Paderborn.. Die juristische Aufarbeitung eines der größten Umweltskandale in Nordrhein-Westfalen ist abgeschlossen - ein Urteil gibt es nicht. Das Gericht sieht keine eindeutige Schuld der Angeklagten, krebserregende Industrieabfälle als Düngemittel auf Feldern verklappt zu haben.

Es war einer der größten Umweltskandale Nordrhein-Westfalens, der gestern vor dem Landgericht Paderborn sein juristisches Ende fand. Vor fast sieben Jahren, im Sommer 2006, war bekannt geworden, dass Trinkwasser aus der Ruhr mit der Industrie-Chemikalie PFT verseucht war. In NRW wurden vor allem im Sauerland deutlich erhöhte PFT-Werte gemessen. Die Chemikalie steht im Verdacht, Krebs zu erzeugen. In einigen Städten durften daraufhin schwangere Frauen sowie kleine Kinder zeitweise kein Leitungswasser mehr trinken. Mit Lastern wurde Wasser in Flaschen herangekarrt, um die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen.

Die Ursachenkette für den Skandal war schnell ausgemacht. Das Trinkwasser im Ruhrgebiet wird zum großen Teil aus der Ruhr selbst gewonnen. Dabei wird das Flusswasser in mehrstufigen Verfahren aufbereitet. Doch gerade bei älteren Wasserwerken gelingt es nicht immer, alle Chemikalien aus dem wichtigsten Lebensmittel herauszufiltern. Und im Industriefluss Ruhr schwimmen viele gefährliche Schmutzstoffe. Von Flammschutzmitteln bis zu Bioziden – und eben auch die PFT.

Als Düngemittel verklappt

Immer wieder konnten diese Stoffe die Barrieren in den Wasserwerken überwinden und ins Trinkwasser gelangen. Auch der Weg des PFT in die Ruhr konnte damals zum Teil schnell aufgeklärt werden. So stellten die zuständigen Fahnder fest, dass aus mehreren Äckern im Sauerland das Gift in Ruhrzuflüsse sickerte. Auf die Felder kam das PFT aus Klärschlämmen, die zum Teil als so genannte Düngemittel von Bauern verklappt worden waren. Geliefert hatte den Stoff die Firma G&W Umwelt, die Industrieabfälle unter die Düngemittel gemischt hatte.

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Für den damaligen NRW-Umweltminister Eckhard Uhlenberg (CDU), der in Zusammenhang mit dem PFT-Skandal selbst massiv in die Kritik geriet, waren damit die Schuldigen für den Skandal gefunden. In der Folge versuchte die Paderborner Staatsanwaltschaft eben diese Verantwortlichen der G & W Umwelt für den PFT-Skandal haftbar zu machen.

Doch wie vor Gericht herauskam, war die Geschichte von der bösen Firma G&W Umwelt nur ein Teil der Wahrheit. So ließ die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklage außer Acht, das PFT auch aus etlichen Kläranlagen in den Fluss strömt.

Diese Anlagen werden vor allem vom Ruhrverband betrieben, einem Zusammenschluss von Städten, Industriebetrieben und Wasserversorgern. Diese Anlagen sind nicht immer in der Lage, das Gift vollständig aus den Abwasserströmen des Ruhrgebietes herauszufiltern, bevor diese in die Ruhr eingeleitet werden.

Wie aus den vorliegenden Protokollen der Giftmesspunkte entlang der Ruhr hervorgeht, ist die Menge des Giftes, das aus den Anlagen des Ruhrverbandes in die Ruhr strömt, größer als jene Menge des Giftes, die aus den von G&W Umwelt belieferten Äckern in die Ruhr abging. Eine eindeutige Schuld der Firma für den Skandal war also auch vor dem Paderborner Landgericht nicht nachweisbar.

„Enttäuschung und Besorgnis“

Das Gericht regte die Einstellung des Verfahrens an. Staatsanwaltschaft und Angeklagte stimmten dem nun zu. Demnach müssen die fünf Angeklagten insgesamt 440 000 Euro zahlen.

Der Ruhrverband reagierte mit „Enttäuschung und Besorgnis“ auf die Einstellung des Prozesses. Es sei eine „Kapitulation der Justizbehörden“, nicht die volle Wahrheit aufgeklärt zu haben. Es habe den Anschein, als seien Staatsanwaltschaft und Gericht „wie so oft in Umweltstrafverfahren“ an der schieren Fülle des verhandelten Stoffes erstickt.

Das Umweltministerium in Nordrhein-Westfalen unter Johannes Remmel (Grüne) hat unterdessen schon auf die Erkenntnisse des PFT-Skandals reagiert. So wurden die Wasserwerke dazu gedrängt, in den kommenden Jahren über 100 Millionen Euro in ihre Trinkwasseranlagen zu investieren, um in Zukunft ähnliche Skandale auszuschließen. In weiteren Schritten sollen später die Kläranlagen entlang der Ruhr nachgerüstet werden.