Paderborn/Brilon.. Die mutmaßlichen Drahtzieher eines der größten NRW-Umweltskandale müssen sich seit Donnerstag vor dem Landgericht Paderborn verantworten. Die Angeklagten sollen mit der Industriechemikalie PFT belastete Klärschlämme als Dünger an Landwirte verkauft und so Bodenflächen und Grundwasser verseucht haben.
Vor dem Paderborner Landgericht hat am Donnerstagmorgen der Prozess gegen die mutmaßlich Verantwortlichen des PFT-Skandals begonnen. 2006 waren in der Ruhr hohe Werte der als Krebs erregend geltenden Chemikalie PFT entdeckt worden. Dabei stellte man fest, dass die Chemikalie vermutlich aus Dünger von Feldern stammte, der von der Firma GW Umwelt geliefert worden war. Dem gelieferten Dünger sollen giftige Industriechemikalien untergemischt worden sein.
Die Firma mit dem damaligen Sitz in Borchen bei Paderborn wurde von zwei Brilonern geführt. Der Geschäftsführer sowie der Betriebsleiter der mittlerweile insolventen Firma sitzen jetzt auf der Anklagebank sowie weitere vier Angeklagte des Zulieferunternehmens aus Belgien.
Der Mammut-Prozess, der etwa ein Jahr lang laufen könnte, begann zäh: Im großen Saal des Paderborner Gerichtes fanden die 16 Verteidiger, sechs Angeklagten, vier Dolmetscher sowie die beiden Staatsanwälte kaum Platz auf den offiziellen Bänken. Zum Auftakt rügte der Rechtsanwalt des Hauptangeklagten Ralf W. die Besetzung des Gerichtes und forderte eine Unterbrechung der Hauptverhandlung.
Dem Antrag kam die Kammer nach - allerdings erst, nachdem die Anklage durch Staatsanwalt Oliver Brendel verlesen worden war. Der beschuldigt die Angeklagten aus Brilon und Belgien, in den Jahren 2003 bis 2006 Hunderte Tonnen mit giftigem PFT durchsetze Klärschlämme aus Belgien und den Niederlanden importiert, hier dann mit Erdreich vermischt und als Bodenverbesserer an Landwirte geliefert zu haben. Dadurch wurden große Mengen des Giftes in das Wasser von Ruhr und Möhne gespült – entsprechend lautet der Vorwurf auf vorsätzlicher Umweltgefährdung und die Gefährdung der öffentlichen Trinkwasserversorgung. Zeitweise musste nach Bekanntwerden der hohen PFT-Belastung Wasserwerke abgestellt und Säuglinge und Schwangere in Arnsberg mit Mineralwasser versorgt werden.
Verteidigung beklagt Ermittlungen der Staatsanwaltschaft
Die Verteidigung gab, ungewöhnlicherweise noch vor möglichen Einlassungen der Angeklagten, eine Erklärung ab. Danach wirft die Abfallrechtlerin Dr. Anne-Louise Schümer, die den Angeklagten Ralf W. vertritt, der Staatsanwaltschaft vor, nicht ausreichend ermittelt zu haben. Ihrer Ansicht nach durfte GW Umwelt damals die Schlämme importieren – und weil es keinen Grenzwert für PFT gab habe sich ihr Mandant auch nicht schuldig gemacht.
Oberstaatsanwalt Brendel sieht die Vorwürfe gelassen auf sich zukommen. Es gehe im Kern gar nicht darum, welche Stoffe in dem Bodenverbesserer gewesen seien. Der Angeklagte hätte grundsätzlich keine Klärschlämme, die aus der Industrie stammten, z.B. von der Firma „3M“, einführen und als Dünger verwerten dürfen.