Hilden. . Sechs Tage nach einem Säure-Attentat auf eine junge Frau in Hilden ist die 20-Jährige doch schwerer verletzt, als anfangs vermutet. Laut Staatsanwaltschaft Düsseldorf bangt sie um ihr Augenlicht. Die Polizei weist Kritik der Familie des Opfers an Ermittlungen zurück.
Es ist eine Tat von beispielloser krimineller Energie, das sagen sowohl Polizei als auch Staatsanwaltschaft. Und die Folgen der Tat könnten noch schlimmer sein, als zunächst befürchtet. Sechs Tage nach dem Angriff auf die 20-jährige Türkin Reyhan K. aus Hilden bangt das Opfer nun um sein Augenlicht. Das geht aus dem rechtsmedizinischen Gutachten hervor, wie Ralf Herrenbrück, Sprecher der Staatsanwaltschaft Düsseldorf, am Donnerstag bestätigte.
Gegen 11 Uhr war Reyhan K. am Vormittag des 29. Dezember von einem 18-Jährigen aus Langenfeld, den sie nicht kannte, an ihrer Wohnungstür mit Säure angegriffen worden; er hatte an K.s Wohnungstür geklingelt und ihr unmittelbar nach dem Öffnen die Säure aus einer Dose ins Gesichts gespritzt. "Das linke Auge ist verärzt", zitiert Staatsanwalt Ralf Herrenbrück aus dem Bericht. Auch an Stirn und Schläfe und an einer Hand hat die 20-Jährige Verätzungen davongetragen. Die junge Frau wird in einer Duisburger Spezialklinik ärztlich versorgt.
Säure-Attentätern drohen bis zu zehn Jahre Haft
Bei der Flüssigkeit hatte es sich um Schwefelsäure gehandelt, soviel ist der Polizei derzeit bekannt. Auftraggeber des Anschlags war der 22-jährige Ex-Freund der Deutsch-Türkin. Er hat die Tat gestanden. An einen vergleichbaren Fall im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt kann sich Herrenbrück nicht erinnern: "Das Attentat war genau geplant", also keine Impulsiv-Tat.
Die beiden mutmaßlichen Täter sind in Untersuchungshaft. Ihnen droht eine Haftstrafe bis zu zehn Jahren wegen schwerer Körperverletzung; die, sagt Herrenbrück, "war auf jeden Fall gewollt". Und: Rechtlich gebe es in punkto Strafmaß keinen Unterschied zwischen Täter und Anstifter.
Der Säure-Angriff ist der grausame Höhepunkt einer in die Brüche gegangenen Beziehung zwischen Reyhan K. und ihrem heute 22-jährigen Ex-Freund Serhat, ein gebürtiger Syrer. Der stand im vergangenen Jahr bereits vor Gericht, weil er seine Ex-Freundin mehrfach genötigt, bedroht und sie geschlagen hatte. Im vergangenen September wurde er deshalb zu einer hohen Geldstrafe verurteilt, gegen die er aber Einspruch eingelegt hatte. Ralf Herrenbrück erklärt: "Mehr war rechtlich in dem Fall nicht möglich".
Säure-Verletzung - ein jahrelanges Leiden
Säure-Verletzung haben oft langwierige Folgen. "Patienten sind relativ häufig dauerhaft entstellt", sagt Dr. Afshin Rahmanian-Schwarz, leitender Oberarzt am Verbrennungszentrum der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Tübingen. Auch eine Hauttransplantation, wie sie nach dem Säure-Attentat auf die 20-jährige Hildenerin Reyhan K. laut einem rechtsmedizinischen Gutachten vorgeschlagen wird, dürfte die schweren Verätzungen kaum vollends unkenntlich machen können. Hinzu kommt: Gerade im Hals- oder Gesichtsbereich haben Verätzungen auch psychische Auswirkungen. Nicht selten fallen Betroffene dadurch in Depressionen oder sind traumatisiert, sagt Rahmanian-Schwarz.
Risiken ergäben sich auch durch Vernarbungen an den verärzten Hautstellen, die sich mit zunehmender Dauer oft noch verschlimmern und auch dazu führen, dass man betroffene Körperteile nur noch eingeschränkt bewegen kann. Auch dauerhafte Pigmentstörungen der Haut gehören zu den Langzeitfolgen solcher Verätzungen. "Es könnte bis zu ein Jahr dauern, bis sich die Haut an den verärzten Stellen einigermaßen regeneriert hat", sagt Dr. Rahmanian-Schwarz. An den Folgen der Säure-Attacke, so ist zu befürchten, wird die 20-Jährige wohl ihr Leben lang leiden. (dae/WE)
Staatsanwaltschaft nimmt Polizei in Schutz
Sowohl Staatsanwaltschaft als auch Polizei gehen davon aus, dass der Säure-Anschlag nicht zu verhindern gewesen war, selbst wenn der Ex-Freund in Haft gekommen wäre. Das habe allerdings angesichts der Tatvorwürfen rechtlich nie im Raum gestanden, betont Herrenbrück. Sein Fazit: "Ich sehe keinen Anhaltspunkt dafür, der Polizei in Mettmann Vorwürfe zu machen". Die Familie des Opfers wirft der Polizei allerdings Tatenlosigkeit vor. Sie meint, der Gewaltexzess sei zu verhindern gewesen.
Bei der Kreispolizei Mettmann verweist man auf die enorme kriminelle Energie, die möglicherweise durch aufgestaute Wut und verletzte Ehre zu der Tat geführt hat. Weitere Vernehmungen mit den Beschuldigten stehen noch aus. Ein Säure-Attentat hätte außerhalb der polizeilichen Vorstellungskraft gelegen, auch wenn zwischen November 2011 und Dezember 2012 gleich drei Anzeigen wegen Nötigung, Bedrohung und Körperverletzung gegen den gebürtigen Syrer vorgelegen hätten.
Gefährderansprache half nicht
Insgesamt zählte die Kreispolizei Mettmann im vergangenen Jahr 840 Anzeigen wegen häuslicher Gewalt. Der Syrer wurde allerdings als auffallend gefährlich eingestuft. Weil er wiederholt aufgefallen war, sei er von Beamten des Opferschutzes in einer "Gefährderansprache" gemahnt worden, seine Ex-Freundin künftig in Ruhe zu lassen.
Auch für die Staatsanwaltschaft sieht Ralf Herrenbrück keinen Grund, dass man den Syrer vor der Tat hätte aus dem Verkehr ziehen können. Auch dort war der Fall bekannt, die letzte Anzeige vor der Tat hatte Reyhan K. am 2. November vergangenen Jahres bei der Polizei gestellt, wegen Stalkings. Am 22. Dezember lag die Anzeige dann bei der Staatsanwaltschaft vor. Eine Woche später geschah das Säure-Attentat.