Duisburg. Laut einer Langzeit-Studie mit 3400 Duisburger Jugendlichen begehen 84 Prozent der Jungen unter 18 Jahren und 69 Prozent der Mädchen mindestens eine Straftat. Aber auch Schüler, die mehrfach durch Straftaten aufgefallen sind, finden als Erwachsene meist den Weg in die Normalität.
Eine leichte oder mittelschwere Straftat begeht fast jeder Jugendliche mindestens einmal – wenn daraus auch meist noch keine kriminelle Karriere wird. „Das meiste erledigt sich von selbst“, sagt der Kriminologe Klaus Boers (Uni Münster).
Aber nicht weniger als 84 Prozent der Jungen unter 18 Jahren haben einen kleinen Ladendiebstahl, eine Prügelei oder eine Graffiti-Schmiererei auf ihrem Bagatell-Konto. Bei den Mädchen sind es 69 Prozent. Sie seien stärker belastet als bisher angenommen. Außerdem sei Massenkriminalität unabhängig von sozialen Schichten.
Boers und der Soziologe Jost Reinecke (Uni Bielefeld) haben in ihrer Langzeit-Studie mit 3400 Duisburger Jugendlichen herausgefunden, dass Polizei und Justiz meist gar nicht eingreifen müssen. „Nach einem schnellen Anstieg zum Ende des Kindesalters geht die Delinquenz bereits ab dem 15. bis 17. Lebensjahr wieder weitgehend zurück“, so ihr Befund. Die Professoren werten das als Beleg, dass Werte und Normen durch Familie und Schule erfolgreich vermittelt würden.
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Sechs bis acht Prozent werden zu Intensivtätern
Eine vergleichbare Studie, die mehr als nur Momentaufnahmen liefert, sondern die Anfälligkeit für Kriminalität im Altersverlauf erfasst, gibt es in Deutschland nicht. Seit 2002 wurden die anfangs 13-jährigen Duisburger Jugendlichen immer wieder kontaktiert – zunächst jährlich und, seit sie volljährig sind, im Zwei-Jahres-Rhythmus. Neben den offiziellen Daten über Verfahren und Verurteilungen erfragten die Wissenschaftler vor allem auch das Dunkelfeld ihrer Kriminalität, das sonst in keiner Statistik auftaucht.
Immerhin werden sechs bis acht Prozent zu Intensivtätern, die in ihrer Altersgruppe die Hälfte aller Straftaten und über drei Viertel der Gewaltdelikte verüben. Doch die landläufige Annahme, dies setze sich im Erwachsenenalter automatisch fort, erwies sich als falsch. Viele schaffen mit 16 Jahren allmählich den Absprung. Hilfreich bei diesem oft schwierigen Weg seien ein „erfolgreicher Übergang ins Erwerbsleben“ und stabile soziale Bindungen.
Migranten sind nicht öfter gewalttätig
40 Prozent der Befragten sind Migranten. Dass sie nicht öfter gewalttätig werden als deutsche Jugendliche, so Boers, „hat uns selbst überrascht“, zumal Studien der 90-er Jahre zu anderen Ergebnissen gekommen seien. Als positiv bewertet wird dabei das breite Gesamtschul-Angebot in Duisburg, das vor allem viele Türken nutzen.
Kritisiert wird übermäßiger Konsum von Gewaltspielen. Zumindest indirekt könne dies die Hemmschwelle senken, selbst Gewalt auszuüben. Von harter Bestrafung oder Haft raten die Forscher - wo es eben geht - ab. „Je härter die Strafe, desto höher das Rückfallrisiko“, lautet ihr Fazit, „weniger ist häufig mehr.“