Wesel. . Viele Verkehrsteilnehmer unterschätzen das Risiko durch die Ablenkung am Handy. Das gilt auch für Radfahrer und zunehmend für Fußgänger, die ihre Mails checken. Die Polizei beobachtet das riskante Phänomen häufig vor Schulen. Fakt ist: Die Zahl der Unfälle wegen Smartphone-Nutzung steigt rapide.

„Die sind ja wie völlig verstrahlt mit ihren Handys“, ärgert sich Josef Wissen von der Kreispolizei in Wesel. Gerade vor Schulen beobachtet die Polizei, dass viele Jungen und Mädchen mit dem Handy in der Hand auf dem Bürgersteig unterwegs sind und sogar beim Überqueren der Straße mit dem Smartphone Quiz-Aufgaben lösen oder mit Freunden chatten. „Das ist sehr gefährlich“, weiß Wissen.

Internationale Studien zeigen, dass es immer mehr Unfälle gibt, in die Fußgänger verwickelt sind, die durch ihr Handy abgelenkt waren. Forscher in den USA haben beobachtet, dass in den Städten beinahe jeder dritte Fußgänger auf sein Handy schaut.

Eine Lösung: Das Handy schaltet bei Bewegung ab

Auch interessant

Die Folgen sind zum Glück meistens harmlos. Und wenn sich einer an der nächsten Laterne den Kopf stößt, ist das meistens mit einem Lerneffekt verbunden – nach dem Motto: „Wer nicht hören will, muss fühlen.“ Aber was ist, wenn abgelenkte Fußgänger beim Überqueren der Straße einen Unfall mit Auto- und Personenschaden auslösen?! In Japan wurde deshalb bereits eine Funktions-App entwickelt, die das Handy abschaltet, wenn es bewegt wird. Wenn’s beim Gehen ruckelt, erscheint auf dem Display ein Warnhinweis: „Es ist gefährlich, beim Gehen das Handy zu benutzen!“

Wenn ein Autofahrer einen Unfall auslöst, weil er gerade telefoniert hat, können die Folgen sogar tödlich sein. „Trotzdem sieht man oft, wie am Steuer Handys benutzt werden“, beklagt Polizeisprecher Wissen. Seine Kollegen von der Streife achten darauf und winken die Verkehrssünder rechts raus.

Polizei schickt Aufnahmeteams

In Köln preschte die Polizei unlängst an die Öffentlichkeit, künftig bei schweren Verkehrsunfällen verstärkt auf das Handy als Beweismittel zu achten: Auslöser war der tödliche Unfall einer 24-jährigen Düsseldorferin. Die junge Frau war ungebremst auf ein Stauende aufgefahren – im Schoß der Toten fand die Polizei ein Mobiltelefon, auf dessen Display eine nicht zu Ende geschriebene SMS zu sehen war.

Ein Sprecher des NRW-Innenministers berichtet, dass die meisten Polizeibehörden bei schweren Unfällen inzwischen eigene Aufnahmeteams an den Unfall-„Tatort“ schicken – denn: „Wenn es Verletzte oder sogar Tote gegeben hat, könnte es sich auch um eine Straftat wie fahrlässige Körperverletzung oder Tötung handeln.“ Dann werde das verdächtige Handy, das nicht in der Jacke oder in einer Tasche gefunden wird, sondern im Fahrzeug herumgeflogen ist, als Beweismittel sichergestellt. Lediglich die Daten des Mobiltelefons würden ausgelesen, Inhalte blieben tabu, betont der Sprecher. Wenn nötig, werden ermittelte Gesprächspartner als Zeuge geladen.

Allerdings: Zahlen über die „Unfallursache Handynutzung“ liegen kaum vor. In den USA soll es jährlich mehr als 3000 Tote geben, weil Autofahrer durch das Handy abgelenkt waren. Der Berliner Unfallforscher Siegfried Brockmann vom Verband der deutschen Versicherungswirtschaft räumt ein: „Wir schwimmen bei dem Thema.“ Was aber unstrittig sei und in der Debatte leider kaum eine Rolle spiele: Telefonieren lenke den Autofahrer auf jeden Fall ab – egal ob das Handy am Ohr ist oder eine Freisprechanlage genutzt wird.

100 Meter im Blindflug

Auch interessant

In Simulatortests kam nach Angaben Brockmanns heraus, dass selbst mit dem Freisprecher eine ähnlich hohe Unfallgefahr besteht, als wenn man sich mit 0,8 Promille hinters Steuer setzt. Beim Handy am Ohr dürfte der Wert noch höher liegen. Experten gehen davon aus, dass Unaufmerksamkeit durch Hantieren am Handy inzwischen übermäßigen Alkoholgenuss als wichtige Unfallursache verdrängt hat. Ob diese Vermutung richtig ist, will der Ministersprecher nicht kommentieren. Sicher sei aber: Wer mit 140 Sachen über die Bahn stocht und dabei nur kurz aufs Display seines Mobiltelefons schaut, lege mindestens einen 100-Meter-Blindflug zurück.