Essen/Münster. . Der Verband Bildung und Erziehung rechnet vor: Klassenfahrten sind ein teueres Vergnügen. Durchschnittlich 350 Euro kostet Schüler und Lehrer eine mehrtägige Reise. Mancher Lehrer geht einmal pro Jahr auf Tour.

Ganz oben auf der Liste der beliebtesten Reiseziele für Klassenfahrten stehen Paris, Prag und Berlin. Auch das klassische Schullandheim erfreut sich nach wie vor großer Beliebtheit. Nach Schätzungen des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) geht es im Laufe eines Schülerlebens mindestens zwei Mal auf große Fahrt. Für Lehrer teilweise sogar einmal pro Jahr. Durchschnittlich 350 Euro kostet Schüler und Lehrer eine solche mehrtägige Reise. Durch Zuschläge für Einzelzimmer und höhere Eintrittspreise zahlen Pädagogen in der Praxis oft deutlich mehr. Vor allem aber mussten Lehrer die Kosten für derartige „Dienstreisen“ bislang selbst bestreiten.

Am Mittwoch entschied das Oberverwaltungsgericht Münster (OVG), „dass beamtete Lehrer für die Teilnahme an Klassenfahrten einen Anspruch auf Reisekostenvergütung haben“. Im Musterfall hatte ein Oberstudienrat im März 2008 eine Klassenfahrt der Jahrgangsstufe zwölf nach Italien begleitet. Der Schulleiter hatte die Fahrt als Schulveranstaltung genehmigt und die beantragte Dienstreisegenehmigung erteilt. Die Übernahme der Reisekosten in Höhe von 334 Euro wurden jedoch von der Bezirksregierung zunächst abgelehnt.

"Klassenfahrt ist kein Privatvergnügen"

„Dass verbeamtete Lehrer grundsätzlich für die Teilnahme an Klassenfahrten eine Reisekostenvergütung beanspruchen können, ist unstrittig. Das beklagte Land berief sich auf eine vom Lehrer abgegebene Verzichtserklärung“ sagte der Vorsitzende Richter am OVG Münster, Ulrich Lau. In dem bisher ausgehändigten Formular, müssen die knapp 180.000 Lehrer in NRW ihren Verzicht auf die Erstattung von Reisekosten erklären. Udo Beckmann, Landesvorsitzender des VBE, erklärte, anderenfalls würden Klassenfahrten nicht stattfinden und die Lehrer bekämen den schwarzen Peter zugespielt.

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„Endlich erkennt das Schulministerium, dass eine Klassenfahrt kein Privatvergnügen von Lehrkräften ist und dass sie einen Anspruch auf vollständige Erstattung der Kosten haben“, sagte Beckmann weiter. Auch andere Branchen-Verbände begrüßten die Entscheidung. Brigitte Balbach, Vorsitzende des Interessenverbandes Lehrer NRW, sagte, das Urteil aus Münster sei für das Ministerium bereits die zweite Ohrfeige innerhalb eines Monats. Damit bezog sie sich auf eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in Erfurt, das bereits vor vier Wochen zu einem ähnlichen Urteil für angestellte Lehrer gekommen war.

Enorme Verantwortung

Ein Gymnasiallehrer aus Essen versicherte, dass die Verzichtserklärung während seiner bislang 25-jährigen Dienstzeit stets gängige Praxis gewesen sei. Selbst den freien Eintritt als Begleitperson im Zoo hätte er aufgrund von Vorgaben ablehnen müssen. Nehmen Beamte solche „Geschenke“ an, drohen gar Geldstrafen. „Ein Teil der Kollegen macht daher bei solchen Fahrten nicht mehr mit.“

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Das gelte auch wegen der enormen Verantwortung. Immer wieder komme es zu Problemen durch Alkohol oder unvorhersehbare Unfälle. Erst im September war ein 17-jähriger Schüler aus Wuppertal durch einen Stromschlag an einer defekten Straßenlaterne auf Korsika zu Tode gekommen.

Man könnte für das Geld auch mit der Familie verreisen

„Wir haben da schlechte Erfahrungen gemacht, und diese Erfahrungen wachsen“, sagt ein weiterer Lehrer aus Essen. Sowohl Eltern als auch Lehrer seien beim Thema Klassenfahrt vorsichtig geworden. Rund 500 Euro habe seine letzte Studienreise gekostet. Das Geld sei auch für viele Familien ein immer größer werdender Faktor. „Anstatt auf Klassenfahrt zu gehen, könnte ich mit meiner Familie verreisen“, sagt der Lehrer, betont aber auch, dass viele Kollegen gerne mit ihren Schülern unterwegs wären. „Es gibt eine ganze Menge Schüler, für die ist so eine Klassenfahrt die erste große Reise überhaupt“.