Essen. Der erste große Herbststurm hat am Montag zwei Menschen in NRW das Leben gekostet. Ein Baum erschlug einen Autofahrer und ein mitfahrendes Mädchen, wohl seine Nichte. Landesweit wurden mehrere Menschen verletzt. Der Sturm fegte Bauschilder, Mülltonnen und Dachziegel weg und legte Bäume um.
Der erste schwere Herbststurm ist am Montag über den Nordwesten Europas gezogen: Allein in Deutschland wurden am Montag fünf Menschen getötet, in Großbritannien kamen durch Sturm "Christian" mindestens vier Menschen ums Leben, die Behörden Frankreichs, Dänemarks und der Niederlanden meldeten jeweils ein Todesopfer. Hunderttausende Menschen in Europa waren ohne Strom, Flüge und Züge fielen aus, und den Ärmelkanal konnten zwischenzeitlich keine Fähren mehr passieren.
Tödlich endete die Fahrt zum Schwimmbad für einen 39-jährigen Familienvater in Gelsenkirchen. Beim Sturm stürzte ein etwa 25 Meter hoher Baum im Stadtteil Feldmark am Montagmittag auf ein vorbeifahrendes Auto mit Essener Kennzeichen. Der Fahrer des Volkswagen starb, und mit ihm ein minderjähriges Mädchen, seine kleine Nichte. Ein achtjähriger Junge und ein weiteres Mädchen (11) wurden leicht verletzt - die Kinder des Autofahrers. Die Überlebenden sind schwer traumatisiert. Der Unfall war am Revierpark Nienhausen auf der Nienhausenstraße geschehen. Die Straße war für Stunden gesperrt, davon betroffen war auch die Straßenbahnlinie 107.
Gegen 12 Uhr war der dunkle VW auf der Nienhausenstraße im Gelsenkirchener Stadtteil Feldmark in Richtung Gelsenkirchen Zentrum unterwegs als das Unglück passiert. In Höhe der Straßenbahnhaltestelle „Trabrennbahn“, dort, wo sonst Pferdefreunde im Wettfieber aussteigen oder Erholungsuchende im nahen Gesundheitspark Nienhausen stille Minuten in Sauna und Solebad suchen, donnert die Weißbuche schräg von hinten auf das gerade vorbeifahrende Fahrzeug.
In Essen war die Feuerwehr war ab etwa 11 Uhr im Dauereinsatz, vor allem südlich der Autobahn 40. Wachabteilungsleiterin Susanne Klatt Essen berichtete von 52 Einsätzen: "Wir mussten vor allem Bäume und Äste von Straßen und Autos schaffen." Auf einigen Bahnlinien kam es zu Störungen im Ablauf.
Zugverkehr gestört, Flüge in Düsseldorf und Köln fielen aus
In Düsseldorf verursachte der Sturm deutliche Störungen bei Straßen- und Stadtbahnen der Rheinbahn. Im Bahnverkehr kam es zu Verspätungen und Zugausfällen vor allem im Regional- und S-Bahnverkehr: Abgerissene Äste oder Bäume landeten in den Oberleitungen.
Auch am Abend kam es noch zu Zugausfällen. Betroffen war unter anderem die Verbindung zwischen Solingen und Hilden der Linie S1 (Solingen-Dortmund). Dort hat der Sturm Äste und Bäume auf Oberleitungen geworfen (aktuelle Informationen zum Bahnverkehr gibt es hier). Aber auch Regional- und Fernzüge hatten zum Teil massive Verspätungen oder fielen gleich ganz aus.
Am Flughafen Düsseldorf fielen nach Angaben einer Sprecherin 14 Flüge aus - wegen der Stürme an den Start- und Zielflughäfen in Sylt, Paris, London und Amsterdam. Am Flughafen Köln/Bonn wurde ein Flug nach Amsterdam gestrichen.
Feuerwehren in NRW rücken zu Dutzenden Sturm-Einsätzen aus
Die Feuerwehr in der Landeshauptstadt zählte bis zum frühen Montagnachmittag insgesamt 64 Meldungen zu Sturm-Schäden. Im Detail ging es um mehrere umgestürzte Bäume im Stadtgebiet, umgerissene Bauzäune, herabgerissene Dach-Verkleidungen, Bauplanen und ein einsturzgefährdetes Baugerüst. Zwei Fußgänger wurden von einer umstürzenden Plakatwand verletzt. Sie wurden ins Krankenhaus gebracht.
In Oberhausen fiel ein Baum auf dem Friedensplatz um. Eine Straße musste gesperrt werden, weil Ziegel von einem Hausdach fallen. Die Feuerwehr dort zählte bis zum frühen Abend insgesamt 20 Sturm-Einsätze.
In Duisburg-Marxloh stürzte an der Ecke Grillo-/Egonstraße eine etwa zehn Meter hohe Pappel quer über die Straße. Die Polizei sperrte die Straße in beide Richtungen. Am Kalkweg wurde eine Frau von einem herunterstürzenden Ast verletzt. In Bochum blieb die Lage weitestgehend ruhig. Bis zum Nachmittag zählte die Feuerwehr 30 Sturm-Einsätze. Unter anderem stürzte ein Baum auf ein geparktes Auto. Alle drei Drehleitern waren auch am Nachmittag noch im Einsatz.
Der Krefelder Zoo hatte wegen des Sturms sicherheitshalber geschlossen und seine Raubkatzen eingesperrt. Tatsächlich fiel bei dem Sturm ein Baum um. "Das Nashorn hat sich über Frischfutter gefreut", sagte Zoo-Sprecherin Petra Schwinn.
Zwei Frauen durch umgestürzten Baum in Auto eingeklemmt
In Sprockhövel war ein Baum auf ein parkendes Auto gekippt - es gab aber keine Verletzten. Ein auf den Seitensteifen der BAB 43 gestürzter Baum musste zerkleinert und beseitigt werden. In Meschede konnte der Maibaum den Geschwindigkeiten des Sturmes nicht Stand halten.
Er krachte auf den belebten Winziger Platz in der Innenstadt. "Personen kamen wie durch ein Wunder nicht zu schaden", sagte Polizeisprecherin Bianca Scheer. Die Straße an der Unglücksstelle war auch am Nachmittag noch immer gesperrt. Die Mescheder Feuerwehr hat die Aufräumarbeiten übernommen.
In Hagen hatte bereits am Sonntagmittag eine Sturmböe eine große Metallplatte aus der Fassade des Polizeipräsidiums in der Hoheleye gerissen. Der Haupteingangsbereich des Präsidiums wurde komplett gesperrt.
Im Kreis Kleve meldete die Polizei mehrere kleinere Einsätze. Verletzt wurden aber nur die Mitfahrer eines Renault mit Anhänger, der in Rheurdt auf der Hauptstraße von einer Windböe erfasst wurde und umkippte. Der 36-jährige Beifahrer erlitt Schnittwunden am Arm und wurde mit einem Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht.
Viel Glück hatten zwei junge Frauen in Rheinbach (Rhein-Sieg-Kreis). Dort stürzte ebenfalls während der Fahrt ein Baum auf ihr Auto. Die Feuerwehr befreite die 18 und 19 Jahre alten Frauen. Beide wurden mit Verletzungen ins Krankenhaus gebracht.
Unwetterwarnung für Kreise Borken und Steinfurt
Der Deutsche Wetterdienst gab eine Unwetterwarnung für die Kreise Borken und Steinfurt heraus. Nach Angaben des Wetterdienstes Meteomedia fegte Orkantief Christian mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 104 Stundenkilometern über NRW. Dieser Spitzenwert sei in der Voreifel gemessen worden.
Wind und Sturm in NRW
Abgerissene Äste, umgestürzte Bäume, Bauschilder und Mülltonnen auf der Straße - kleinere Zwischenfälle wie diese hielten Polizei und Feuerwehr dort auf Trab. Auf der Bundesstraße 477 zwischen Düren und Euskirchen fuhr ein Wohnmobil in einen umgestürzten Baum, der Fahrer kam aber unverletzt davon.
Segler stirbt bei starkem Sturm nahe Köln
Schon am Sonntag hatte starker Wind einen Segler das Leben gekostet. Der 45-Jährige war auf dem Liblarer See in Erftstadt bei Köln gekentert. Nach der Wiederbelebung starb der Mann in der Klinik. Sein 15 Jahre alter Begleiter wurde gerettet. Im Sorpesee bei Sundern (Hochsauerlandkreis) ertrank - ebenfalls am Sonntag - ein Angler. Nach Auskunft eines Feuerwehrmannes war sein Boot vermutlich wegen starken Wellengangs umgekippt.
Bereits am Montagmorgen hatten Wetterexperten des Wetterdienstes Meteomedia in Bochum vor orkanartigen Böen gewarnt. Vor allem im Hochsauerland mit Lagen oberhalb von 500 und 600 Metern könnten sie die Windstärke 11 erreichen, sagt Torsten Walter, Meteorologe vom Dienst am Morgen. Das bedeutet eine Geschwindigkeit von 110 Kilometern pro Stunde.
„Bei den Windstärken sollte man nicht in Wäldern spazieren gehen“, warnt Walter. Die Bäume seien größtenteils noch belaubt und bieten deshalb eine große Angriffsfläche. Die Gefahr von herabstürzenden Ästen sei deshalb sehr hoch, so der Meteorologe. Auch Dachziegel könnten bei diesen Sturmstärken runterfallen, Dinge durch die Gegend fliegen.
Orkan legt den Norden Deutschlands lahm
Orkantief "Christian" hat den Norden Deutschlands am Montag heftig getroffen. Dort kam der Zugverkehr nach Angaben der Deutschen Bahn zum Erliegen. Hunderte Hilferufe konnten von der Polizei wegen Überlastung nur zeitverzögert bearbeitet werden. Auf einer Landstraße in niedersächsischen Kreis Friesland stürzte ein durch den Sturm entwurzelter Baum auf ein Auto. Die Fahrerin starb noch an der Unglücksstelle.
Erinnerungen an den zerstörerischen Sturm "Anatol" 1999 wurden bei einigen In Norddeutschland wach. Damals seien es 180 Stundenkilometer gewesen, sagte die Sylter Bürgermeisterin, Petra Reiber, nun bis zu 160 Km/h. "Das ist schon eine beängstigende Situation."
Sie habe ihre eigenen Mitarbeiter angeboten, nach Hause zu gehen. Es seien Bäume, Bänke und Fahrräder umgestürzt, Dachteile herabgerissen worden, Strom ausgefallen, das Telefonnetz teilweise zusammengebrochen. "Und die Luft ist nicht mehr klar", getrübt von Sand und Unrat, "trüb wie bei Nebel, eine sehr schlechte Sicht".
Zugverbindung nach Sylt eingestellt
Das Orkantief "Christian" raste im Norden Deutschlands mit einer Geschwindigkeit von bis zu 173 Stundenkilometern in St. Peter-Ording über den Norden. Ein Monteur, der auf einer Baustelle im Zentrum von Westerland arbeitete, sagte: "Es ist schon sehr, sehr windig, oben auf dem Dach kann man gar nicht arbeiten." Es seien zwar noch Leute unterwegs, "aber längst nicht so viele wie sonst".
Bei der Polizei in Schleswig-Holstein waren alle verfügbaren Kräfte im Einsatz. Mehrere hundert Hilferufe konnten laut Landespolizeiamt nur zeitverzögert bearbeitet werden. Eine Bilanz der Einsätze werde es nicht vor Dienstagmittag geben.
Der Autoreisezug SyltShuttle der Deutschen Bahn stellte schon am Montagvormittag seinen Betrieb zwischen Niebüll und Westerland komplett ein. Der Betrieb der Syltfähre zwischen List auf Sylt und Havneby auf der dänischen Insel Rømø wurde ebenfalls eingestellt, wie die Betreiberin, die Flensburger Förde Reederei Seetouristik, mitteilte. Der Plan, am späten Nachmittag den Betrieb wieder aufzunehmen, wurde aufgegeben. Auch die Wyker Dampfschiffs-Reederei (W.D.R.) auf der Insel Föhr stellte am Nachmittag ihren Betrieb ein.
Herbststurm wütete in Europa
Helgoland war per Schiff nicht erreichbar
Bereits am Morgen war Helgoland vom Festland abgeschnitten. Die Reederei Cassen Eils teilte mit, dass die Verbindung zwischen der Hochseeinsel und im niedersächsischen Cuxhaven bis Dienstag unterbrochen sei. Die Elbfähre Glückstadt-Wischhafen verkehrte ebenfalls nicht mehr.
Schulkinder im Kreis Nordfriesland freuten sich über "sturmfrei": Der Kreis forderte die Schulen am Mittag auf, sämtliche Schüler so schnell wie möglich nach Hause zu schicken. Auch berufliche und Förderschulen waren betroffen. Auf der Hallig Hooge erwartete Bürgermeister Matthias Piepgras für den Abend "ein richtig sattes Land unter".
Die Strandbar Pitschi's in Wyk auf Föhr war bei dem Unwetter voll. "Aber nur drinnen", sagte Besitzer Peter Schaper. Draußen habe man zurzeit keine Chance: "Im Moment weht man weg." Spazierengehen könne man nicht mehr. In den nächsten zwei Stunden komme bestimmt kein Gast mehr dazu, sagte er. "Aber es kann auch keiner gehen."
In den kommenden Tagen kann es Bodenfrost geben
Seit Montagmittag hat sich das Wetter im Ruhrgebiet und am Niederrhein weitgehend wieder beruhigt. Im Sauerland mussten die Menschen noch bis in die Nachmittagsstunden draußen gegen den Wind ankämpfen. Laut Unwetterzentrale.de hatten sich die Unwetter in NRW weitgehend verzogen - nur im Süd-Osten, in Sauer- und Siegerland gab es auch am Nachmittag noch eine Unwetterwarnung.
Das aktuelle „Orkantief Christian ist aber nicht mit Kyrill zu vergleichen“, betont Meteomedia-Meteorologe Torsten Walter. Weder von der Stärke noch von der Dauer reiche er an den schlimmen Orkan aus dem Jahr 2007 heran.
Temperaturen sinken auf 10 bis 14 Grad
Denn bereits in den kommenden Tagen soll sich das Wetter nach Angaben von Meteomedia wieder beruhigen. Am Dienstag könnte es zwar noch windig bleiben, aber ein Sturm, der Schäden verursacht, sei dann nicht mehr zu erwarten, so Walter. Sturm Christian ziehe nach Skandinavien ab und werde ab Mittwoch von einem schwachen Hochkeil von den Azoren abgelöst.
Warm wird es deshalb aber nicht wieder, betont der Meteorologe. „Dass wir in nächster Zeit noch mal Temperaturen von 20 Grad erreichen, ist sehr unwahrscheinlich“, so Walter. Die Temperaturen gingen in den kommenden Tagen auf Werte zwischen 10 und 14 Grad runter – wie es für diese Jahreszeit normal sei.
In der Nacht zu Donnerstag droht Bodenfrost
Wer vor Allerheiligen die Gräber bepflanzen möchte, sollte beachten: In der Nacht zum Donnerstag kann es laut dem Wetterexperten Bodenfrost geben. Mit einem Wintereinbruch sei aber noch nicht zu rechnen. „Mit den Winterreifen kann man sich noch etwas Zeit lassen“, so Torsten Walter.
Mit Prognosen für das Wochenende und Allerheiligen möchte er sich hingegen noch zurückhalten. Die Tendenz gehe zu wechselhaftem Wetter mit leichten Schauern. Mit Frost ist dann nachts aber nicht mehr zu rechnen.
Todesopfer in Großbritannien, Fährverkehr auf Ärmelkanal gestört
Blick nach Europa: In Hever im Südosten Englands kam nach Polizeiangaben ein 17-jähriges Mädchen ums Leben, als ein Baum auf ihren Wohnwagen stürzte. In Watford nördlich von London wurde ein Mann in seinem Auto ebenfalls von einem umstürzenden Baum erschlagen. An der Küste in Sussex wurde wegen des Unwetters die Suche nach einem 14-jährigen Jungen eingestellt, der am Sonntag von den Wellen ins Meer gerissen worden war.
In Hounslow im Westen von London beschädigte ein umgestürzter Baum eine Gasleitung, drei Häuser stürzten bei der anschließenden Explosion ein: In den Trümmern entdeckten Suchmannschaften später die Leichen einer Frau und eines Mannes. An der Küste in Sussex wurde unterdessen wegen des Unwetters die Suche nach einem 14-jährigen Jungen eingestellt, der am Sonntag von den Wellen ins Meer gerissen worden war.
Wind fegte mit 130 Stundenkilometern über große Teile Großbritanniens
Wegen eines schweren Herbststurms ist eine Frau in Amsterdam ums Leben gekommen. Sie wurde am Montag in der Innenstadt an einer Gracht von einem umstürzenden Baum getroffen, wie die Polizei mitteilte. Zwei Menschen in einem Auto seien zudem schwer verletzt worden, nachdem ein Baum auf sie gefallen war. In Amsterdam riefen die Behörden am Montag die Bürger auf, in ihren Wohnungen zu bleiben.
In weiten Teilen der Niederlande war der Verkehr behindert. Am Flughafen Schiphol wurden Dutzende Flüge annuliert. Eine Fähre aus dem englischen Newcastle mit rund 1000 Passagieren an Bord konnte den nordniederländischen Hafen in Ijmuiden nicht erreichen und wartete noch am Nachmittag auf das Ende des Sturms auf offener See ab. Der Zugverkehr rund um die niederländische Hauptstadt wurde wegen umgefallener Bäume zunächst stillgelegt.
Windstärken - vom lauen Lüftchen zum Orkan
Windgeschwindigkeiten werden nach der Beaufort-Skala gemessen. Sie wurde 1806 von dem englischen Admiral Sir Francis Beaufort (1774-1857) entwickelt:
- Stärke 0: Windstille, unter 1 Kilometer pro Stunde - Stärke 1: leiser Luftzug, 1 bis 5 Kilometer pro Stunde - Stärke 2: leichte Brise, bis 11 km/h, Blätter bewegen sich - Stärke 3: schwache Brise, bis 19 km/h, Wind bewegt dünne Zweige - Stärke 4: mäßiger Wind, bis 28 km/h, Wind hebt loses Papier - Stärke 5: frische Brise, bis 38 km/h, kleine Bäume schwanken - Stärke 6: starker Wind, bis 49 km/h, Schirme nur schwer zu halten - Stärke 7: steifer Wind, bis 61 km/h, ganze Bäume bewegen sich - Stärke 8: stürmischer Wind, bis 74 km/h, Zweige brechen - Stärke 9: Sturm, bis 88 km/h, Dachziegel werden abgehoben - Stärke 10: schwerer Sturm, bis 102 km/h, größere Häuserschäden - Stärke 11: orkanartiger Sturm, bis 117 km/h, entwurzelte Bäume - Stärke 12: Orkan, ab 118 km/h, schwere Verwüstungen (dpa)
Der Wind fegte nach Angaben des Wetterdienstes mit Geschwindigkeiten von bis zu 130 Stundenkilometern über große Teile Großbritanniens. Auf der Isle of Wight wurden sogar Sturmböen von fast 160 Stundenkilometern gemessen.
Stundenlanger heftiger Regen sorgte zudem vielerorts für Überschwemmungen. Zwischen London und dem Süden und Westen Englands fuhren am Morgen keine Züge, am Flughafen London-Heathrow wurden 130 Flüge gestrichen. Von den Häfen in Dover und Calais in Frankreich legten mehrere Stunden lang keine Fähren mehr ab.
Fähren hingen vor der Küste fest
Zwei Fähren mit über 450 Menschen an Bord hingen über zwei Stunden lang vor der englischen Küste fest, nachdem der Hafen von Dover geschlossen worden war. Auch beim Schnellzug Eurostar, der unter dem Ärmelkanal verkehrt, gab es Verspätungen. Am größten Flughafen Europas, London-Heathrow, wurden allein 130 Flüge gestrichen, sagte ein Sprecher des Airports. Auch Verbindungen von und nach Deutschland sind betroffen.
Hunderte Bäume und Stromleitungen wurden umgerissen, zwischenzeitlich waren in Großbritannien rund 270.000 Haushalte ohne Strom. Das Atomkraftwerk Dungeness B wurde vorsorglich abgeschaltet. In London krachte ein Kran auf ein Regierungsgebäude, nach Polizeiangaben gab es jedoch keine Verletzten. In Hounslow im Westen von London beschädigte ein umgestürzter Baum eine Gasleitung. Nach Angaben der Feuerwehr stürzten drei Häuser ein, zwei weitere wurden beschädigt.
65.000 Haushalte in Frankreich nach Sturm ohne Strom
Auch im Nordwesten Frankreichs wütete das Orkantief "Christian". Auf der Insel Belle-Île in der Bretagne wurde eine Suchaktion gestartet, nachdem eine Frau von den Wellen ins Meer gerissen wurde. Am Cap Gris-Nez am Ärmelkanal wurden Windgeschwindigkeiten von bis 147 Stundenkilometern gemessen. 65.000 Haushalte waren am Morgen ohne Strom.
Auf seinem Weg nach Skandinavien richtete der Sturm auch in den Niederlanden schwere Schäden an. In Amsterdam wurde eine Frau von einem Baum erschlagen, wie ein Polizeisprecher sagte. Wie die Nachrichtenagentur ANP berichtete, gab es zudem mehrere Verletzte.
Am Amsterdamer Hauptbahnhof wurde der Zugverkehr eingestellt, wie die niederländische Bahngesellschaft NS mitteilte. Auch zum Flughafen Schiphol fuhren keine Züge, zahlreiche Flüge wurden gestrichen oder hatten Verspätung.
Sturmschäden umgehend der Versicherung melden
Hausbesitzer dokumentieren Sturmschäden am besten mit Fotos. Außerdem sollten sie nach einem Schaden sofort die Versicherung informieren. Das rät Bianca Boss vom Bund der Versicherten in Henstedt-Ulzburg. Ab Windstärke acht greife bei Sturmschäden die Hausrat- und Gebäudeversicherung.
Versicherte haben eine sogenannte Schadenminderungspflicht. Ist etwa das Dach beschädigt, müssen sie gelagerte Gegenstände auf dem Dachboden mit Folie abdecken, erklärt Boss. Die Mitwirkungspflicht habe aber Grenzen. So sei niemand gezwungen, sich selbst bei einem Sturm in Lebensgefahr zu begeben.
Gebäudeversicherung kommt für Schäden an Immobilie auf
Eine Gebäudeversicherung kommt für Schäden an einer Immobilie auf - dazu gehören auch durch Sturm beschädigte Fenster oder Türen. Die Versicherung sei keine Pflicht, werde aber bei der Finanzierung von den Banken in der Regel vorgeschrieben.
Schäden an Dingen wie der Satellitenschüssel oder der Markise sind durch eine Hausrat-Versicherung abgesichert. Hierbei sei es besonders wichtig, Schäden nicht nur zu dokumentieren, sondern die beschädigten Gegenstände aufzubewahren und nicht sofort eigenmächtig zu reparieren. "Die Versicherung braucht diese Gegenstände, um die Schäden prüfen zu können", betont Boss.
Sturmschäden am Auto ist manchmal Vollkasko nötig
Bei Schäden am Auto greifen in der Regel Teil- oder Vollkasko des Autohalters. Fällt etwa ein Baum oder Ziegel auf einen geparkten Wagen, ist laut der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein die Teilkasko zuständig. Versichert ist allerdings nicht der Wiederbeschaffungswert, sondern in der Regel nur der Zeitwert des Wagens. Fährt dagegen ein Autofahrer gegen einen bereits umgestürzten Baum, ist dies demnach ein Unfall und ein Fall für die Vollkasko-Versicherung.
Flugreisende haben bei Ausfall eines Fluges Anspruch auf einen Ersatzflug. Bei Verspätungen ab fünf Stunden können Reisende aber auch von ihrem Flug zurücktreten und sich den Preis erstatten lassen. Anspruch auf Entschädigung gibt es aber nicht, da es sich um höhere Gewalt handelt.
Wenn ein Zug etwa wegen eines Sturms zu spät ankommt, muss die Bahn ihren Fahrgästen den Fahrpreis teilweise erstatten. Bei Fällen höherer Gewalt gelten die gleichen Regeln wie bei selbst verschuldeten Verspätungen, wie der EuGH kürzlich in einem Urteil entschied.
Die Höhe der Rückerstattung des Fahrpreises richtet sich nach der EU-Verordnung über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr. Demnach kann ein Fahrgast 25 Prozent des Fahrpreises zurückverlangen, wenn die Verspätung 60 bis 119 Minuten beträgt. Bei Verspätungen von mehr als zwei Stunden hat er Anspruch auf die Hälfte des gezahlten Fahrpreises.
(mit Material aus unseren Lokalredaktionen und dpa/afp)