Dortmund. . Sparclubs haben jetzt Saison: Die Auszahlungsabende laufen. Dabei geht es Mitgliedern kaum ums Sparen. Aber ihr Geld ist sicher - vor ihnen selbst.
Ehrlich, als Kassierer im Sparclub zahlt man ja nur drauf. Es ist nicht nur der Einsatz: Jede Woche pünktlich gehen die beiden Männer abends in die „Alte Eiche“; wann genau, sei hier verschwiegen, denn das Böse kauert überall, sogar in Dortmund-Scharnhorst, hinterm Bahndamm.
Jedenfalls öffnen sie dann alle 60 Sparfächer, leeren, zählen, vermerken, verpacken, bringen weg in der Nacht . . . Dass man Geld auch anders als per Mausklick bewegen kann! Doch die Pflichterfüllung am Sparkameraden hat nicht nur etwas Anrührendes, nein, sie kostet auch. Denn „trocken können wir nicht sitzen“, sagt der 1. Kassierer, Ulrich Nowarra (73), und der 2. nickt dazu: Heinrich Bröde (68).
Der Saal der ,Alten Eiche’ hat sich schick gemacht
Man nennt sie im Sparclub auch einfach: die wichtigsten Leute.
Der Saal der „Alten Eiche“ hat sich schick gemacht am Nikolausabend: drei Tischreihen, mit Tannenbäumchen geschmückt, Servietten in Weihnachtsrot und Tischkarten in Grün. Varianten von Schnitzel wird es geben, Camembert mit frittierter Ananas auch, denn heute ist ein großer Abend: Auszahlungsabend, der 56. in der Geschichte des Sparclubs „Goldener Pfennig“ von 1958.
„Das ist Bombe hier“, sagt Mitglied Adam Warias, der gerade seine DJ-Ecke aufbaut und später dafür zu sorgen hat, dass Bombe auch hochgeht. Erstes Mittel der Wahl: Weihnachtslieder, die Drogen genommen haben, „Ihr Kinderlein kommet“ als Discopop.
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In volkserzieherischer Absicht
Zeit, mit der Chefin der „Alten Eiche“ zu reden. Gaby Steinmann ist auch Mitglied. Der Sparclub bringt ihr Gäste und Umsatz; ums Sparen geht’s ihr, wie den meisten, nicht, sondern darum, dass ihr Geld vor ihr in Sicherheit ist: „Zuhause an die Spardose könnte ich ja ran“ – hier im Club geht das nicht, niemand kommt an Nowarra und Bröde vorbei. „Unser Lokal hat heute vor 40 Jahre aufgemacht“, fällt ihr da ein. Sagt ihr Gegenüber: „Da war ich da mittem Gustav.“ Sagt sein Nachbar zu Gaby: „Blumen kriegst du Montag.“
Sparclubs stammen aus dem 19. Jahrhundert. In volkserzieherischer Absicht sollten sie Sparfreude fördern, dienten aber schnell der Munterkeit. Jedes Mitglied wirft wöchentlich einen Mindestbetrag in sein Sparfach, die Gesamtsumme wird am Jahresende wieder ausgezahlt. Verringert um Strafgelder für nachlässige Sparer und Beiträge für den Vergnügungsausschuss; dafür kommen natürlich Sparkassenzinsen hinzu. So gesehen, ist der Sparclub heute eine Alternative: Ist doch egal, wo man keine Zinsen kriegt!
Doch im Gegenteil, scheint der Sparclub sich zu überleben: Ihre Zahl sinkt. „Das hat mit dem Kneipensterben zu tun“, sagt der Vorsitzende Frank Schäfer: „Früher hatten Sie in Scharnhorst 24 Kneipen, heute noch drei.“ Und: „Damals konnten Sie in die Kneipe gehen und trafen immer Leute vom Sparclub. Heute ist da keiner mehr.“
Für über 46 000 Euro bekommt der Verein 124 Euro Zinsen
2013 hat der Verein über 46 000 Euro gespart – und 124 Euro Zinsen bekommen. Längst herrscht im Saal lauthalse Geselligkeit bei gedämpftem Licht, doch hinten in der Ecke läuft die Auszahlung: Die Sparer stehen an, Nowarra zeigt ihnen das Sparheft mit den wöchentlichen Eintragungen, sie quittieren, und Bröde gibt die weißen Umschläge heraus. Bargeld in Tütchen. Dabei harmonieren die beiden bestens in ihrem Kassierer-Charme: „Max, du willst auch Geld?“ von rechts. „Letztes Jahr haste noch gesungen“ von links.
Später verlassen sie den Saal noch mal, in dem es immer lauter und launiger wird. Sagt die Nachbarin zur Nachbarin: „Dein Sohn ist in Berlin? Ich hab’ schon mit deinem Mann gesprochen.“ – „Wie, du hast mit meinem Mann gesprochen?“ Draußen schließen sie den Sparkasten auf, und tatsächlich – es sind schon wieder Scheine drin. Große! Mit eingefalteten Zetteln: „Für vier Wochen.“ „Für einen Monat.“ Sparen wollen die Leute. Aber nicht in die Kneipe.
An der Theke sitzen zwei, die sind da anders: „Unser Sparclub wird nächstes Jahr 40,“ fällt einem ein. Der Nebenmann: „Hömma, ich hab’ jetz’ schon Durst.“