Essen. . In vielen Städten fehlen Kita-Plätze. Unsere Autorin berichtet von den teils absurden Bemühungen der Familien um einen Betreuungs-Platz.
„Hast du schon was gehört?“ Es ist Winter, und wir haben unsere Kleinkinder in dicke Schneeanzüge gestopft. Während die Kleinen im halb gefrorenen Sand buddeln, ist unser Thema die Vergabe der Kita-Plätze für den Sommer. Schnell zeichnet sich ab: Viele Familien werden auch in diesem Jahr wieder leer ausgehen. Zu wenige Erzieherinnen, zu viele Kinder. Die Situation ist angespannt.
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Für uns Eltern bedeutet das einen teils schon absurden Kampf um die Plätze. Einfach anmelden, und im nächsten Sommer tobt der Kleine fröhlich im Kindergarten um die Ecke - diese herrlich naive Erinnerung aus meiner Kindheit hat leider nichts mehr mit der Realität zu tun.
Als wir uns vor knapp drei Jahren um den ersten Kita-Platz beworben haben, fragte der Leiter interessiert, wo denn unser Kind sei. Er konnte ja nicht wissen, dass wir es mitgebracht hatten. Gut verpackt in einem noch unscheinbaren Fünf-Monats-Bauch. Schließlich wollten wir auf keinen Fall zu spät dran sein. Um es vorweg zu nehmen: Genützt hat es nichts. Einen Platz haben wir dort immer noch nicht bekommen.
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Mittlerweile stehen wir allerdings bei gut einem Dutzend Einrichtungen auf den Wartelisten. Mit uns jeweils 400 bis 600 Familien. Da wird schnell klar: Hier müssen Eltern mit harten Bandagen kämpfen.
Turnen für den begehrten Kita-Platz
Gute Karten haben Familien, die Engagement zeigen. Und das bitte schön bereits im Vorfeld. Ein Mitarbeiter der Stadtverwaltung hatte uns direkt nach der Geburt geraten: „Nehmen Sie unbedingt an den Kursen teil, die in den Einrichtungen angeboten werden.“
Und so turnen und singen wir seit Monaten nachmittags fleißig in diversen Kita-Turnhallen. Mit uns zahlreiche Familien, die ebenfalls auf einen Platz hoffen. Die Kurse sind ganz lustig, keine Frage. Aber eigentlich möchten wir doch einen Betreuungsplatz für unser Kind, weil wir arbeiten müssen, arbeiten möchten.
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Einige Einrichtungen setzen zudem voraus, dass „ihre“ Eltern regelmäßig Einsatz zeigen. Mit den Kindern ins Schwimmbad fahren, Bäume fällen, Bänke streichen, basteln. Und so schreibe ich halbherzig in den Anmeldebogen, dass ich sehr gern backe und Gartenarbeit ganz toll finde. Wann ich die in der Kita neben meinem Beruf allerdings noch erledigen soll und wer sich in der Zeit um unsere eigenen Blumen und das Kind kümmert, muss ich mir noch überlegen.
In konfessionellen Einrichtungen haben Kinder mit Taufschein Vorrang. Mehrere Familien aus unserem Bekanntenkreis überlegen jetzt, ihr Kind allein deswegen taufen zu lassen. Auch diesen Tipp habe ich schon gehört: einfach bei der Anmeldung sagen, dass man mit der Taufe noch warten will, bis die schwer erkrankte Tante wieder gesund ist.
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Wer wirklich einen Platz haben möchte, sollte das übrigens regelmäßig bezeugen. Als eine Bekannte sich jüngst nach dem Stand der Dinge erkundigte, erklärte ihr die verblüffte Leiterin, dass sie die Familie eigentlich schon von der Warteliste streichen wollte. Immerhin hätte sich vier Monate lang niemand gemeldet. Vier Monate! Und so telefoniere ich beharrlich und mit latentem Unbehagen die Einrichtungen ab. „Ich wollte nur mal nachhören, ob es was Neues gibt. Nein? Ach, schade. Das wär ja so toll, wenn das klappen würde.“
Tagesmutter bei Ebay gefunden
Dass wir nach dem Jahr Elternzeit überhaupt wieder arbeiten gehen können, haben wir nur unserer tollen Tagesmutter zu verdanken. Da aber auch bei den Trägern der Tagesmütter die Wartelisten heillos überlaufen sind, lohnt sich auch hier Eigeninitiative. Gemeinsam mit dem Kind habe ich mich wochenlang vormittags gezielt auf den Spielplätzen herumgetrieben und auf eigene Faust Tagesmütter angesprochen. Pro-Tipp: Erfolgreich waren wir letztendlich bei Ebay-Kleinanzeigen. Aber auch unsere weltbeste Tagesmutter betreut die Kinder nicht bis zur Grundschule, und so läuft unsere Suche nach einem Kita-Platz weiter.
„Erschwerend“ kommt für uns noch hinzu, dass Geschwisterkinder oder Härtefälle wie Alleinerziehende bei der Vergabe bevorzugt werden. „Ihr seid doch nicht verheiratet“, merkte eine befreundete Mutter kürzlich an. „Sag doch einfach, dass ihr getrennt seid.“ Ich finde, dieser Ratschlag - so gut gemeint er war - sagt sehr viel über die Betreuungssituation in Deutschland aus.
Disclaimer: Da unsere Autorin hofft, irgendwann doch noch einen Kita-Platz zu bekommen, erscheint dieser Text ohne Namensnennung.