An Rhein und Ruhr. . Der Grundschulverband will Druckbuchstaben in den Schulen etablieren. Die drei verschiedenen normierten Schreibschriften soll es künftig nicht mehr geben. Für viele Schüler würde es somit leichter werden. Gegner beklagen die „Abschaffung eines Kulturguts“.
Patrick führt die Kreide zügig über die Tafel: „Der Igel schläft in seinem Bau“ Punkt. Alle Buchstaben sind säuberlich miteinander verbunden. Patricks Klasse, die 3d der Hölterschule in Mülheim, hat im zweiten Schuljahr die Schulausgangsschrift gelernt. Sie ist neben der Lateinischen Ausgangsschrift und der Vereinfachten Ausgangsschrift eine der drei normierten Schreibschriften, die seit Jahren an den rund 3100 Grundschulen in NRW gelehrt werden. Doch einige Schulen erproben neuerdings die sogenannte Grundschrift – eine Druckschrift, die der deutsche Grundschulverband seit einer großen Kampagne im Jahr 2010 nicht müde wird anzupreisen.
Unleserliche Handschriften
In einer Zeit, in der sich das Schreiben zunehmend auf die Computertastatur verlagert und sich Lehrer weiterführender Schulen über die wachsende Unleserlichkeit von Schülerhandschriften beklagen, soll die Grundschrift – so ihre Verfechter – dazu beitragen, dass Kinder eine flüssige, leserliche Handschrift bekommen. Doch die Meinungen darüber sind geteilt.
Ulrich Hecker, Leiter der Regenbogenschule in Moers und zweiter Vorsitzender des Grundschulverbandes, ist ebenso wie seine Kollegin Barbara van der Donk, Leiterin der Gemeinschaftsgrundschule Moers-Repelen, von den Vorteilen der Grundschrift überzeugt. „Kinder lernen in der ersten Klasse, mit Druckbuchstaben zu schreiben. Man muss ihnen anschließend keine andere Schreibschrift beibringen“, sagt Barbara van der Donk. Die Grundschrift besteht aus Druckbuchstaben, von denen die meisten am unteren rechten Ende kleine Bögen haben. Dadurch besteht die Möglichkeit, die Buchstaben zu verbinden. Wer mag, kann es tun. Wer nicht mag, lässt es sein.
„Zweite Ausgangsschrift ist schädlich“
„Vor allem Kinder mit Lernschwierigkeiten haben es mit der Grundschrift viel leichter“, hat Barbara van der Donk festgestellt. Auch Dr. Horst Bartnitzky, Vorsitzender des Grundschulverbandes, sagt: „Eine weitere Schriftform als zweite Ausgangsschrift ist wegen des Bruchs in der Schreibentwicklung schädlich.“ In Hamburg ist seit einem Jahr die Schreibschrift nicht mehr Pflicht. Bayern erwägt den Verzicht auf die Einführung einer zweiten Ausgangsschrift ab dem Schuljahr 2014/15.
Gegner der Grundschrift sind der Meinung, nur infolge einer eingeübten Schreibschrift entwickele sich eine flüssige, schöne Handschrift. In der neuesten Ausgabe der Zeitschrift „Deutsche Sprachwelt“ kritisiert Renate Tost, Grafikerin und Mitbegründerin der Schulausgangsschrift, Schüler würden durch die Grundschrift „auf ihrem Anfangsniveau festgenagelt“. Korrekte Verbindungen würden „der Beliebigkeit überlassen“. Der Chefredakteur der Zeitschrift, Thomas Paulwitz, ist der Auffassung, der Schreibschriftunterricht „schult die Motorik, das Denken und das ästhetische Empfinden der Kinder“.
Das NRW-Schulministerium macht keine Vorgaben, welche verbundene Schrift gelehrt werden soll. Im Lehrplan steht lediglich: „Ausgangsschrift für das Lesen und Schreiben ist die Druckschrift. Im Zuge der Verflüssigung des Schreibverlaufs und der individuellen Ausprägung der Schrift entwickeln alle Schülerinnen und Schüler aus der Druckschrift eine gut lesbare verbundene Handschrift.“ Bei den Kompetenzerwartungen am Ende der Klasse 4 heißt es: „Die Schüler schreiben flüssig in einer gut lesbaren verbundenen Handschrift.“
Kollegen variieren die Buchstaben
Auf dieser Basis hat sich die Hölterschule in Mülheim für die Schulausgangsschrift entschieden. „Ich persönlich finde ja die Lateinische Ausgangsschrift am schönsten“, sagt Caroline Meichßner (37), Lehrerin der Klasse 3d. „Ich habe sie selbst als Kind gelernt.“ Manche ihrer Kollegen variieren die Buchstaben ein wenig, geben dem z einen Strich oder schlagen ein alternatives t vor. Letztlich geht es immer nur darum, den Kindern zu helfen, ihren individuellen Stil zu finden.
„Je älter sie werden, umso mehr entwickeln die Kinder ihre eigene Schrift“, stellt Caroline Meichßner oft fest. „Manche kehren im vierten Schuljahr auch teilweise wieder zu den Druckbuchstaben zurück.“ Diese liegen Simon (8) ohnehin mehr. „Ich komme mit Druckschrift schneller voran“, sagt er. Doch ein Argument für die Grundschrift?
Nein, sagen die Kritiker, die die „Abschaffung eines Kulturguts“ beklagen. Ein Kriterium, das Befürworter wie Gegner der Grundschrift gleichermaßen gelten lassen, ist allerdings: Eine Handschrift sollte auf jeden Fall eines sein – leserlich!