Bottrop. Zum zweiten Mal versammeln sich Hinterbliebene und Betroffene in der Bottroper Innenstadt. Sie fordern Aufklärung im Fall des Apothekers
Es sind Fotos aus den guten Zeiten, die da hängen auf der doppelten Stellwand neben St. Cyriakus. Ein Mann mit einem Baby auf dem Arm, dem er das Fläschchen gibt, zwei Frauen in inniger Umarmung, ein Mann auf einem Ferienbauernhof – viele mehr.
Daneben stehen Vornamen und aufgemalte Grabeskreuze auf Papierherzchen: Gabi, Hartmut, Sigrid, Sanny, Annette, Bettina, „Steffi, 28 Jahre jung“ . . . alles Menschen, die ihre Krebsmedikamente aus der Bottroper Apotheke bezogen, deren Chef Peter S. dabei gepanscht und betrogen haben soll. Tot, sie sind alle tot.
Herstellung besser kontrollieren
Am Mittwochabend ziehen von hier aus gut 300 Menschen durch die Bottroper Innenstadt, es ist ihr zweiter Schweigemarsch. Sie trauern und fordern Aufklärung; sie protestieren gegen die Stadt, die den Fall in ihren Augen verharmlost hat, gegen die Staatsanwälte, die ein erstes Ermittlungsverfahren einstellten. „Ich erhoffe mir von dem Marsch, dass die Herstellung der Rezepturen insgesamt mehr kontrolliert wird“, sagt Annelie Scholz.
Sie trägt ein Schild vor der Brust: „Warum musste unsere Tochter und Mama so früh sterben?“ Ihr Mann Wilfried Scholz ist auch da und Lara, die achtjährige Enkelin. Ihre Mama Nikki erkrankte 2009, wurde gesund, 2014 kehrte der Krebs zurück – und die Medikamente kamen aus dieser Apotheke, zehn Meter entfernt von der Wand mit den Fotos.
Teilnehmer fahren zum Prozessauftakt
Ein kurzer Tumult vor dem Eingang, Männer schimpfen in die geöffnete Apotheke hinein, bekommen Beifall, zwei Polizisten klären die Lage. „Wenn nichts drin ist in den Medikamenten, kann nichts aufgehalten werden“, sagt Annelie Scholz.
Die Menschen tauschen sich aus in ihrer Trauer, Gesprächsfetzen fliegen umher. „Wie kann man so gierig sein . . . Wenn unser Sohn das bekommen hätte . . . Ich hatte auch Mittel von ihm. Wer weiß?“
Am 15. November folgt der dritte Schweigemarsch, dann wird der Prozess vor dem Landgericht Essen schon begonnen haben. Dort werden sie in Sammeltaxis hinfahren, schwarz gekleidet, weiße Rosen in den Händen. „Er muss seine gerechte Strafe bekommen.“ Menschen umarmen einander. Da ist viel Weinen.