Düsseldorf. . Der neue Chef des Landeskriminalsamts, Uwe Jacob, sieht im Kampf gegen Internetkriminalität eine der großen Herausforderungen für Polizei und Gesellschaft. Im Interview erklärt er zudem, warum die Polizei die Vorratsdatenspeicherung braucht.
In seinem Büro hängen keine Bilder, noch nicht. Nachdem Uwe Jacob vor einigen Wochen an die Spitze des Landeskriminalamts gewechselt ist, hat sich der Beamte sofort in Arbeit gestürzt. Ob im Kampf gegen die Cyberkriminalität oder gegenüber Einbrecherbanden, Rockern: Der neue Chef der 1170-Mitarbeiter-Behörde setzt erklärtermaßen auf Innovationen und moderne Technik.
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Uwe Jacob: Selbstverständlich. Polizei muss immer auf der Höhe der Zeit sein. Wir brauchen kompetente Mitarbeiter, die sich ständig fortbilden. Und wir brauchen auch Technik. Bei Gewaltverbrechen oder besonderen Einbrüchen zum Beispiel sind wir in der Lage binnen eines Tages Fingerabdrücke abzugleichen, die elektronisch von den Behörden vor Ort an uns übermittelt werden. Andere technische Dinge müssen wir noch weiterentwickeln. Computer-Festplatten etwa werden immer leistungsfähiger, und die dort gespeicherten Datenmengen immer größer. Das ist nicht mehr einfach zu analysieren und auswertbar. Da brauchen wir neue intelligentere Methoden.
Sie sehen die zunehmende Cyberkriminalität als eine große Herausforderung. Wie real ist die Gefahr aus der virtuellen Welt?
Jacob: Sehr. Wir hatten ja schon Fälle von einer gewaltigen Dimension. Nehmen Sie bei einem großen nordrhein-westfälischen Provider den Diebstahl von Millionen-Kundendaten durch einen Insider. Es gibt aber auch „altbekannte“ Delikte, die ins Internet abwandern. Die Beleidigung; die früher am Gartenzaun zwischen zwei Nachbarn stattfand, läuft jetzt bei Facebook. Derartige Beleidigungen sind heute weltweit abrufbar, und immer setzt noch jemand einen darauf. Die Folgen für die Einzelperson sind so viel gravierender als früher. Das hat auch schon Menschen in den Suizid getrieben. Alle Straftaten, die früher in der realen Welt verübt wurden, werden heute auch im Internet begangen, natürlich mit Auswirkungen auf die reale Welt.
Wie ist die Polizei gerüstet?
Jacob: Jeder kriminalpolizeiliche Sachbearbeiter muss qualifiziert werden, einfache Cybercrime-Delikte bearbeiten zu können. Für jeden einzelnen Mitarbeiter ist das ein riesiges Fortbildungsprogramm. Wir haben uns dazu im Jahr 2011 neu aufgestellt. Cybercrime wurde in die Ausbildung unserer Beamten aufgenommen. Und wir haben hier bei uns im LKA das Cybercrime-Kompetenzzentrum, wo wir Sachverstand und Ermittlungen bündeln.
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Mit dem „Single Point of Contact“ gibt es dort auch einen 24-Stunden-Notruf. Dorthin können sich insbesondere Unternehmen wenden, wenn sie den Verdacht haben, Opfer von Cyber-Verbrechen geworden zu sein. Das wird zunehmend genutzt. Allein im Jahr 2013 gingen 299 solcher Anfragen ein, davon mussten meine Mitarbeiter in 190 Fällen Sofortmaßnahmen treffen.
Um was für Fälle geht es da?
Jacob: Ein Beispiel: Ein Elektronikversand hat uns eine hohe Anzahl betrügerischer Packstationsbestellungen nach NRW gemeldet. Die Täter anonymisierten sich vollständig. Sie nutzten Personal und Kontodaten ahnungsloser Bürger, die sie zuvor über das sogenannte „Phishing“ im Internet abgegriffen hatten. Durch Übermittlung der Logdaten an das LKA und den Abgleich mit den Warenwirtschaftsdaten des Unternehmens konnten Täter wie Fälscherlabor identifiziert und gesichert werden. Der Versand hatte rasch den Kontakt mit uns gesucht. Diese Schnelligkeit war der Schlüssel zum Erfolg.
In den ersten zehn Monaten des Jahres 2013 ist die Zahl der Cyberdelikte in NRW um 22% gestiegen. Angesichts solcher Zuwachsraten: Sind 100 Mitarbeiter im Kompetenzzentrum da nicht zu wenige?
Jacob: Ich denke, dass wir zulegen müssen, will aber nicht vorgreifen. Das Kompetenzzentrum ist jetzt zwei Jahre alt. Es läuft eine Evaluation. Wir überlegen, ob und wie wir Dinge besser machen können. Mir ist in dem Zusammenhang aber etwas Anderes auch wichtig: Nicht nur die Polizei muss gerüstet sein, jeder Einzelne und jede Firma muss sehen, dass neue Medien nicht nur ungeheure Chancen bieten, es gibt auch Gefahren. Darauf müssen sich alle einstellen. Ein Smartphone sollte man sichern. Ein Auto lässt man schließlich auch nicht ungeschützt auf der Straße stehen.
Wie sehr fehlt der Polizei die Vorratsdatenspeicherung?
Jacob: Ich begrüße sehr, dass die Große Koalition in Berlin eine gesetzliche Regelung auf den Weg bringen will. Manche Bürger machen sich vielleicht ein falsches Bild und sind deshalb in Sorge. Man kann an dieser Stelle nicht genug aufklären. Wir sind ja nicht die NSA. Nicht der Staat soll die Daten speichern, sondern die Telekom-Anbieter - die sie später auch wieder löschen. Die Polizei hat nur bei begründetem Verdacht Zugriff. Allein im Jahr 2012 konnten meine Mitarbeiter der Zentralen Internetrecherche bei 291 Strafverfahren (unter anderem Kinderpornographie) in 53 Fällen den Tatverdächtigen nicht ermitteln, weil eine Regelung zur Vorratsdatenspeicherung fehlt. Dabei haben wir haben es mit gravierenden Verbrechen zu tun. Bei Kinderpornographie im Internet geht es ja nicht nur um die Bildchen an sich, sondern um schwere Missbrauchshandlungen zum Nachteil schutzloser Opfer. Ich meine, wir sollten alle Spuren nutzen, um der Täter habhaft zu werden.