"Echte" Clowns fürchten wegen Horrorgestalten um guten Ruf
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Ruhrgebiet. . Die Horror-Clowns erschrecken inzwischen auch im Ruhrgebiet täglich Menschen. Die Polizei findet sie „nicht lustig“ und warnt vor Nachahmung.
Der Clown kam mit der Kettensäge. Das war Donnerstagabend in Wesel, das erschreckte Opfer eine 48-jährige Frau. Zeitgleich drohte ein „Kollege“ in Essen mit einer Holzlatte, ein 26-Jähriger sprühte den Mann mit der Maske mit Pfefferspray in die Flucht. Eine 17-Jährige, der am frühen, noch dunklen Freitag ebenfalls in Essen ein „Gruselclown“ begegnete, erlitt einen Schock.
Kinder reagieren besonders stark
Der Clown, ob nun freundlich oder feindlich, wandert beim Thema Angst auf einem schmalen Grat. In einer US-Studie erklärten 1300 Probanden ihn zu der Berufsgruppe, die ihnen am meisten Angst einflößt. Das liege, so die Forscher, vor allem an seiner Unberechenbarkeit.
Gerade Kinder, sagt der Bochumer Psychologe und Angstforscher Prof. Jürgen Margraf, reagierten „sehr stark auf Clowns“. Mit der Maske Menschen zu erschrecken, habe mit Macht zu tun. Bei ihrem Gegenüber lösten Gruselclowns starke Reize aus: Angst sei ein Grundgefühl des Menschen.
Auch die Polizei findet die „Horror-Clowns „überhaupt nicht lustig“, die seit einer Woche täglich Menschen an Rhein und Ruhr erschrecken, sondern „einfach nur sadistisch, wirr und gefährlich“, wie ein Sprecher des NRW-Innenministeriums sagt. Zwar ist das reine Erschrecken noch keine Straftat, doch trugen fast alle der maskierten Angreifer bislang Waffen: Messer, Sägen, Baseballschläger. Weshalb die Polizei ermittelt.
Schon der erste Grusel-Clown in der Region war alles andere als zum Lachen: Mit klassischer Clownsmaske stand er des Nachts am Bahnhof von Wesel, drohte mit Pistole und Messer, schimpfte in mehreren Sprachen. In Bochum erschreckte ein Mann am Mittwoch fünf Kinder in einer Unterführung.
Besonders unheilvoll agierten die finsteren Gesellen gleich mehrfach in Gelsenkirchen: Nachdem sich ein 14-Jähriger Anfang der Woche auf der Flucht vor einem Clown verletzt hatte, griffen am Mittwoch zwei maskierte Unbekannte zum Messer, schnitten einem Jugendlichen (15) in die Hand. Die Polizei ist alarmiert: „Das hat schon eine andere Qualität, als wenn jemand ,nur’ aus einem Busch springt.“
Der normale Clown ist „fröhlich nett und glücklich“
Zumal jedes Filmchen, jedes Foto der Auftritte im Netz „wie Treibstoff“ wirkt, heißt es aus dem Innenministerium: „Desto mehr Nachahmer tauchen auf.“ Davor warnt auch die Polizei in Bochum, appelliert an die „Erschrecker“: „Bitte machen Sie das gute Image eines Clowns nicht kaputt.“ Das fürchten tatsächlich auch die „echten“ Clowns wie Thomas Zech, der „August“ der Bochumer „Clowns Brothers“. „Man muss diesen Knallköppen zeigen, dass wir eigentlich lustig und nett sind.“
Zech hofft, dass Kinder unterscheiden können: Die neuartigen Gestalten seien meist „usselig, horrormäßig, gruselig“. Der gemeine Clown dagegen sei „fröhlich, nett und glücklich“. Die „Clowns Brothers“ wollen genau so weitermachen, „die Leute sollen doch lachen und nicht weinen“, aber sie haben kurz überlegt, besser ungeschminkt aufzutreten. Nur wäre das ein Zurückweichen: Zech alias August hält es auch für Unsinn, dass nun mancherorts die Werbefigur Ronald McDonald nicht mehr auftreten darf. Doch etwas Sorge bleibt: „Ich hoffe, wir werden nicht angegriffen.“ Im Ausland kam es schon vor, dass „gute“ Clowns beschimpft oder mit Unrat beworfen wurden, der Welt-Berufsverband klagt über abgesagte Auftritte.
Für die Klinikclowns – jene freundlichen Wesen, die vor allem kranke Kinder aufheitern wollen – sind Grusel-Clowns überhaupt keine Clowns: „Es sind wirre Menschen, die ihre destruktiven Neigungen nur auf diese armselige Art ausleben wollen“, heißt es vom Dachverband der Clowns in Medizin und Pflege Deutschland. „Sie sind weder komisch noch beeindruckend.“ Der Versuch, mit dem Erschrecken von Menschen Aufmerksamkeit zu erregen, sei „geschmacklos“.
Schlimmer noch, eine Schande! sagen Horror-Profis, die es ja auch gibt. Das Grusel-Labyrinth in Bottrop distanziert sich „in aller Form“ von dem „Verbrechen“ und fordert „die Täter auf, die Masken und Kostüme unverzüglich abzulegen“. Die Straße sei kein Grusel-Labyrinth, sondern die reale Welt, und die „schon wenig friedlich genug“. Stellvertretend für alle Erschrecker-Kollegen wandte sich Horror-Clown Booka an „all die Idioten da draußen“: „Überlasst das Erschrecken den Profis! Angst gehört nicht auf die Straße.“
Maskenmann kam aus Amerika über England nach Deutschland
Wie der Grusel-Clown aber auf die Ruhrgebiets-Straßen kam, bleibt ein Rätsel. Auf die USA zeigen viele, die von dort noch jeden Trend erwarten. Australien kennt den Horror-Clown von Halloween, Italien will ihn erfunden haben, Frankreich hatte schon vor zwei Jahren eine liebe Not mit ihm. Diesmal nahte das Phänomen jedenfalls aus Westen: Aus Amerika kam der Maskenmann nach England und von dort in die Niederlande.
Überall springen die Gestalten aus den Gebüschen, viele sind bewaffnet. In England verfolgte ein Clown Kinder zur Schule, in Schweden stach einer einen Passanten nieder. Im holländischen Almere berichten Kinder von gleich zweien mit Blut an der Säge.
Und überall sucht die Polizei. Bloß hat sie meist wenig brauchbarere Beschreibungen als: „Er trug eine Clownsmaske.“ Dabei wünscht nicht nur der Bottroper Profi-Erschrecker Booka der unliebsamen Konkurrenz „eine fröhliche Festnahme“.
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