Bochum. . Die Dokumentation “Arbeit Heimat Opel“ zeigt drei Welten, die zusammengehören, aber deren Bindung brüchig wird. Der Film begleitet junge Azubis von Opel bis zur Zwischenprüfung. Sie fühlen sich unsicher.

Mit 17 hat man noch Träume? „Nicht arbeitslos werden, später“, sagt Jerome. „Das wäre das Schlimmste, was passieren könnte.“ Sie haben ihn nach seinem Lebenstraum gefragt. Jeromes Antwort aber handelt von Angst. Er hat gerade bei Opel angefangen.

Dabei ist das eigentlich „mega“ im Jahr 2010, in dem diese Geschichte beginnt: Die Jungs, die da ihre Kapuzenpullis tauschen gegen die graue Werksjacke, sind 18 von 1000 Bewerbern, die bei Opel ihre Ausbildung beginnen dürfen; sie fühlen, sie sind jetzt „Teil von etwas Großem“ – und zugleich so unsicher. So unsicher, wie ihre Zukunft es ist und die ihres Arbeitgebers, und doch ist das Erwachsenwerden für Jerome, Sinan, André und die anderen das größte Problem.

"Arbeit Heimat Opel" - eine brüchige Bindung

Bis zur Zwischenprüfung haben die Filmemacher Ulrike Franke und Michael Loeken sechs Jugendliche begleitet, die Industriemechaniker werden wollen, lange vorher aber schon Opelaner geworden sind. „Arbeit Heimat Opel“ haben sie ihre Dokumentation genannt: drei Welten, die zusammengehören, deren Bindung aber brüchig wird. Tagsüber feilen sich die Protagonisten die weichen Finger zu Arbeitshänden, abends sehen sie im Fernsehen die Schreckensmeldungen über den eigenen bedrohten Betrieb.

Doch während GM in Amerika ihre Zukunft zu zerschlagen droht, sorgen sich die Azubis in Bochum um die Bohrung in ihrem Lehrstück – und die Nachteile einer eigenen Bude: „Immer bei de’ Frittenschmiede is’ au’ nix.“ So reden sie im Film, aber der diesen Satz sagt, ist der Meister, Achim Kranz. Eine Vaterfigur mit Ruhrpottschnauze, der seinen Schützlingen nicht nur das Fräsen beibringt, sondern Verantwortung. Von dem sie „Mecker kriegen“, aber auch Orientierung, der spürt und fördert, was wirklich in einem steckt, der cool behauptet: „Das interessiert mich alles nich’ und fettich.“ Kann einen Opelaner nicht interessieren, dass es in den Nachrichten dauernd um Opels Ende geht?

"Opel ist für mich Ruhrgebiet"

„Ich bin hier nur ein kleiner Kacker“, sagt André, als er noch ernsthaft glaubt, er sei nicht betroffen. „Aber für die, die da unten malochen und am Knüppeln sind . . .“ Da unten, da ist die Produktion in Werk II, Langendreer, wo die Jugendlichen nun, kurz vor ihren letzten Prüfungen, schon hundertmal ein- und ausgegangen sind. Wo sie noch ein Jahr mit anpacken dürfen, so ist das immer noch bei Opel.

Opel„Beim Opel“, sagt Meister Kranz. Aber natürlich wissen sie, dass sie nicht wissen, wie es weitergeht. „Leiharbeit“ heißt ihr größtes Schreckgespenst, „Sozialhilfe“ ist ihnen ein Ungeheuer. „Auf einmal auf 0, das wäre das Schlimmste.“

Und trotzdem bewerben sie sich nicht anderswo. Marcel nicht und Tim nicht und nicht Marius. „Der Mensch ist ein Gewöhnungstier“, sagt André, aber vor allem hat es eben mit „Heimat“ zu tun, mit Opel, wo es „hart aber herzlich“ zugeht, und mit dem Ruhrgebiet. „Die hässlichen Ecken liegen hier offener wie woanders“, aber sie lieben die „Kumpel-Mentalität“, die ein anderes Stück Industrie-Geschichte hinterließ. Oder, wie André im Film sagt: „Opel ist für mich Ruhrgebiet. Und Ruhrgebiet bin ich.“

Maschinenlärm als Soundtrack

So ist dieser Film bei aller dokumentarischen Erzählweise ein Stück über das Revier geworden, über Jugendkultur, etwas Sozialstudie und ein bisschen Wirtschaftskrimi. Und die Geschichte von ein paar unsicheren Schülern, die heute, lange nach dem letzten Drehtag, souverän sagen: „Wir sind alle erwachsener geworden.“

Franke und Loeken erzählen ungeschönt, sie schmücken nichts aus, nicht einmal mit Musik: Ihr Soundtrack ist der Lärm der Maschinen, das Singen der Vögel früh am Werkstor und die Sprache derer, um die es geht. Etwa am Tag nach der Zwischenprüfung: „Alle zufrieden? Du nicht? Krass.“ Schweigen.

Der Unzufriedene war übrigens Jerome. Jerome, der morgen seine Gesamtnote verbessern kann, nein: wird! Und danach bei Opel bleiben. „Ich seh’ ja, was ich kann.“