Bochum. . Rund 100 Experten von drei Revier-Unis erforschen gemeinsam das Universum und die kosmische Strahlung. Ein unterirdisches Oberservatorium am Südpol hilft ihnen dabei.
Der Gedanke an ein unterirdisches Observatorium ist zunächst ja etwas verwirrend. Und doch haben sie in der Nähe des Südpols genau so etwas gebaut, haben mit Heißwasserbohrern 2,5 Kilometer tiefe Schächte gebohrt, Kabel und Messgeräte darin versenkt und alles wieder planmäßig zufrieren lassen. Und, soviel sei verraten, es hat sich gelohnt – wenn man auf Teilchenphysik steht und auf Fortschritt und Spitzenforschung aus dem Ruhrgebiet.
Detektor "Ice Cube" misst Elementarteilchen
Denn dieser Detektor „Ice Cube“ (Eiswürfel) misst nicht Sternenlicht, sondern Neutrinos. Winzige Winzlinge von Elementarteilchen, die durchs All fliegen und vor nichts halt machen. Wenn Sie sich eine Vorstellung davon machen wollen: zehn Billionen Neutrinos fließen sekündlich durch einen Daumen. Auch Ihren. Und jetzt kommt endlich Professor Julia Tjus aus ihrem Eckbüro im siebten Stock der Ruhr-Universität Bochum zu Wort: „Wir haben bisher 54 Neutrinos gefunden. 1999, als ich eine junge Studentin war, hatten wir noch gar keines!“ Und alle fanden sie mit der südpolaren Messstation.
Man meint das Ausrufezeichen zu hören, so begeistert ist sie.
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Julia Tjus ist eine von rund 100 Forschern der Universitäten Bochum, Dortmund und Duisburg-Essen, die sich jetzt zusammen getan haben zum „Rapp-Center“. Da versammeln sich Astro-, Plasma- und Teilchenphysiker, die ihre unterschiedlichen Methoden zusammenwerfen wollen, um weiterzukommen als bisher. Fortschritt durch Verknüpfung, könnte man sagen. Gemeinsam sind wir stark. Müssen wir auch. Denn es geht um nicht ganz einfache Fragen: Wie entstehen Planeten? Was ist dunkle Materie? Woher kommt die kosmische Strahlung? Wie entwickelt sich das Universum? Ziemlich große Aufgabe, oder, Frau Tjus? „Ja!!!“
Das Rätsel der kosmischen Strahlung ist zum Beispiel: Da prasseln ohne Ende Unmengen von Teilchen auf die Erdatmosphäre, die uns schützt; ein einziges dieser Teilchen kann so energiegeladen sein wie ein Tennisball beim Aufschlag – und das bei ungezählten. „Welches Objekt ist in der Lage, solch riesige Energien zu erzeugen?“, fragt Julia Tjus.
Theorien gibt es dazu, Antworten, die fest im Sattel sitzen, aber nicht: Als Quellen dieser Strahlung fanden sich Supernovae-Überreste, also die Reste von explodierten Sonnen – aber die Strahlung ist um den Faktor eine Milliarde stärker, als sich aus Abläufen in explodierten Sonnen erklären ließe.
Dann mal die Frage, die manche Wissenschaftler hassen: Warum sollte man das aufklären müssen? Wem nützt es? Was treibt Sie eigentlich an, Frau Professor? „Wissensdurst“, sagt die 37-jährige Wuppertalerin: nennt also das Motiv, das die Menschheit von Anbeginn antreibt.
„Soll’n wir mal gucken, ob woanders noch was los ist?“, sagten die ersten Menschen. Naja, vielleicht die vierten, sechsten. Dann verließen einige von ihnen Ostafrika, wo sie entstanden waren.
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Aber tatsächlich hilft diese Forschung auch der technischen Entwicklung voran. „Wir haben es mit riesigen Datenmengen zu tun. Wie kann man sie speichern und transportieren?“, sagt Julia Tjus. Auch nennt sie das Beispiel Kameratechnik: „Die Kamera muss sehr schnell sein, das Teilchen ist ja nur ganz kurz da. Daraus können Sie Lehren ziehen für die Medizin, wo sie auch nur ganz kurz bestrahlen können.“
„Einstein hatte Glück“
Die dunkle Materie lassen wir jetzt aus. Materie ist das, die nicht zu sehen und nicht zu messen ist, die aber da sein muss – sonst könnten sich Galaxien nicht so verhalten, wie sie’s tun. Auch so ein Rätsel. „Alle diese Fragen beantwortet man nicht in fünf Jahren“, sagt Tjus: „Aber wie viele Fragen eines Physikers werden im Lauf seines Lebens beantwortet? Da hatte Einstein Glück, dass seine Relativitätstheorie relativ schnell bewiesen wurde.“
Aber dass sie sich derweil mit dem Universum befassen darf, das begeistert Julia Tjus. Gleich, nach dem Gespräch, wird sie im Internet einer aktuellen Radio-Meldung nachrecherchieren: Auf dem Jupiter-Mond Europa gebe es Anzeichen für Wasser. „Wasser!“
Das Ausrufezeichen hört man mit.