An Rhein und Ruhr. Wegen eines Formfehlers kehrt NRW vorläufig zum alten Strafmaß zurück. Was bedeutet das für laufende und geahndete Fälle? Der ADAC klärt auf.

Es ist ein Vorgang, der bei vielen Autofahrern für Verwirrung sorgt: Wegen eines Formfehlers hat der Bund die Länder aufgefordert, den Ende April eingeführten verschärften Bußgeldkatalog nicht mehr anzuwenden.

Aber was bedeutet das für Autofahrer, die zwischen dem 28. April und Anfang Juli geblitzt wurden? Erhalten alle, die nach altem Katalog eine geringere Strafe erwartet hätte, somit automatisch ihren Führerschein zurück? Und wie viele Personen sind betroffen? Wir haben uns in der Region umgehört.

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„Nach Inkrafttreten der neuen Bußgeldkatalog-Verordnung am 28. April 2020 wurden in den Monaten Mai und Juni 873 Bußgeldbescheide erstellt. 145 enthielten zusätzlich ein Fahrverbot“, schreibt der Kreis Kleve. „In amtliche Verwahrung gegeben wurden bisher zwölf Führerscheine.“ Ohne Änderung der Verordnung wäre es nach Angaben der Pressestelle in 95 Fällen nicht zu einem Fahrverbot gekommen.

Verkehrsministerium arbeitet an „bundeseinheitlicher Lösung“

Auch in Düsseldorf gab es im Mai und Juni 2020 zahlreiche Geschwindigkeits- und Rotlichtverstöße. So zählte die Stadt insgesamt 5167 Bußgeldbescheide. In diesem Zeitraum mussten 139 Autofahrer ihre Führerscheine abgeben. „In Duisburg wurden 649 Bußgeldbescheide erlassen, die mit einem Fahrverbot versehen waren“, so ein Sprecher. Die Anzahl der in diesen Fällen bisher eingezogenen Führerscheine lasse sich aktuell nicht auswerten.

In Oberhausen wurden von Mai bis Juni insgesamt 6675 Bußgeldbescheide erlassen. Darunter seien aber auch einige Verkehrsverstöße, die vor der Wirksamkeit des verschärften Bußgeldkatalogs begangen wurden. „Die Anzahl der in diesem Zeitraum eingezogenen Führerscheine wurde nicht erfasst“, so Pressesprecher Martin Berger.

Ob an Rhein und Ruhr bei bereits geahndeten Fällen der alte Bußgeldkatalog angewandt wird, ist noch unklar. „Hier wird die Entscheidung des Bundesverkehrsministeriums abgewartet“, schreibt die Stadt Düsseldorf. Auch in Oberhausen wolle man zunächst abwarten. „Maßgeblich sind die Weisungen des Innenministeriums NRW“, so Pressesprecher Berger. „Weisungen zu der gestellten Frage liegen bisher nicht vor.

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Das Bundesverkehrsministerium (BMVI) will sich zum Umgang mit bereits bestandskräftigen Bescheiden mit dem Innenministerium absprechen. Auf NRZ-Anfrage teilte das BMVI mit, dass an einer „bundeseinheitlichen Lösung“ gearbeitet werde. Ein Datum, ab wann mit einer Entscheidung gerechnet werden könne, nannte das BMVI nicht. Laut Christopher Köster, Sprecher des ADAC Nordrhein, ein „untragbarer Zustand“: „Vor allem eine unterschiedliche Vorgehensweise der Länder wäre inakzeptabel.“ Es müsse schnellstmöglich zu einer Klärung kommen, so Köster.

ADAC Nordrhein: Das können Autofahrer tun

Aber was ist mit Verfahren, bei denen noch kein Bußgeldbescheid eingegangen ist? „Die Bußgeldstellen müssen nach Kenntnis der Nichtigkeit hinsichtlich der Rechtsfolgen den alten Bußgeldkatalog anwenden“, erklärt ADAC-Sprecher Köster. Bedeutet: Autofahrer, denen nach altem Katalog lediglich ein Bußgeld gedroht hätte, dürfen nicht mit einem Fahrverbot belegt werden. „Ist bereits ein Bußgeldbescheid erlassen und die 14-tägige Einspruchsfrist noch nicht verstrichen, sollte umgehend Einspruch eingelegt werden und eine Änderung der Rechtsfolgen verlangt werden.“

Ist ein Fahrverbot bereits rechtskräftig, das Verbot aber noch nicht angetreten, sollte Vollstreckungsaufschub bei der Bußgeldstelle unter dem Aspekt der nichtigen Regelung beantragt werden, empfiehlt Köster. „Befindet sich der Führerschein bereits zur Vollstreckung des Fahrverbots in amtlichem Gewahrsam, ist im Gnadenverfahren die Aufhebung der Entscheidung unter Herausgabe des Führerscheins zu beantragen.“