Bad Münstereifel.. In der historischen Altstadt von Bad Münstereifel entsteht auf 12.000 Quadratmetern ein Outlet-Center. Am 14. August sollen in der denkmalgeschützten Altstadt 40 neue Geschäfte öffnen. Die Arbeitsgemeinschaft historischer Stadtkerne warnt: Bad Münstereifel kann kein Vorbild sein.
Die Türglocke im Hutladen von Johanna Pauli klingelt. Und es geschieht: nichts. Obwohl ich die Türglocke noch zweimal bimmeln lasse. Jenseits einer offenen Tür hinten im Laden öffnet sich der Blick in eine Wohnküche. Das Radio läuft, niemand ist zu sehen. Vielleicht füttert Frau Pauli Katzen im Hof oder macht ein Nickerchen. Jedenfalls erwartet sie keine Kunden. Und mit Ladendieben rechnet sie offenbar auch nicht.
Doch derlei Beschaulichkeit soll ab dem 14. August in Bad Münstereifel der Vergangenheit angehören. Denn im denkmalgeschützten Ortskern entsteht ein Factory-Outlet. 40 neue Geschäfte werfen verbilligte Markenartikel unters Volk, vor allem Textilien, Sportartikel und Schuhe. Die Kunden sollen nach Millionen zählen und dem Ort wieder Geld und Leben bringen.
Glaubt man Günter Kirchner, schüttelt sich das Städtchen gerade den Alptraum aus den Knochen von Bevölkerungsschwund, Kaufkraftverlust und Verarmung. Kirchner ist Vorsitzender des Förderkreises für Denkmalpflege, liebt die Historie. Aber er ist auch FDP-Ratsherr und sorgte sich um die Wirtschaftskraft.
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„Die Immobilienpreise fielen, Läden standen leer und von Tagestouristen allein können wir nicht leben“, sagt auch Alexander Büttner, der Bürgermeister. Das Outlet ist für ihn kein Traditionsbruch: „Bad Münstereifel war immer eine Stadt, die von Gästen gelebt hat. Insofern ist das eine Entwicklung, die passt.“
In der komplett ummauerten Altstadt schmiegen sich Fachwerkhäuser, Klöster und Kirchen. Die Erft schlängelt sich mittendurch, am Ufer warten Cafés und Restaurants. Im „Printenhaus“ gibt es Flammkuchen à la Himmel und Ääd: Blutwurst, Apfelkompott und Zwiebeln.
30 Sekunden bis zum Bier
Das Bier kommt nach 30 Sekunden: Bedienung 1 funkt Bedienung 2 an, die serviert sofort. Nicht viel zu tun, trotz Sonnenschein. Doch die Kellnerin hat andere Sorgen: „Nach dem 14. August bin ich nur noch am rennen.“ Bislang konnte sie sicher sein, dass von Oktober bis April wenig zu tun war im Örtchen, über dem im Osten ein Schloss thront und im Westen das alte Kurhaus. Dort residiert jetzt der prominenteste Münstereifler: Schlagerikone Heino samt Sonnenbrille, Nusstorte und Hannelore. Sein Rathaus-Café wich dem Outlet.
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An dieser Entwicklung ist Georg Cruse nicht unschuldig. Der Mitgeschäftsführer einer Textilhandelskette hatte auf einer Wanderung mit wohlhabenden Freunden die Idee: Erstmals soll ein Outlet-Store in eine historische Innenstadt gepflanzt werden statt als Retorte auf die grüne Wiese. Das Besondere: Die Investoren sind keine Heuschrecken, sie leben in und mit Bad Münstereifel, die Kinder gehen auf die Schule im Ort.
"Als ich das zum ersten Mal hörte, war ich sehr erschrocken"
„Als ich das zum ersten Mal hörte, war ich sehr erschrocken“, sagt Monika Herzog. Sie ist die zuständige Landeskonservatorin. Heute sagt sie: „Ich hoffe, dass es Erfolg hat. Denn sonst verfallen wieder viele Denkmäler.“ So aber habe die Sanierung in vielen Fällen die alten Häuser sogar wieder näher an den historischen Zustand gebracht. Man habe aber auch nachgeben müssen. „Vor allem bei dem Bebauen von Freiflächen in den ehemaligen Klostergärten.“ Aber sie lobt die Investoren: Sie hätten den Wert der historischen Altstadt erkannt. Das, erwidert Georg Cruse, sei ja die Geschäftsidee: „Wir bieten etwas Einmaliges: eine authentische, historische Stadt und die Möglichkeiten eines Outlets“, sagt er.
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"Entscheidend ist für uns, dass das äußere Bild erhalten bleibt"
„Entscheidend ist für uns, dass das äußere Bild erhalten bleibt“, sagen Bürgermeister und Heimatkreis-Chef zur Gratwanderung zwischen Wahrung der Substanz und den Erfordernissen der Moderne in Sachen Klimatechnik, Logistik, Beleuchtung und Brandschutz. Noch wird Laminat verlegt und Reklame an die Fassade geschraubt. Bald beginnt Münstereifel das Experiment, aus seiner reichen Geschichte neues Kapital zu schlagen.
Hinkommen: Über die A1 Richtung Trier bis Bad Münstereifel/Mechernich. Dann ist’s ausgeschildert. Oder mit der Bahn via Köln und Euskirchen.
Ringsum: Eifelsteig, Radioteleskop Effelsberg, alte Kalkbrennereien der Römer, die NS-Ordensburg Vogelsang, reichlich Wald zum Wandern.
Mehr Infos: www.bad-muenstereifel.de