichterte. So ganz passt der kantige, an einen Bunker erinnernde Bau nicht in die ländliche Gegend mit Fachwerkhaus gegenüber. Ein bisschen groß wirkt er für nur eine Person plus Hund. Rund zehn Millionen Euro soll er dafür bezahlt haben.
Das alles bewegt die mutmaßlichen Opfer. Der Essener Anwalt Aykan Akyildiz vertritt eine 51-jährige Frau aus Bottrop. Ihr ging es schlecht, sie saß im Rollstuhl. Seitdem sie die Chemotherapie von einem anderen Apotheker bezieht, geht es ihr besser. Akyildiz: „Als Kundin kannte sie ihn persönlich. Für sie ist es besonders schlimm.“ Ihre Erwartung? „Sie will, dass er büßt für das, was er getan hat: mit ihrem Leben zu spielen.“