Essen. . Am Westdeutschen Protonentherapiezentrum in Essen werden schon Babys mit Hirntumoren behandelt. Am Montag wurde die Klinik offiziell eröffnet.
Fast sieht es wie ein Fremdkörper aus, dieses Kinderbett mit roten Gitterstäben, das zwischen all den medizinischen Geräten steht. Nur eine Giraffe lächelt sanft von der Wand. Im Keller dieser Hightech-Klinik verdrängt Technik jeden Anflug von Heimeligkeit. Dennoch ist es der Ort der Hoffnung: Vor allem krebskranke Kinder werden am Westdeutschen Protonentherapiezentrum Essen (WPE) behandelt.
„Kinder mit Hirntumoren zu therapieren, das gilt auch für Ärzte als große Belastung. Aber das Schöne ist ja, dass so viele gesund werden“, sagt Professor Beate Timmermann, Leiterin des Zentrums.
Klinik setzt deutschlandweit und international Maßstäbe
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Im Protonentherapiezentrum ist die Stimmung gut, passend zum Tag der offiziellen Eröffnung. NRW- Wissenschaftsministerin Svenja Schulze (SPD) gratuliert NRW endlich zu diesem Behandlungszentrum, das deutschlandweit und international längst Maßstäbe setzt. Schon 2013 konnten erste Patienten behandelt werden, doch weil der Start holprig war, hat man die Eröffnung verschoben. Immer wieder gab es Probleme. Die Technik sei hoch komplex, so Professor Eckhard Nagel, Geschäftsführer des WPE und Ärztlicher Direktor der Uniklinik Essen. Ständig musste nachjustiert werden.
Heute aber herrscht fast schon Euphorie: 250 Patienten im Jahr, bald sollen es 1000 sein, die hier bestrahlt werden. Es wird ein weiterer Behandlungstisch hinzukommen. Wie viel das Ganze kostet, darüber will Nagel nicht sprechen. Immer mal wieder wurde eine Summe von 110 Millionen Euro genannt.
Technik hinter drei Meter dicken Betonwänden
Wer dieses Riesengebäude betritt, kann kaum fassen, dass hier nur drei Patienten gleichzeitig therapiert werden. Der Platz ist für die Technik da. Der Patient sieht von dem, was hinter den Kulissen stattfindet, nichts: Die Welt der Technik liegt hinter drei Meter dicken Betonwänden. Wie in einem Science-Fiction-Film sieht es da aus, wo der Protonenstrahl entsteht. Er wird von einem Magneten gelenkt, deshalb steht hier ein 30-Tonner. Und dieser Koloss braucht ein Gegengewicht: noch einmal 30 Tonnen. Damit das Ganze nicht zusammenbricht, dient eine stählerne Spinne aus Röhren als stabilisierende Konstruktion -- und erinnert an ein frisch gestrichenes Atomium.
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„Die Technik ist immens“, sagt Oberarzt Dirk Geismar. „Aber nur so kann der Strahl präzise gelenkt werden und damit schonend arbeiten.“ Denn das Besondere ist: Der Protonenstrahl wirkt nur am Tumor und schädigt nicht das gesunde Gewebe. Das sei das A und O für die Überlebenschance und Lebensqualität.
Eine junge Frau habe gerade erst fröhlich winkend Tschüss gesagt, erzählt Chefärztin Beate Timmermann. Mitten auf der Weltreise habe sie Doppelbilder gesehen, dann die schlimme Diagnose: Ein Tumor im Kopf, schwierig gelegen. Sie wurde operiert – und dann im WPE nachbehandelt. „Es ist super gelaufen“, erzählt Timmermann. Der Tumor habe sehr nahe an lebenswichtigen Zentren im Gehirn gelegen: Sehen, Hören, aber auch nah dran an Bereichen, die für den Herzschlag und die Atmung zuständig sind. „Alles wieder okay. Sie konnte ihre Weltreise fortsetzen.“
Hand in Hand mit den Experten
Erfolge wie diese machen ihre Arbeit so sinnvoll, sagt sie „Uns fehlen zwar noch Langzeitergebnisse. Aber aus meiner Zeit in der Schweiz, wo ich Babys behandelt habe, weiß ich, dass die Kinder eingeschult wurden“, sagt Timmermann. Nach Essen zog es sie, weil das WPE etwas Besonderes sei: diese Technik! Und dazu noch die Unterstützung der Uniklinik mit dem Westdeutschen Tumorzentrum und den Krebsspezialsten. Alle arbeiten Hand in Hand. Ein Vorzeigemodell, auch international.
Von anfangs sieben auf nun 70 Mitarbeiter, darunter Spezialisten aus Shanghai und San Diego, ist ihr Team gewachsen. Experten, die für andere Zentren weltweit ausbilden. Auch die Patienten kommen aus aller Welt – England, Spanien, den Benelux-Ländern. Mit Hirntumoren, aber auch Wirbelsäulen- oder Muskeltumoren.
In dem Haus der Hightech-Medizin steht die Technik im Mittelpunkt, dennoch geht es um Schicksale, so die Chefärztin: „Glücklicherweise können wir aussichtslose Lebenslagen sehr oft wenden.“