Essen. . Radler müssen Radwege benutzen? Das stimmt so nicht. Das Beispiel der Stadt Köln zeigt jetzt: Eine generelle Benutzungspflicht gibt es nicht mehr.

Für Joachim Schalke, Chef des Kölner Fahrradclubs ADFC, ist es ein "Meilenstein in der Verkehrspolitik" seiner Stadt. Denn der dortige Verkehrsausschuss im Rat hat jüngst beschlossen, dass die Stadt Köln es in Zukunft Radfahrern weitestgehend möglich machen soll, auf den Straßen zu fahren - selbst wenn parallel ein Radweg verläuft.

Kann eine Stadt das eigenmächtig entscheiden? Und ist das für Radler nicht viel gefährlicher? Das Beispiel Köln zeigt: Städte müssen diese Regel sogar umsetzen. Und Unfallforscher erklären: Radler sind auf der Straße in vielen Fällen sicherer unterwegs als auf bestimmten Radwegen.

Kein Radweg-Zwang für Radfahrer

Eine allgemeine "Radwegebenutzungspflicht" gibt es nicht mehr. Radler müssen inzwischen nur noch dann den Radweg nutzen, wenn er mit den blauen Radwegschildern markiert ist, erklärt Klaus Kuliga, Vorsitzender des ADFC-Kreisverbands Bochum. Doch selbst dann können Radler auch auf der Straße fahren, "wenn ihnen der Radweg als nicht zumutbar erscheint", etwa wegen Schlaglöchern oder weil Autos darauf parken, sagt Kuliga. Kommt es jedoch dann zu einem Unfall oder schreitet die Polizei ein, muss man als Radler sein Verhalten gut begründen können.

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"Eine Radwegebenutzungspflicht darf nur angeordnet werden, wenn aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Rechtsgutbeeinträchtigung erheblich übersteigt", hat das Bundesverwaltungsgericht bereits im November 2011 entschieden. "Damit hat sich die Rechtslage für die Kommunen komplett gedreht", sagt Klaus Harzendorf, in Köln Chef vom Amt für Straßen und Verkehrstechnik. Die Ratspolitik macht der Verwaltung in Köln nun Druck. Bis dato wurden erst gut ein Fünftel der etwa 500 Kilometer Radwege im Stadtgebiet überprüft: "Der Rest wird jetzt beschleunigt in Angriff genommen", sagt Harzendorf. Das Ziel: wo es nicht zwingend nötig ist, dass Radler wirklich auf dem Radweg fahren müssen, sollen sie auf der Straße fahren können. Die blauen Radwegschilder werden dann abgebaut. Die Radwege bleiben aber erhalten.

Viele Autofahrer kennen die aktuelle Rechtslage nicht

Im Ruhrgebiet ist man schon weiter, sagt Klaus Kuliga vom ADFC in Bochum: "Die Stadt Bochum etwa hat bereits auf vielen Radwegen die Benutzungspflicht abgeschafft". Gleichwohl glaubt man beim ADFC, dass Initiativen wie in Köln sich auch in vielen anderen Städten des Landes noch herumsprechen müssen.

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Von Nils Balke, Thomas Mader und Martin Spletter

Doch auch Autofahrer kennen die Rechtslage vielfach nicht, "dass Radfahrer vielfach auf der Straße fahren dürfen", sagt Siegfried Brockmann, Experte für Unfallforschung beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungen.

Generell gilt: Auf dem Gehsteig ist Radfahren tabu. Ausgenommen davon sind Kinder bis 8 Jahre; sie müssen auf dem Gehweg fahren - und zwar in Schritttempo. Kinder ab dem zehnten Geburtstag müssen auf der Straße fahren, wenn es sonst keinen Radweg gibt. Und wenn auf der Fahrbahn ein Radstreifen markiert ist, muss man den als Radler benutzen. Aber ein rot gepflasterter Radweg auf dem Bürgersteig ohne blaues Radweg-Schild ist für Radler nicht bindend.

Bleibt das Stichwort Sicherheit: Untersuchungen haben gezeigt, dass Radwege nicht in allen Fällen sicherer für Radler sind. "Wenn ein Radweg mehr als zwei Meter von der Fahrbahn weg ist, ist er sogar gefährlicher", sagt Unfallforscher Siegfried Brockmann. Unfallträchtig sind vor allem Kreuzungen und Zufahrten, weil dort Radler leicht übersehen werden. Brockmann: "Der ideale Radweg in punkto Sicherheit ist am Straßenrand - weil sich Auto- und Radfahrer dann besser sehen".

Die Kölner Verkehrspolitiker wollen es Radfahrern unterdessen auch möglich machen, dass sie auch bei roter Ampel rechts abbiegen dürfen - vergleichbar mit dem Grünen Pfeil für Autos. Das würde den Verkehrsfluss beschleunigen und das Unfallrisiko an Kreuzungen senken, meint ADFC-Ortsvorstand Joachim Schalke. Vorbild ist ein Pilotprojekt in Basel. Das aber kann die Stadt Köln selbst nicht entscheiden.