Dormagen. . Eine dicke Rauchwolke auf der Autobahn 57 führte zu einer Massenkarambolage.: Ein 29-Jähriger starb, 13 weitere Menschen wurden verletzt. Die Brücke über die Autobahn muss wahrscheinlich zumindest teilweise aberissen werden; bis der Verkehr wieder normal läuft, können eineinhalb Jahre vergehen.

Es flackert das gelbe Licht der Abschleppwagen, fünf, sechs Abschleppwagen zugleich, sie entzerren Schrott. Aufgerissene Autos, zusammengequetschte und quer stehende Autos, leere Autos mit offenen Türen, Scherben liegen auf Sitzen. Dahinter die Laster, die sie nachher mit Stahlseilen von dieser einsturzgefährdeten A 57-Brücke ziehen werden: den Post-Lkw mit zertrümmertem Fahrerhäuschen, aus seiner Seite hängen Pakete; oder diesen Autotransporter, unmöglich geknickt, als hätte ein Riese eine neue Bruchstelle gefunden. „Man mag sich nicht vorstellen, was das hier für die Verkehrsteilnehmer bedeutet hat“, sagt Joachim Minten vom Landesbetrieb „Straßen NRW“.

Man kann sich kaum vorstellen, dass das hier so viele überlebten.

Ein 29-jähriger Mann aus Jüchen fährt auf auf einen Laster und stirbt, und 13 Menschen werden verletzt, zwei davon schwer. Die anderen aber kommen mit dem Horror davon. Denn dies ist ein Alptraum von Unfall, eine Massenkarambolage gegen Mitternacht, sechs Laster, 15 Autos, geschehen in der Nacht auf Dienstag: Menschen fahren durch die Nacht und geraten unversehens in eine Rauchwolke, die über der Autobahn steht, um sie herum wird es schwarz, sie verlieren die Orientierung, verlieren jede Kontrolle. „Eine einzige Katastrophe“, sagt der Überlebende Kinat Syrer der Neuß-Grevenbroicher Zeitung: „Ich habe echt gedacht, das Leben ist jetzt zu Ende.“ Dann fährt er auf. Dann rettet ihn der Airbag.

Straßen.NRW: „Der Zustand der Brücke ist katastrophal“

Die Feuerwehrleute, die ersten am Unglücksort bei Dormagen-Nievenheim, können nur unter Atemschutz vordringen. Erst am frühen Morgen klärt sich das Bild: Unter der niedrigen Brücke haben Plastikrohre gebrannt, deren Qualm sich über die Fahrbahnen legte. Ob das Brandstiftung war, bleibt freilich bis in den Abend hinein ungeklärt. „Der Verdacht auf Brandstiftung liegt nahe, aber das ist nicht definitiv“, sagt Polizeisprecher Jochen Schütt: „Man fragt sich einfach, wie diese Rohre Feuer fangen konnten.“ Sie hätten aus schwer entflammbarem Material bestanden, so das NRW-Verkehrsministerium am Abend; um sie zu entzünden, sei Brandbeschleuniger nötig.

Autobahn 1, 3 und 59

Die Autobahn 57 ist mit über 100.000 Nutzern täglich eine der wichtigsten Pendlerstrecken im Rheinland, vor allem bei Düsseldorf, Neuss und Köln. Durch die Sperrung der nächsten Tage wird der Verkehr sich verlagern. Die Polizei empfiehlt, je nach Ortslage auszuweichen auf die Autobahnen 1, 3 und 59, aber damit wird es dort deutlich voller. Gerade das westliche Ruhrgebiet nutzt die A 3, um in Richtung Köln zu fahren. Auf die Bundesstraßen auszuweichen wie die B 9, ist keine gute Idee, wie sich schon am Dienstag zeigte.

Jedenfalls konnte so ein Unglück nur hier geschehen. Denn diese Autobahnbrücke „Ernteweg“ nimmt kein Autobahnfahrer als Brücke war. Nach 67 Metern ist sie schon wieder vorbei, erhebt sich auch keinen einzigen Meter aus den rheinischen Feldern: Sie ist nur die Überquerung einer Unterführung, in der ein Landwirtschaftsweg liegt und ein Gleis. Nur, weil sie so niedrig ist, konnte der Rauch aus dem Feuer darunter so massiv auf die A 57 dringen.

Dort unten ist die Brücke vom Ruß geschwärzt, hunderte Betonbrocken sind zu Boden gestürzt; und die ominösen Plastikrohre haben sich verwandelt in eine schwarze, brandig riechende Masse. Die Rohre lagen hier für Kabelarbeiten. „Der Zustand der Brücke ist katastrophal“, sagt Joachim Minten, der Mann von Straßen NRW, der sich anschickt, die angeschlagene Statik zu errechnen. Brandschäden unter Brücken seien gar nicht so selten, so Minten: wenn etwa Bauern Anhänger voller Stroh darunter parkten. Aber „einen vergleichbaren Unfall zu diesem habe ich noch nie gesehen“.

Bis zu 18 Monate Verkehrsbehinderung

Nach und nach an diesem Dienstag wird klarer, dass die Brücke nicht zu retten ist: Zumindest die zwei Spuren in Richtung Köln wird man abreißen müssen. In den nächsten, noch nicht genau abgezählten Tagen bleibt die A 57 in beiden Richtungen gesperrt zwischen Neuss und Dormagen, danach folgt ein Provisorium: Behelfsbrücken, Notstützen, verringerte, verengte Fahrbahnen. „Bis der Verkehr wieder so läuft wie vor dem Unfall, können anderthalb Jahre vergehen“, so ein Sprecher von Straßen NRW.

Da ist der Unglücksort oben auf der Brücke bald wieder besenrein. Aber unten ist sie: Ruine.