Köln. Die Kölner Severinstraße ist traditionell eine bunte Einkaufsstraße, in der sich Supermärkte, Fachgeschäfte und gemütliche Restaurants aneinanderreihen. Doch seit dem Einsturz des Stadtarchivs bangt das Viertel um seinen Charme. Die U-Bahn ist dort praktisch fertig, soll aber wegen des Stadtarchiv-Einsturzes erst 2019 in Betrieb gehen.

Wenn Jörg Aue durch das Kölner Severinsviertel geht, wird er schon mal unvermittelt von fremden Menschen in den Arm genommen. Der so genannte Veedelsmanager wird von den örtlichen Geschäftsleuten und der Stadt bezahlt, um neuen Schwung ins wohl urkölscheste Viertel der Domstadt zu bringen. „Die Herzlichkeit der Menschen hier ist überwältigend“, meint Aue: „Aber in letzter Zeit ist es ein bisschen anstrengend geworden. Vereinzelt wurde mir auch schon Prügel angedroht.“ Die Schilderung illustriert die große Verunsicherung der Menschen, die rund um die Severinstraße in der Kölner Innenstadt leben und arbeiten. Seit dem Einsturz des Stadtarchivs vor gut dreieinhalb Jahren ist nichts mehr wie es mal war.

Die Severinstraße ist traditionell eine bunte Einkaufsstraße, in der sich Supermärkte, Fachgeschäfte und gemütliche Restaurants aneinanderreihen. Das Viertel hat seinen Charme, hier trifft man Kölsche Ureinwohner und aufgeschlossene Zugezogene genauso wie BAP-Sänger Wolfgang Niedecken oder Comedy-Frau Cordula Stratmann. Im Zuge eines Sanierungsprogramms ist die Severinstraße jahrelang aufwändig umgebaut worden. Die Anlieger ärgerten sich über eine Dauerbaustelle. Anschließend wurde mit dem Bau einer neuen U-Bahn begonnen, die die charmante Südstadt an die Innenstadt anbinden sollte. Weil das nur wenige Stationen sind, wurde vor allem von den Grünen der „verkehrliche Nutzen“ dieser Baumaßnahme stets bestritten. Der Bau wurde trotzdem beschlossen, und wieder erregten sich die Menschen in der Severinstraße über jahrelange Bauarbeiten. Der Charme ihres Viertels ging weiter verloren.

„Das ist für die Menschen hier hoch emotional“

Eigentlich sollte die U-Bahn bald fahren, daraus wird vorerst nichts. Die unterirdischen Schienen sind fertig, Zugänge und Rolltreppen ebenfalls. Besonders die mächtige SPD im Rathaus hält es aber für zu teuer, die Teilstrecke zwischen der Einsturzstelle des Stadtarchivs und der Südstadt in Betrieb zu nehmen. Bis zum Jahr 2019 soll gewartet werden, dann hofft man die immer noch offene Bergungsgrube der Einsturzstelle geschlossen und die U-Bahn auch dort fertig gestellt zu haben.

„Gerade ältere Leute hier im Viertel können das nicht verstehen“, erklärt Veedels-Manager Aue: „Das ist für die hoch emotional.“ Manche verstehen seine Rolle nicht so recht, und zuweilen hat er selbst Schwierigkeiten sich darüber klar zu werden. Zwar wird er teilweise von der Stadtverwaltung bezahlt, gleichzeitig kritisiert er deren Politik aber öffentlich vehement. Unsinn sei es, die Teilstrecke der neuen U-Bahn brach liegen zu lassen, meint Aue. Denn Kosten würden auch so entstehen: Um zeitweise Bahnen fahren zu lassen, damit die Schienen nicht anrosten. Auch die Rolltreppen müssten hin und wieder bewegt werden. Notdürftig sind sie derzeit abgedeckt, vor kurzem wurde eine der mit Plastikfolien bedeckten Quasi-Baustellen von bisher unbekannten Tätern in Brand gesetzt. „Wenn man hier alles verkommen lässt, befürchten wir weiteren Vandalismus“, sagt Aue.

Tausende Unterschriften hat er mit Anliegern der Severinstraße für die frühzeitige Inbetriebnahme des südlichen U-Bahn-Stücks gesammelt. Ihre Forderung: 2015 soll es los gehen, keinen Tag später. „Es gab in den acht Jahren, seit ich dem Stadtrat angehören darf, keine Entscheidung, die mir persönlich so schwer gefallen ist wie diese“, meint die Vize-Chefin der SPD-Fraktion Susana dos Santos Hermann. Sie will die Inbetriebnahme verzögern, weil das viel Geld spart. Durchgesetzt werden soll das zusammen mit der CDU. Der Beschluss soll Ende des Jahres fallen, zusammen mit dem städtischen Haushalt für 2013. Dass die SPD da mit der CDU zusammen arbeiten könnte, stellt das rot-grüne Bündnis im Kölner Stadtrat auf eine harte Bewährungsprobe. Jörg Aue ist das gleichgültig. Er spricht mit Politikern aller Parteien, um sein Ziel doch noch zu erreichen: Die schnelle Wieder-Aufwertung „seines“ Severinsviertels.