Dietmar Wunder spricht James Bond - „Ein großes Geschenk“
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Dortmund. Zwischen Berlin, Hamburg und Hannover legte Dietmar Wunder Station in Hamm ein. Um gemeinsam mit Don Winslow dessen Buch „Kings of Cool“ vorzustellen. Und zu einem Exklusiv-Interview mit der WR. Denn der 46-Jährige ist die deutsche Stimme von Bond. James Bond.
Um dieses Interview beneiden mich vermutlich viele Frauen. Meine Freundin hat nach dem „Skyfall“-Besuch gerade erst wieder zu mir gesagt: Diese Stimme! Der könnte mir auch ein Telefonbuch vorlesen...
Dietmar Wunder: Das ist für mich als Schauspieler ein unheimliches Kompliment. Ich werde auch manchmal gefragt, hast du was besonderes gemacht mit der Stimme, und ich sage: Nein! Ich habe immer wahnsinnig gerne mit der Stimme gearbeitet, sowohl als Schauspieler auf der Bühne als auch vor der Kamera - und beim Synchron sowieso. Das ist wunderbar: Ich mache sie ja nicht nach, sondern nehmen nur meinen Teil meiner Stimme und passe sie dem Original dann an. Mein Stimmvolumen hat Höhen und Tiefen, nicht symbolisch gesehen, und da ist der tiefere Bereich Bond und bei Sandler eher der obere Bereich. Dass das funktioniert... das habe ich nicht groß trainiert, ich habe es einfach gemacht.
Es gab eine Zeit, wo in Hollywood ganz viele angefangen haben, ihre Stimmen tiefer zu trainieren, Dustin Hoffman zum Beispiel für Hook. Das habe ich nie gemacht. Was wahnsinnig viel ausgemacht hat bei mir, ist das Hörbuch-Lesen, überhaupt das Arbeiten mit der Stimme, auch beim Vorlesen oder Lesungen. Und hinzu kommt wohl auch, dass ich, wenn ich mal Zeit habe, ein bisschen Musik mache, dann rocke ich sozusagen ab. Das kommt wohl alles zusammen und hat geprägt.
Der Weg zum Synchronsprecher - eine Loser-Geschichte
Wann hat denn das erste Mal jemand zu Ihnen gesagt: Du hast eine tolle Stimme?
James Bond in Berlin
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Wunder: Das ist eigentlich sogar eine Loser-Geschichte wie auch eine tolle Geschichte. Da war ich 21 und hatte noch keinen Schauspielunterricht aber ein Faible für Schauspiel. Im Renaissance-Theater in Berlin habe ich damals dem Dramaturgie-Chef vorgesprochen. Und der guckte mir zu und hörte mir zu und meinte: „Also ganz ehrlich? Was Sie da gespielt haben, fand ich nicht so richtig toll, aber machen Sie etwas mit ihrer Stimme, Sie haben eine tolle Stimme.“ Das war das erste Mal. Damals wusste ich noch gar nicht, was synchron bedeutet. Das hatte ich bewusst nicht wahrgenommen.
Danach fing es erst an, dass ich auch mit Schauspiel-Unterricht anfing. Denn eigentlich bin ich ja Optiker. Dann habe ich parallel zur Ausbildung Schauspielunterricht genommen. Dann ist dieser Traum mehr und mehr wahrgeworden - und es gab danach Regisseure, die auch gut fanden, was ich gespielt habe. Es ist also nicht bei der alten Geschichte geblieben. Aber es war interessant damals. Und es hat mich auch total gekränkt.
Beim Flirten setzt er aufs tiefe Timbre
Das kann ich mir vorstellen, dass es, wenn man eigentlich Schauspieler werden möchte, nicht reicht, wenn man „nur“ gesagt bekommt, deine Stimme ist super. Und wie sehen Sie das heute?
Wunder: Also ich bin dann eigentlich sogar verlegen. Heute freue ich mich, wenn mir das jemand sagt. Aber es ist auch nicht so, dass ich dann da sitze und sage: Das weiß ich.
Wann haben Sie Ihre Stimme denn das erste Mal bewusst eingesetzt?
Wunder: Außerhalb des Jobs? Ich glaub, wenn ich einen romantischen Abend habe oder mit meiner Frau flirte, dann benutze ich sicherlich eher das tiefe Timbre. Das passiert bestimmt automatisch, aber durch die Sache mit Bond ist mir bewusster geworden, dass vielleicht entsprechende Reaktionen kommen. Aber ich benutze es nicht, um irgendetwas zu kriegen.
Und wenn Sie telefonisch einen Tisch im Restaurant bestellen wollen?
Wunde: Also, wenn es seriöse Sachen sind und ich dominanter auftreten will, dann denke ich schon: Ok, kling lieber tiefer als höher. Das habe ich bei offiziellen Geschichten erlebt, dass es positive Wirkung hat und die Leute mit Respekt darauf reagieren. Oder dass sie sagen: Das ist schön, reden Sie mal weiter. Das ist mir auch schon ein paarmal am Telefon passiert.
Angesprochen - nicht auf Bond, sondern auf CSI New York
Können die anderen die Stimme denn sofort zuordnen? Daniel Craig oder auch Adam Sandler etwa?
James Bond Skyfall
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Wunder: Nicht immer. Ich hatte in den letzten Wochen ganz oft – ob aus Zufall oder Schicksal – die Erfahrung, dass mich Leute auf die Stimme angesprochen haben. Ich wollte neulich etwas in einer Bäckerei bestellen, da schaut mich ein junger Mann ab und sagt: Wow, Entschuldigung, sind Sie Synchronsprecher? Er wusste aber nicht, für wen. Es ist mir zweimal passiert, dass mich Frauen angesprochen haben, witzigerweise nicht auf Bond, sondern auf Denny Messer in CSI New York. Neulich, auch wieder beim Bäcker, sagt die Angestellte: Sie haben eine ganz sympathische Stimme. Da sage ich: Danke schön. Sagt sie: „Sie klingen so ein bisschen wie dieser Typ aus CSI New York.“ Und da habe ich gesagt: „Wissen Sie was, das bin ich sogar.“ Aber ich habe erst überlegt, ob ich es sagen soll. Und dann dachte ich, warum nicht?!?
Und dann habe ich es erlebt, dass ich mal von hinten an eine Bedienung herangetreten bin und gesagt habe: Entschuldigung, ich würde gerne etwas bestellen. Und da dreht sie sich um und sagt: „Denny Messer aus CSI New York“.
Wenn die Leute wissen, sie telefonieren mit mir, ist es häufiger, dass sie sagen: Das ist ja abgefahren. Aber ich bin ja nicht jemand, der die ganze Zeit den Bond mimt. Sonst würden sie vermutlich eher sagen: Stimmt, das ist er wirklich. Wobei das ja totaler Quatsch ist.
Warum Dietmar Wunder das Synchron-Sprechen als "großes Glück" empfindet
Und nervt Sie das nicht auch manchmal?
Wunder: Bisher noch nie. Und das wird auch nie so sein. Denn für mich sind wirklich Träume wahr geworden. Ich habe wirklich mein Hobby und meinen Traum zum Beruf werden lassen. Und dann auch noch Bond zu sprechen... Das ist einfach cool, dass du daran teilhaben kannst. Das hat mich nie genervt. Es ist nur immer schwierig, wenn die Leute sagen: Ich weiß, es ist blöd, aber können Sie mir bitte den Anrufbeantworter besprechen. Oder können Sie einmal für mich sagen sagen: Mein Name ist... Das ist etwas schräg, denn offiziell darf ich das nicht. Und daran halte ich mich. Bei Moderationen baue ich es halt immer in Geschichten ein.
Und manchmal ist es auch schwierig: So, als ob jemand sagen würde: Spiel doch mal eben die Anfangsszene aus Hamlet. Aber genervt hat es mich echt noch nie.
Skyfall-Premiere in London
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Sie sind ja momentan ein gefragter Gast und viel unterwegs... mit Krimi-Autor Don Winslow waren Sie gerade in Berlin und Hamburg, in dieser Woche stehen Braunschweig und Hannover an...
Wunder: Was wirklich faszinierend ist, dass ich mit synchron noch nie erfahren habe, dass es so viel Öffentlichkeits-Aufmerksamkeit gibt. Das habe ich das erste Mal durch Bond erlebt. Und was natürlich ganz toll ist: die Leute sind interessiert am Synchronisieren und fragen, was heißt denn das eigentlich und wie macht ihr das überhaupt? Und sich mit dem Thema auseinandersetzen.
Im Studio "in den Moment hineinspringen"
Also das heißt, Sie hadern längst nicht mehr mit dem Schicksal eines Synchron-Sprechers?
Wunder: Nein, überhaupt nicht. Inzwischen ist es so, ich habe für mich die Erfahrung gemacht, ich habe das große Glück, das große Geschenk, ich stehe auf der Bühne, vor der Kamera, ich darf synchronisieren und Hörbücher machen. Ich habe das ganze Programm an Schauspieler-Ausdruck, das ist wirklich ein Geschenk. Der Vorteil beim Synchronisieren ist: Ich kann in ganz unterschiedliche Charaktere springen, die ich sonst gar nicht spielen könnte, weil ich ja ein bestimmter Typ bin.
Wie bereitet man sich auf eine solche Rolle vor? Schaut man sich den Film erst einmal im Original an?
Wunder: Ich habe den Film Mitte September gesehen, da war er noch nicht fertig. Da war er ein Rohschnitt, weil es inzwischen ein unheimlich enger Zeitrahmen ist und man auch Angst vor Raubkopien hat. Ich habe ihn schwarz-weiß gesehen, ohne Musik, ganz unromantisch. Die Illusion ist einem dann ein bisschen genommen. Aber ich muss sagen, ich habe trotzdem Gänsehaut bekommen und gedacht: Ist das ein cooler Film.
In der Regel ist es so, dass wir den Film einmal sehen und dann ins Studio gehen und dann synchronisieren. Es ist aber nicht wie beim Theater oder Film-Set, dass man den Text monatelang vorher hat und du übst und probst oder dich in die Szenen reinarbeitest. Sondern du springst im Grunde in den Moment hinein. Das ist vielleicht das Handwerkszeug beim Synchronisieren oder das Spezielle. Wir sehen den Film in ganz vielen kleinen Dialog-Fetzen zerteilt auf Englisch. Dann mache ich den Original-Ton aus, habe den deutschen Text vor mir. Am besten ist es, wenn du ihn auswendig lernst, damit du dich wirklich voll auf die Mimik, auf das Spiel konzentrieren kannst. Und dann spielst du, was du einmal im Original gehört hast und was du siehst, das spielst du nach.
Adam Sandler redet viel am Stück
Immer Satz für Satz?
Wunder: Das kann manchmal ein Wort sein, manchmal ein Laut. Aber Adam Sandler, der redet ja viel am Stück, da kann es auch sein, dass es sieben Sätze sind. In der Regel sind es aber zwei drei Sätze.
Und muss man die dann oft wiederholen, bis es stimmt?
Wunder: Das ist die große Herausforderung. Das ist sozusagen ein As, der One-Take. Das ist natürlich ganz toll, wenn du merkst, dass es beim ersten Mal klappt. Aber letztendlich – und das weiß ich selbst als Regisseur – ist es für mich nicht entscheidend, wie oft du wiederholen musst. Es ist auch schön, wenn man arbeitet, wenn man an den Zwischentönen feilt. Das ist dann Schauspielarbeit.
Daniel Craig als Bond hat unheimlich viele Facetten
Und was ist das Besondere an Craig? Was erfordert er im Vergleich zu anderen?
Wunder: Also Daniel Craig als Bond ist etwas anderes als als andere Schauspieler, denn er hat unheimlich unterschiedliche Facetten. In Stieg Larssons Verfilmung „Verblendung“ ist er wirklich dieser gebrochene Charakter , der auch ganz weiche Töne hat. Bond spielt er natürlich sehr cool. Aber er ist gleichzeitig unheimlich auf den Punkt gebracht. Er spielt zurückgenommen, sehr unaufwendig, aber unheimlich präzise. Und das ist die Herausforderung für mich im Deutschen, dass es nicht langweilig cool klingt, sondern dass es wirklich auf den Punkt gebracht ist, diese Nuancen so minimalistisch exakt zu spielen.
"Mein Name ist Bond..." hat tierisch Spaß gemacht
Gibt es Szenen, die besonders schwer sind?
Wunder: Eigentlich nicht. Aber es ist so, wenn es ans Eingemachte geht, wenn es um Gefühle geht, dann habe ich da zwar keine Angst vor - aber dann sage ich hinterher: Ja, super! Oder ein markantes ‘Nein’. Oder ein historischer Satz, wie dieser berühmte Satz: „Mein Name ist...“ Wie bei Casino Royal, da ist mir schon klar geworden, jetzt kommt die Szene. Das ging am Set allen bei den Aufnahmen so, das ist Filmgeschichte, die du da jetzt nachspielst, da habe ich schon gedacht: Wow, das ist schon eine große Herausforderung.
Und haben Sie schon gedacht: Jetzt muss ich alles geben? Ist man dann besonders aufgeregt?
Wunder: Es ist im Grunde die Vorfreude. Ich weiß noch, da war es um die Mittagszeit, dass wir den Satz aufgenommen haben. Und dann war es so, ich höre ihn im Original an, der Einsatz kommt - und ich verpasse ihn erstmal gleich. Das war schön! Alle lachten und sagten: Cool. Dann kommt die zweite Aufnahme, ich spiel das, sag den Satz und mein Regisseur sagt: „Danke.“ Und ich sag: „Hey, daran müssen wir doch arbeiten, das ist doch einer der Sätze der Filmgeschichte.“ Da meint er: „Wahrscheinlich hast du den 40 Jahre lang geübt.“
Und „mein Name ist Bond..:“ das war auch der schönste Satz, den Sie jemals sprechen mussten?
Wunder: Ach, welche Sätze ich immer wieder liebe, ist zum Beispiel ganz langweilig wie: Ich liebe dich zu spielen - das ist wunderbar.
Hat Bond das denn jemals gesagt?
Wunder: Nein! Aber dieser andere legendäre Satz, der hat einfach tierisch viel Spaß gemacht. Und was ich noch liebe, sind die Ein-Wort-Sätze von Bond, die coolen Sprüche. Wie in „Ein Quantum Trost“, diese unglaubliche Action-Szene, diese Verfolgungsjagd zu Beginn, wo alle sagen, was war das denn, das war ja der Hammer. Und dann macht er den Kofferraum auf und sagt: „Sie dürfen aussteigen.“ Oder zum Schluss, da sagt M zu Bond: „Sie dürfen zurückkommen.“ Und er sagt: „Ich war nie weg.“
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