Duisburg/Moers. Gudrun Kleffe ist für den Preis „CityARTists“ nominiert. Die Moerser Künstlerin hat Jeans in Kunst verwandelt – mit überraschenden Wendungen.

Im Atelier von Gudrun Kleffe gibt’s weder Pinsel in Einmachgläsern noch Farbkleckse auf dem Boden. Stattdessen steht auf dem Tisch eine Nähmaschine, daneben liegt Garn. Denn die Moerser Künstlerin, die seit zwei Jahren einen Raum im Kunstverein Duisburg angemietet hat, beschäftigt sich hauptsächlich mit Textilien. „Das Tolle daran“, erklärt sie, „ist das Haptische.“ Und mit einem Werk ist sie aktuell sogar für den Preis „CityARTists“ nominiert…

Dabei hat Gudrun Kleffe zu Beginn ihrer Karriere noch anders gearbeitet, genauer gesagt, realistisch gemalt. Was dann passiert ist? „Zum Ende meines Studiums sollte ich eine Collage erstellen“, antwortet sie. Moment, sie holt mal eben ein Beispiel aus der Serie! „Es ging um Bilder, die jeweils an ganz andere Sachen erinnert haben.“ So wie die grünen Farben, die hinter dem schwarzen Gitter hervorblitzen… Der Ursprung, ein Fenster in Südfrankreich, ist nicht mehr zu erkennen. „Es geht mehr um die Gefühle.“

Doch noch wichtiger als der Inhalt wurden plötzlich die Materialien. Denn das Foto hat die Künstlerin auf ein Bettlaken übertragen, um es anschließend mit Farbe zu verfremden. „Das war meine erste Begegnung mit Textilien“, erinnert sie sich. „Und ich war so begeistert, dass mich das Thema auch nicht mehr losgelassen hat.“ Sie experimentierte mit verschiedenen Techniken, „so wie hier“, sagt sie und zieht eine Arbeit aus der Anfangszeit hervor.

Gehäkeltes Packband

Rote, graue, schwarze Farbschlieren liegen übereinander, untereinander, nebeneinander. Es geht in die Tiefe, buchstäblich. Dafür sorgen die transparenten Schichten, die Gudrun Kleffe im Malprozess immer wieder aufgetragen hat. Dennoch: „Das war mir noch nicht genug!“ Also probierte sie weiter herum, nun auch mit Stoffen und Bändern… Dort drüben, an der Wand, hängt ein großes Bild, das unter weißem Vlies runde Muster zeigt – „aus gehäkeltem Packband.“

Das Spiel der Materialien fasziniert die Künstlerin. „Was ist zu viel und doch nicht zu viel?“, ist die entscheidende Frage, die sie sich immer wieder stellt, um darauf jedes Mal eine neue Antwort zu finden. Das kann eine abstrakte Nymphe in einem klitzekleinen Kasten sein, das können auch stoffweiche Steine in einem gehäkelten Rad sein. „Wenn ich eine Idee habe, fange ich einfach an“, sagt sie. Mit dem Stricken, Häkeln, Knüpfen, Nähen, Kleben, Malen…

Oder auch mit dem Bauen, so wie bei ihren Arbeiten für eine Ausstellung zu Joseph Beuys. Ein wenig erinnern die drei Holzstelen an überdimensionale Streichhölzer. Und klar, Filz darf dabei natürlich nicht fehlen. Mal geht’s um das Thema Bienensterben, mal um Flüchtlingspolitik – wenn ein blutgetränkter Verband von einer Schleife aus gefilzten Haaren zusammengehalten wird, an dem ein Etikett mit „Retoure – Beschreibung: human“ baumelt, ja, dann stockt einem schon mal der Atem.

Portraits aus Kleidung

„Und was ganz unscheinbar aussieht, behandelt das Ungleichgewicht von Arm und Reich“, erklärt die 62-Jährige. Eine hauchdünne Goldschicht steht in keinem Verhältnis zur grauweißen Masse… Aber was ist denn nun ihre Arbeit, mit der sie sich gegen die Konkurrenz beim Preis „CityARTists“ durchsetzen möchte? Angefangen hat alles, na klar, mit dem Stoff. „Ich habe zum Winteratelier im Artoll eine Jeans mitgenommen, mit der ich eigentlich etwas ganz anderes machen wollte“, erzählt sie.

Die Moerser Künstlerin Gudrun Kleffe ist mit ihren „Gewirkten Portraits“ für den Preis „CityARTist“ nominiert.
Die Moerser Künstlerin Gudrun Kleffe ist mit ihren „Gewirkten Portraits“ für den Preis „CityARTist“ nominiert. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Als sie aber die Hose in der Hand hielt, „fühlte es sich so gut an“, sagt die Künstlerin. Und mit Blick auf den danebenliegenden Pulli kam ihr direkt eine Idee: „So, wie Leute sich kleiden, sagt es immer auch etwas darüber aus, wie sie denken und fühlen.“ Was also, wenn sie Kleidung für Portraits verwendet? Kurz darauf startete sie einen Aufruf: „Suche Jeans mit Geschichte!“ Sie selbst kann sich noch gut an ihre allererste Jeans erinnern: „Ich habe mein ganzes Taschengeld gespart, um eine Jingler meiner Freundin abzukaufen.“

Tatsächlich brachten ihr die Leute viele Jeans, allerdings ohne Geschichten. Machte aber nix. Dann dachte sie sich die Hintergründe eben einfach aus. So entstanden ihre „Gewirkten Portraits“, wie sie die zwölfteilige Serie nennt. Da ist beispielsweise die geflickte Hose einer vielleicht alternativen Person, „die gerne Filz und Leinen trägt“, so interpretiert sie es selbst. Deshalb die verschiedenen Stoffe unter der abgeschnitten Jeans.

Teebeutel am Knopfloch

Aber was macht denn der Teebeutel am Knopfloch? Naja, eine solche, etwas gediegenere, Hose trägt doch sicher eine Teetrinkerin! Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. So ganz möchte sich die Künstlerin aber dennoch nicht von ihrer Ursprungsidee trennen. Wer also noch eine Jeans mit Geschichte herumliegen hat, kann sie ihr gern im Atelier vorbeibringen. Aktuell arbeitet sie hier aber auch schon wieder am nächsten Projekt.

Die Künstlerin Gudrun Kleffe arbeitet aktuell in ihrem Duisburger Atelier am nächsten Textilkunstwerk.
Die Künstlerin Gudrun Kleffe arbeitet aktuell in ihrem Duisburger Atelier am nächsten Textilkunstwerk. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Auf einer braunen Leinwand kleben orangefarbene Reißverschlüsse, jetzt fehlt nur noch eines: „Eigentlich ist das Verbandsmaterial“, sagt sie und zeigt auf den ausliegenden Stoff, „die Linien habe ich alle eingenäht.“ Natürlich mit der Nähmaschine. Und nun? Tunkt sie schnell eine Rolle in einen Topf, um das feine Netz – nee, nicht mit Farbe – sondern mit durchsichtigem Fixiermittel zu bestreichen. Ist alles getrocknet, kommt es auf die große Leinwand und wird… zum Textilkunstwerk.

>>> Moerser Vertreterin für den CityARTists-Preis

Die Künstlerin Gudrun Kleffe ist als Moerser Vertreterin für den diesjährigen CityARTists-Preis des NRW Kultursekretariats nominiert. „Die in der Bewerbung präsentierten Werke beeindruckten die Jury durch ihre Konzentration, Konsequenz und Eindeutigkeit“, so die Begründung.

Der Preis ist zur Förderungen für Kunstschaffende ab 50 Jahren gegründet worden. Von den Künstlerinnen und Künstler aus 21 Kommunen wählt eine Jury im kommenden Herbst zehn Gewinnerinnen und Gewinner aus, die dann ein Stipendium in Höhe von jeweils 5000 Euro erhalten.

Sollte Gudrun Kleffe Stipendiatin werden, plant sie eine raumgreifende Installation mit Stoffportraits. Fest steht aber, dass ihre aktuellen Arbeiten im alten Klärwerk von Krefeld zu sehen sein werden – vom 17. September bis zum 3. Oktober.