Essen. . Ein Gutachten lässt jetzt Zweifel an der Wirksamkeit von Vorsorgeuntersuchungen gegen Hautkrebs aufkommen. Das Screening sei nutzlos – und teuer.
Sonnenanbeter kennen die Gefahr: Exzessives Bräunen erhöht die Gefahr, an Hautkrebs zu erkranken. Früh erkannt jedoch gilt schwarzer Hautkrebs (Malignes Melanom) als heilbar: Deshalb gehen jährlich rund acht Millionen Deutsche zur Vorsorge. Doch ein Gutachten lässt jetzt Zweifel an der Wirksamkeit aufkommen.
Das Ergebnis des ersten offiziellen Gutachtens nach Einführung der Reihenuntersuchung („Screening“) vor sieben Jahren sei katastrophal, berichtete am Donnerstag das ARD-Magazin „Kontraste“. Von den 130 Millionen Euro, die die Kassen jährlich für das Screening-Programm ausgeben, profitieren vor allem die Ärzte.
Erfolg von Hautkrebs-Früherkennung wohl "blanker Zufall"
Das Gutachten, das vom Gemeinsamen Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in Auftrag gegeben wurde, bestätigte das, was längst diskutiert wurde: „Der eindeutige Nachweis für die Wirksamkeit wäre die Abnahme der Mortalität, also der Sterblichkeit. Das konnten wir bisher nicht zeigen“, sagt der renommierte Dermatologe Prof. Reinhard Dummer vom Universitätsspital Zürich.
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Die Melanome, die zum Tod führen, seien meist dicke Melanome. „Die verpassen wir immer noch trotz Früherkennungsunterkampagnen“, so der Arzt. „Es ist also blanker Zufall, ob man die schnellwachsenden Melanome bei einem Früherkennungstermin erkennt, der im Abstand von zwei Jahren stattfindet.“ Und wenn, dann eben zu spät.
Ärzte kämpfen für die Früherkennung
Die entdeckten Tumore seien die, die langsam wachsen und harmloser sind. Durch die Überdiagnose würde zwar viel entdeckt, aber vieles, „das im Leben des Menschen niemals zu einem Gesundheitsproblem oder zu einer Lebensbedrohung geführt hätte“, so Prof. Hans-Werner Hense vom Krebsregister NRW.
Dass das Screening eingeführt wurde, geht auf das Engagement eines Arztes in Schleswig-Holstein zurück. 2003 probierte er das Massen-Screening aus. Angeblich mit Erfolg. Prof. Jürgen Windeler vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) zweifelt das in dem ARD-Beitrag an: Es fehlten die belastbaren Daten. „Andere Länder haben das Screening nicht eingeführt“, sagt Deutschlands oberster Medizinprüfer. Doch die Ärzte kämpfen für die Früherkennung. Weil sie Geld bringt, meint Hautarzt Jürgen Tacke aus Köln. „Es ist so, dass ein Hautarzt für die Behandlung von kranken Menschen etwa zwölf Euro für drei Monate abrechnen kann. Auch wenn er mehrmals zu uns kommen muss.“ Für die Früherkennungsuntersuchung hingegen werden 22 Euro gezahlt. „Deutlich mehr Geld als für die Behandlung kranker Menschen. Das ist eine Absurdität, die es so nur in Deutschland gibt.“
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Patienten wiegen sich in falscher Sicherheit
Das Hautkrebsscreening wird von den Krankenkassen unterstützt. Tacke: „Die nutzen die vollkommen überzogene Angst vor Hautkrebs, um sich im Wettbewerb Vorteile zu verschaffen.“ Jährlich erkranken in Deutschland etwa 13 700 Menschen an einem „Malignen Melanom“ (Darmkrebs: etwa 65 000 Fälle), schwarzer Hautkrebs verursacht etwa ein Prozent aller Krebstodesfälle.
Befremdlich findet Tacke das Bemühen der Kassen, die die Hautkrebsvorsorge sogar noch auf andere Altersgruppen ausweiten wollen. „Sie bieten ihren Versicherten jetzt das Hautscreening schon ab 16, 18 oder 20 an – manche gar ab der Geburt.“ Tatsächlich ist das Melanom bei jungen Menschen aber extrem selten. In ganz Deutschland sterben bei den 18- bis 34-Jährigen 45 Menschen pro Jahr, so die Deutsche Krebshilfe.
Professor Hans-Werner Hense vom Krebsregister weist zudem auf die Gefahr hin, dass die Menschen nach der Untersuchung zu wenig Sorgfalt walten lassen. „Durch das Screening wiegen sich viele Menschen in falscher Sicherheit. Sie achten nicht mehr selbst auf ungewöhnliche Veränderungen der Haut. Sie vertrauen stattdessen auf die alle zwei Jahre stattfindende Untersuchung durch den Arzt.“ Für Hense ist die Maßnahme überflüssig. „Man sollte sie deshalb einstellen.“