Essen. Die Grünen in NRW sammeln auf der Internetseite “Bahnhofcheck“ Fotos maroder Bahnanlagen. Reisende können ihre Bilder von verschmutzten Bahnhöfen und vernachlässigten Anlagen einschicken. Mit dem Projekt wollen die Grünen im Landtag die Deutsche Bahn unter Druck setzen.

Die Treppen in den Fußgängertunnel führen in die Dunkelheit. Ein süßlicher, beißender Geruch steigt dem Fahrgast in die Nase, der die Unterführung durchqueren muss, um zu den Bahnsteigen zu kommen. An den Wänden blättert die Farbe ab, Schimmel wuchert in den feuchten Ecken der Tunnelwände. Jeder Tropfen von der Decke hallt in dem Bauwerk wider, während die Schlaglöcher auf dem Boden den Fahrgast ins Stolpern bringen.

Ganz so schlimm ist der Zustand der meisten der rund 694 Personenbahnhöfe in NRW glücklicherweise nicht . In den vergangenen Jahren renovierte die Deutsche Bahn in umfassenden Sanierungsarbeiten große Bahnhöfe wie den Essener und den Bochumer Hauptbahnhof. Doch vor allem in ländlicheren Gegenden gibt es noch immer heruntergekommene Bahnanlagen, die scheinbar nicht gewartet werden.

Erschreckende Zustände auf Bahnhöfen

Das weiß Rolf Beu, Grünen-Politiker im Landtag NRW, aus eigener Erfahrung. Seit Jahren nutzt der Sprecher für ÖPNV und Bahnpolitik den Regionalverkehr der Bahn und stellte dabei fest: "Der Zustand mancher Bahnhöfe ist erschreckend". Um das der Öffentlichkeit zu zeigen und damit auch den Druck auf die Deutsche Bahn zu erhöhen, hat Beu sich das Projekt "Bahnhofcheck" ausgedacht.

Auch nach der aufwendigen Renovierung des Essener Hbf ist der Treppenaufgang am Ausgang Freiheit vermüllt.
Auch nach der aufwendigen Renovierung des Essener Hbf ist der Treppenaufgang am Ausgang Freiheit vermüllt. © Scoopshot

Auf der Internetseite sammelt der Politiker Fotos von Bahnanlagen aus ganz NRW, die grundlegenden Ansprüchen nicht genügen. Darunter versteht er "zum einen, dass Fahrgäste sich nicht fürchten müssen, die Anlage zu betreten. Man muss sich sicher fühlen und sich nicht vor den Gerüchen oder Abfällen ekeln." Schließlich werfen unansehnliche Bahnhöfe nicht nur auf die Bahn ein schlechtes Licht, so Rolf Beu, sondern färben auch negativ auf das Image der jeweiligen Stadt oder Kommune ab.

Missstände werden per Smartphone dokumentiert

Ein weiteres wichtiges Thema: Barrierefreiheit. Viele Bahnanlagen sind nicht ausgerüstet, um beispielsweise Rollstuhlfahrern den problemlosen Einstieg in die Züge zu ermöglichen, geschweige denn den Weg auf den Bahnsteig. "Davon sind auch ältere Personen betroffen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind. In Zeiten des demografischen Wandels ist es aber umso wichtiger, dass sich jeder auf den Bahnanlagen frei bewegen kann."

Das Projekt "Bahnhofcheck" wendet sich ganz gezielt an die Bürger - wer auf dem Weg zur Arbeit, zum Shoppen oder zum Wochenendtrip durch eine sanierungsbedürftige Bahnanlage reisen muss, kann einfach ein Foto mit dem Smartphone machen und es per Email an die Seitenbetreiber schicken. "Wir wollen die Leute motivieren, die Missstände mit uns zu dokumentieren, um den Druck auf die Bahn zu erhöhen", sagt Beu.

Fotos aus Dortmund, Holzwickede und Bad Oeynhausen

Weggeworfene Verpackungen liegen auf dem Bahnsteig und im Gleisbett am Düsseldorfer Hbf.
Weggeworfene Verpackungen liegen auf dem Bahnsteig und im Gleisbett am Düsseldorfer Hbf. © Scoopshot / Dominic Hepner

Seit dem 7. November ist der "Bahnhofcheck" online. Bisher sind bereits hunderte Fotos eingegangen. 28 davon haben Beu und seine Mitarbeiter bereits ausgewählt und veröffentlicht. Darunter ist auch der Bahnhof Dortmund-Barop mit seiner unansehnlichen Unterführung, deren Boden aufgebrochen und verdreckt ist. Auch in Holzwickede und Bad Oeynhausen beschweren sich die Fahrgäste über stinkende Unterführungen ohne Beschriftungen, die in einem allgemein erbärmlichen Zustand seien. Entsprechende Fotos belegen zumindest den visuellen Eindruck der Anlagen. Auch die Leser von WAZ-Online schickten uns auf Nachfrage Fotos von vermüllten und unansehnlichen Bahnanlagen über Scoopshot.

"Ein angemessenes Ambiente sollte schon garantiert werden, mal ganz abgesehen von der Bereitsstellung von Informationen zur Reise und regelmäßiger Reinigung", kommentiert Beu. Mit den Vorwürfen konfrontiert sagt eine Bahnsprecherin dazu: "Es werden jeden Tag Trocken- und Nassreinigungen durchgeführt, außerdem gibt es Putzaktionen in unterschiedlichen Abständen." Dann würden zum Beispiel im Frühjahr die Schäden, die das Winterwetter hinterlassen hat, behoben.

407 Millionen Euro für Modernisierungsarbeiten

Kaugummis, Kippen und anderer Unrat verschmutzen den Bahnsteig in Hilden.
Kaugummis, Kippen und anderer Unrat verschmutzen den Bahnsteig in Hilden. © Scoopshot / Debo S.

Vor allem aber würden momentan 108 kleinere Bahnhöfe in NRW saniert, so die Sprecherin. Dazu zählen auch der Bahnhof in Holzwickede und der Bahnhof Bad Oeynhausen. Im Zuge der Modernisierungsoffensive 2 (MOF 2) werden seit Juni 2008 Anstrich, Beleuchtung und Bodenbeläge erneuert. Das lässt sich das Land nach Angaben der Deutschen Bahn immerhin 407 Millionen Euro kosten.

In Bad Oeynhausen laufen die Arbeiten seit Juni diesen Jahres: In Zukunft soll es dort moderne Ausstattung auf den Bahnsteigen in Form von Sitzbänken, Beleuchtung, Wetterschutzhäusern und Fahrgastinformationsanlagen geben. In Holzwickede seien ein völlig neuer Zugang zu den Gleisen geplant, so die Bahnsprecherin, sowie ein Aufzug. Die Bauarbeiten sollen 2014 beginnen.

Auch positive Beispiele

Bis ins nächste Jahr hinein sammelt Rolf Beu weiterhin Fotos und Beschreibungen heruntergekommener Bahnhöfe in NRW - mindestens. Schließlich will er ein möglichst großes Echo erreichen: "Die Öffentlichkeit muss auf diese Zustände aufmerksam gemacht werden." Danach will Beu eine Auswahl der gesammelten Bilder und Beschwerden an die Deutsche Bahn schicken, um sie mit den seiner Meinung nach miserablen Zuständen zu konfrontieren.

Ganz ohne Lob ist Beu trotz aller Kritik jedoch nicht: "Es gibt auch positive Beispiele für die Instandhaltung der Bahnanlagen. Euskirchen ist eines, und auch die größeren Bahnhöfe sehen ansprechend aus." Wer sich am Projekt "Bahnhofcheck" beteiligen möchte, bekommt alle Informationen auf der Internetseite: www.gruene-fraktion-nrw.de/bahnhofcheck.