Essen. Der emeritierte Essener Weihbischof Franz Grave wird am Sonntag 80 Jahre alt. Von 1992 bis 2008 war er für das Essener Lateinamerika-Hilfswerk zuständig. Heute wünscht sich eine politischere Kirche, die die Lehre von Frieden und Gerechtigkeit in die Tat umsetzt.

In seinem Alter haben die Berg-, Stahl- und anderen Arbeiter, für die sich Weihbischof Franz Grave stets so sehr eingesetzt hat, längst die Rente durch. Doch für ihn, der am Sonntag seinen 80. Geburtstag feiert, ist Ruhestand kein Thema.

Als wir Grave dieser Tage in seinem Essener Wohnhaus besuchen, plant er gerade seine Gottesdienst-Termine. Nachdem ihn Papst Benedikt XVI. nach 20 Jahren als Weihbischof im Bistum Essen 2008 von seinen Pflichten entbunden hat, hat er in der Mülheimer Innenstadtpfarrei St. Mariae Geburt ein neues Betätigungsfeld gefunden – als ganz normaler Priester. „Dort ziehe ich nicht mit Stab und Mitra ein“, spielt er schmunzelnd auf die Bischofs-Insignien an. Stattdessen feiert er eher spärlich besuchte Werktagsgottesdienste oder bespricht mit den Angehörigen von Verstorbenen die Trauerfeierlichkeiten. Durch den „wertvollen Kontakt auf Augenhöhe“ habe er „die Arbeit unserer Priester und Diakone, aber auch der vielen Laien noch einmal ganz neu schätzen gelernt“.

Sein Garten regt Franz Grave auch zu Meditation und Gebet an.
Sein Garten regt Franz Grave auch zu Meditation und Gebet an. © KEPPLER, Mark

So wenig wie seine priesterlichen Tätigkeiten haben Grave auch seine großen Lebensthemen losgelassen – zum Beispiel Lateinamerika.

Hilfe für Lateinamerika

Von 1992 bis 2008 war der Weihbischof für das Essener Lateinamerika-Hilfswerk zuständig – und dutzende Male selbst auf dem Subkontinent unterwegs. Dabei haben sich nicht nur intensive Freundschaften wie die zu Kardinal Oscar Rodriguez aus Honduras ergeben, der am Sonntag im Essener Dom beim Festgottesdienst (15 Uhr) mit am Altar steht. 1996 hat Grave auch hautnah Erfahrung mit Gewalt und Kriminalität auf dem Subkontinent gemacht, die auch vor Kirchenmännern nicht Halt macht. In seiner Hauskapelle bewahrt er heute einen kleinen Stein aus einem Straßengraben in Guatemala auf. Mit vorgehaltener Waffe hatten Kriminelle ihn und seine Mitreisenden dorthin gezwungen, um Fahrzeug und Mitglieder der Adveniat-Delegation auszurauben

Franz Grave in seinem privaten Wohnhaus in Essen.
Franz Grave in seinem privaten Wohnhaus in Essen. © KEPPLER, Mark

Seine Begeisterung für Lateinamerika hat dieses Erlebnis nicht getrübt – im Gegenteil: „Die Hilfe von Adveniat bleibt wichtig“, betont Grave. Bis heute nutzt er sein gut gepflegtes Netzwerk in NRW, um Hilfsgelder für die Ärmsten der Armen locker zu machen.

Mit dem gleichen Engagement hat sich Grave auch im Ruhrgebiet für die eingesetzt, die auf der Schattenseite des (Wirtschafts-)Lebens stehen – egal, ob beim Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit oder für die Rechte der Nokia-Mitarbeiter nach der Schließung des Bochumer Handy-Werks. Dabei habe das Ruhrbistum jedoch seine „Solidarität nie aggressiv auf die Straße getragen“. Stets habe das Ruhrbistum auf Ausgleich gesetzt, etwa zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern.

„Wir sind keine Partei“, betont Grave – und meint das nicht nur mit Bezug auf die Arbeitswelt. Auch in der Politik wünscht er sich eine unparteiische, aber dennoch aktive Rolle der Kirche, gerade angesichts „besorgter Beobachtungen“, dass sich manche Christen in ihrer kleiner werdenden Kirche „lieber aus der Welt zurückziehen“. Doch das ist nicht Graves Kirche: „Ich wünsche mir eine Kirche, die nicht unpolitisch werden darf, sondern die die Kraft des Evangeliums, die Lehre von Frieden und Gerechtigkeit, auch in die Tat umsetzt.“