Düsseldorf. . Kein Chaos, entspannte Passagiere und ganz viele Schokoriegel: 143 Flüge fielen am Freitag durch den Streik der Lufthansa in Düsseldorf aus. Haufenweise gestrandete Fluggäste suchte man jedoch vergebens. Stattdessen blieb jede Menge Verpflegung übrig.

Ulrich Franz ist vermutlich der am meisten verärgerte Passagier, den man heute am Flughafen Düsseldorf finden kann. „Das ist natürlich unbefriedigend“, sagt der 56-Jährige und: „Das ist ganz bitter, es ist ja nur ein Kurzurlaub.“ Aber das war auch schon der Gipfel an Ärger, den der Vertriebsleiter einer Versicherung aufbringen kann, denn noch besteht die Chance, dass sein Flieger nach Palma geht, wo die Freunde bereits warten. Das kann ihm nur leider eine knappe Stunde vor dem geplanten Abflug noch keiner sagen.

„Die kriegen nicht genug Personal zusammen.“ Zwar hat die Lufthansa am Freitag präventiv 1200 von 1800 Flügen gestrichen, 143 davon in Düsseldorf, aber welche Flugbegleiter nun zur Arbeit erscheinen oder nicht, das verrät die Gewerkschaft natürlich nicht. Franz’ Flug jedenfalls stand nicht auf der Streichliste. Falls er ausfällt, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass er auf eine andere Airline umgebucht wird und nur etwas später auf Mallorca ankommt. Air Berlin etwa profitiert, setzt größere Flugzeuge ein und macht sechs neue Verbindungen auf.

Lufthansa verschickte 60.000 SMS und Mails an Kunden

LH 3382 nach London: annulliert. Der Flug um 11.45 Uhr nach Hamburg: gestrichen. Rom, Kiew, New York: nicht mit Lufthansa. Und doch wirkt der Flughafen Düsseldorf ruhiger als an normalen Freitagen. Es gibt ja nicht nur selbsterfüllende Prophezeiungen, sondern auch sich selbst dementierende: Das zwei Tage zuvor angekündigte Chaos hat sich fast von selbst wegorganisiert.

Natürlich sind es vor allem die Lufthansa-Mitarbeiter, die im Vorfeld 60 000 SMS und Mails an Kunden geschickt haben. Die umgebucht haben auf Tochtergesellschaften, die Konkurrenz und die Bahn. Und so sitzt Lufthansa-Sprecher Martin Riecken am Freitagvormittag in Düsseldorf nicht auf einem Haufen Probleme, sondern Kartons voll Schokoriegeln und Snacks für die Fluggäste, die nun doch nicht gestrandet sind.

Lufthansa-Flugbegleiter wollen

Süßigkeiten, Äpfel, Muffins hatte auch Stewardess Heide Gugelsberger in ihrem Koffer, als sie am Morgen um halb sechs in voller Uniform am Flughafen ankam. Streikverpflegung. Auf einem Fenstersims haben die etwa 100 Kollegen ihr „Buffet“ aufgebaut. Fast wirken sie selbst wie gestrandete Passagiere. 24 Stunden wollen die Flugbegleiter in Schichten vor dem Terminal A demonstrieren und skandieren: „Franz, jetzt langt’s!“

Christoph Franz ist ihr Chef, der sie auslagern will, so vermuten sie. Mittlerweile hat auch Franz öffentlich eingeräumt, die Schlagkraft der Flugbegleiter-Gewerkschaft „Ufo“ unterschätzt zu haben. Und siehe da, am Freitag reden die Tarifparteien nach zehn Tagen Funkstille wieder miteinander. Warum nicht gleich so? Gestreikt wird immer nur, wenn sich einer verpokert.

Auch Gugelsberger schimpft auf ihrem Plakat gegen das Sanierungskonzept von Franz, das ihre Arbeit mutmaßlich in einen Billig-Job verwandeln würde. Aber wenn sie ihr Schild umdreht, steht dort: „Wir sind das Herz der Lufthansa“. Und natürlich sagen alle hier, es breche ihnen das Herz, ihre Fluggäste verprellen zu müssen.

Kein Streik vergeht reibungslos, auch nicht bei der Lufthansa

Die Kunden sind heute zwar kaum am Flughafen zu finden, ihren Ärger aber lassen sie auf der Facebook-Seite der Lufthansa ab. „Seinem Arbeit- und Brötchengeber so in den Rücken zu fallen ist unmoralisch und kurzsichtig“, schreibt einer. Ein anderer hält dagegen: „Die Chefetagen sollten beim Thema Lohnverzicht vorangehen – machen sie aber nie!“ Und so geht es hin und her: „Streik der Gutverdiener“ gegen „Sklavenarbeit in der Zeitarbeitsfirma“. Das sind die Fronten, zwischen denen der „Shitstorm“ entsteht.

Verlorenes Gepäck, verlorene Tage, Stress und Unsicherheit – reibungslos lässt sich ein Streik nie bewältigen. Aber man muss die Lufthansa beglückwünschen für Kunden wie Dominic und Judy Chircop aus Abercrombie, Australien. „Wir wollten heute nach Barcelona, dort müssen wir morgen unser Kreuzfahrtschiff erwischen.“ Doch das Paar hängt im Transit. Die Dame am Schalter wühlt gut eine halbe Stunde, dann haben die Chircops ein Hotel und einen Flug am frühen Morgen. Passt, auch wenn das einen Tag weniger Barcelona bedeutet. „Aber das ist doch toll“, lacht Dominic. „Wir waren noch nie in Düsseldorf!“