Essen. Der Verkauf von Pfefferspray boomt. Auch die Bahn will ihre Zugbegleiter damit ausstatten. Aber wie viel Sicherheit gibt das Spray wirklich?
- Wer Pfefferspray einsetzt, macht sich der schweren Körperverletzung schuldig
- Es kann zu Augenrötungen, Schwellungen und Juck-Reiz kommen
- Mitarbeiter der Deutschen Bahn seit 2010 mit Pfefferspray ausgestattet
Es war 21.45 Uhr abends, als die allgemeine Heiterkeit des Oberhausener Karnevals kippte. Ein 26-jähriger Mann hatte mitten auf der Tanzfläche der Oberhausener Kult-Disco "Steffy" seine Reizgasdose gezogen, den Inhalt unkontrolliert in die Menge gesprüht. Über tausend Jecken mussten die Disco verlassen. Dreizehn wurden verletzt. Sieben mussten ins Krankenhaus.
Und die Aktion ist kein Einzelfall.
In Hamburg wurde am 12. Februar der Flughafen für eine Stunde lahmgelegt, nachdem Pfefferspray aus einer weggeworfenen Dose im Mülleimer ausgetreten war. In Mülheim testete ein Mann Ende Januar das Pfefferspray direkt in der Drogerie, in der er es kaufen wollte und sorgte für eine Evakuierung des Einkaufszentrums Forum am Hauptbahnhof.
Seit Januar kam es zudem an drei Schulen in NRW – in Selm, Dormagen und zuletzt in Hattingen – zu Fällen, in denen Kinder und Jugendliche verletzt wurden.
Reizgas in Disko versprüht
Dabei ist die Rechtslage klar: Wer Pfefferspray gegen Menschen versprüht, macht sich der schweren Körperverletzung schuldig. Zudem gefährdet er sich selbst. Deshalb warnen Polizei und Händler vor dem gefährlichen Gas aus der Dose.
"Pfefferspray steigert die Aggressivität"
GdP-Sprecher Wolfgang Schönwald: "Pfeffer- oder auch Tierabwehrspray ist eine riesengroße Gefahr. Auch wenn man sich damit nur schützen will. Zum einen besteht die Möglichkeit, sich mit dem Spray selbst zu verletzten, zum anderen steigert das Spray nach unseren Erkenntnissen auch die Agressivität desjenigen, der eigentlich vertrieben werden soll." So dürfe man nie vergessen, dass der psychologische Aspekt in beispielsweise einer Überfallsituation eine wichtige Rolle spiele. Der Angegriffene habe in den seltensten Fällen eine solche Situation schon einmal erlebt. Dies steigere die Gefahr das Spray falsch zu nutzen oder gar an den Angreifer zu verlieren.
Rechtlich ist die Sache ähnlich kompliziert. Klar ist, dass ein solches Spray ab dem Alter von 14 Jahren erworben werden darf. Der Gebrauch an sich ist aber nur zur Abwehr von Tieren zugelassen. Wird das Spray gegen einen Menschen gerichtet, handelt es sich dabei erst einmal um eine Straftat. Ob es sich, im Falle der Abwehr eines Angriffes, als äußerste Notwehr entpuppt, liegt in der Hand eines Richters.
Kräftige Reizung der Augen möglich
Die Gefahr lauert in der Dose. Im Pfefferspray ist die Substanz Capsaicin enthalten, die etwa 100 Mal schärfer ist als der bekannte Cayenne-Pfeffer. Wenn dieser Wirkstoff in die Luft gesprüht wird, greift er unmittelbar die Augen an. Die Bindehaut schwillt an, Augen röten sich und Tränen setzen ein.
"Nach meiner Kenntnis und Erfahrung ist die Wirkung von Pfefferspray unangenehm und schmerzhaft. Im Vordergrund steht eine kräftige Reizung und Irritation der Augen. Abhilfe schafft eine möglichst umgehende Spülung der Augen, bleibende Schäden treten wohl eher selten auf", betont und beruhigt Dr. Georg Eckert, Pressesprecher des Berufsverband der Augenärzte, der eine Praxis in Senden im Münsterland besitzt.
Juck-Reizungen dauern bis zu einer Stunde
Neben der Reizung der Augen können auch "Juck-Reizungen" am Körper auftreten. „Der Juckreiz kann lange andauern, manchmal bis zu einer Stunde“, erklärt Dr. Hans-Peter Prieur, Hautarzt aus Duisburg, auf Nachfrage. „Es können auch Schwellungen an der Schleimhaut entstehen.“
Allerdings habe er als Dermatologe weitaus seltener Patienten, die ihn nach einer Pfefferspray-Attacke aufsuchen würden. „Für uns ist das ein relativ seltenes Phänomen. Es sind eben eher die Nase und Augen betroffen, und weniger die Haut. Ich kann mich an einen Patienten erinnern, der hatte eine ordentliche Rötung auf der Haut. Aber nach einer Stunde war sie auch wieder weg.“ Das Einatmen von Pfefferspray könne zudem zu Hustenreiz führen, in seltenen Fällen auch zu Atembeschwerden – in der Regel klingen solche Beschwerden aber auch schnell wieder ab.
Deutsche Bahn setzt seit 2010 Pefferspray ein
Auch Mitarbeiter der Deutschen Bahn werden – bereits seit 2010 – mit Abwehrspray ausgestattet. Das Spray diene laut Bahn „seinem Bestimmungszweck nach zur Abwehr von aggressiven Tieren (z.B. Hunden)“. Ein Sprecher erklärt: „Zur Ausrüstung der Sicherheitskräfte haben wir uns entschlossen, nachdem es wiederholt zu vom Tierhalter veranlassten Angriffen von Hunden auf unsere Mitarbeiter gekommen war.“
Die Einsätze des Sprays würden von den Mitarbeitern dokumentiert. „Im vergangenen Jahr haben die etwa 2500 mit Spray ausgerüsteten Mitarbeiter weniger als 20 Mal in extremen Notwehr-Situationen vom Spray Gebrauch gemacht. Demgegenüber stehen allerdings mehr als 1200 Situationen, in denen die Nutzung des Sprays bei einem schweren körperlichen Angriff lediglich angedroht wurde, sich die Situation daraufhin aber entspannt hat“, so der Sprecher.
Pilotprojekt: Bahn will Zugbegleiter mit Pfefferspray ausrüsten
Allerdings dient das Spray neben der Abwehr von Tieren „unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit auch als Einsatzmittel zur Notwehr“, so die Bahn. Die Mitarbeiter würden speziell zu den rechtlichen Grundlagen und der Anwendung des Sprays geschult und trainiert. „Wichtigstes Ziel dabei ist, den Mitarbeitern einen verantwortungsvollen Umgang ohne Gefährdung anderer Personen zu ermöglichen“, sagt ein Bahn-Sprecher.
In den vergangenen Jahren hätten die Angriffe auf Mitarbeiter der Bahn stark zugenommen, auch auf Zugbegleiter. Daher werde derzeit überprüft, ob auch Zugbegleiter mit Abwehrspray ausgerüstet werden können. „Spezialformen des Sprays stellen sicher, dass Unbeteiligte möglichst nicht beeinträchtigt werden. Wenn die Voraussetzungen geschaffen sind, werden wir den Einsatz von Abwehrspray bei Zugbegleitern in einem Pilotversuch testen“, so ein Sprecher. Einen Zeitraum oder Strecken könne die Bahn bislang aber nicht benennen.