Die Halde Hoppenbruch und die Halde Hoheward bekommen gut ausgeschilderte Trails für Mountainbiker. Die Strecken locken mit anspruchsvollem Terrain.
Ich schaue in den Abgrund. Will ich da hinunter? Will ich diese sieben, acht Meter mit dem steilen Gefälle hinab? Und wenn ja: Ist mir das nicht schon zu Fuß ein bisschen zu gefährlich? Selbst wenn ich gaaanz, ganz vorsichti... „Aaachtung!“ explodiert schräg hinter mir eine Warnung. Einen Sekundenbruchteil später rast ein behelmter, gut gerüsteter, aber scheinbar todesmutiger Mountainbiker mit wehenden Rastazöpfen an mir vorbei und springt über den sogenannten Drop, also einen Vorsprung, in die Leere, bevor er weiter unten am Hügel wieder aufkommt. Ich mag mir nicht vorstellen, wie sich so ein Aufprall, jeder Federung zum Trotz, am Hinterteil angefühlt hat.
Aber die Wahnsinnsfahrt geht weiter, am Fuß des Hügels nur kurz schotterspritzend abgebremst, damit der Fahrer nicht aus der Kurve fliegt, bevor er mit Affenzahn von einem kleineren Hügelchen zum nächsten fliegt, also über ein sogenanntes Double.
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Wer diese Schilderung jetzt als ein bisschen dramatisch zugespitzt empfindet, stand vermutlich noch nie dabei, wenn Downhill-Mountainbiker voll in Aktion sind. Waghalsig, halsbrecherisch, draufgängerisch sind Worte, die mir spontan durch den Kopf schießen. Downhill-Fahrer sind halt harte Hunde. Sage ich. Als Laie. Dabei ist dies noch nicht einmal eine ausgesprochen fordernde Strecke. Sagen die Experten. Aber sie ist das Beste, was man weit und breit findet. Steiler und actionreicher wird es erst in Winterberg.
Völlig legale und gut ausgeschilderte Trails
Hier aber stehen wir auf der Halde Hoppenbruch in Herten, die wie so viele Halden des Reviers, ein Paradies für Mountainbiker ist. Mit dem Unterschied, dass Hoppenbruch und die benachbarte Halde Hoheward ab Sonntag kommender Woche als erste völlig legale und gut ausgeschilderte Trails für Mountainbiker ausweisen. Hoppenbruch einen 4,4 Kilometer langen Enduro-Kurs, der Auf- und Abwärtsstrecken mit drei Downhill-Abschnitten enthält. Hoheward einen Cross-Country-Trail, der auf 6,5 Kilometern nicht ganz so nervenkitzelnd wirkt, aber eine sagenhafte Aussicht über das grüne Ruhrgebiet liefert. Ganz offiziell werden beide betrieben vom Haldenbesitzer Regionalverband Ruhr (RVR), der sich gemeinsam mit der Mountainbiker-Szene vor Ort an einen Tisch gesetzt hat, um ein bestmögliches Ergebnis für alle Haldenbesucher zu erzielen.
Mittlerweile ist der unerschrockene Radspringer zurück von der zu Demonstrationszwecken abgekürzten Strecke. Sein Name ist Moritz Bielsky vom Freerideclub (FRC) Herten und an seinem Fullface-Helm ist eine GoPro-Kamera angebracht. Die Filme, die sie aufnimmt, sehen gewiss aus wie von einer Achterbahnfahrt.
Die Gebirge des Reviers
Bielsky ist nicht alleine. Von den 13 Millionen Mountainbikern deutschlandweit fahren etwa drei Millionen regelmäßig – und wenn man diese Zahl vorsichtig aufs Ruhrgebiet herunterrechnet, sind 150 000 Mountainbiker im Revier unterwegs, wahrscheinlich eher 200 000. Und wo sollten sie fahren, wenn nicht in den Gebirgen des Reviers, also auf den Halden?
Das klingt nach einer Massenbewegung, aber es sind ja nicht alle gleichzeitig am selben Ort unterwegs. Was einerseits ganz beruhigend ist, andererseits eben auch jene Probleme mit sich bringt, die früher zu Reibereien zwischen Wald- und Haldenbesitzern, Passanten und Mountainbikern geführt haben. Deshalb wurde 2003 ein Verein gegründet, der die Strecke auf Hoppenbruch instand hielt – und in dessen Nachfolge 2012 der FRC Herten als Streckenpate getreten ist. Um die Nachbarshalde Hoheward kümmert sich der Rad-Club Buer/Westerholt. „Wir treffen uns hier auch regelmäßig zum Trail-Day, bei dem wir uns um alles auf der Strecke kümmern.
Dabei geht es darum, Erosionsschäden auszubessern – und Müll einzusammeln“, sagt Andreas Kill, stellvertretender Vorsitzender des FRC Herten, der an diesem Tag den Trail mit testet. Die Beschilderung soll auch Spaziergänger schützen. Denn auf ein überraschendes „Aaachtung!“ und einen blitzartig vorbeirauschenden Biker reagieren Ausflügler meist nicht so gelassen. Wenn sie aber wissen: Hier fahren Räder, sind sie gewarnt.
Umwerfende Aussicht übers Ruhrgebiet
Nicht ganz zu vernachlässigen ist auch der touristische Aspekt. Denn wenn schon die Industriekultur so viele Menschen ins Ruhrgebiet verschlägt, wird sie in Verbindung mit Freizeitsport fast unwiderstehlich. Man muss ja bedenken, dass es Mountainbiker gibt, die noch viel weniger Berge haben als wir im Ruhrgebiet, etwa Holländer. Wer von dort kommt und auf dem Weg ostwärts gen Winterberg ist, könnte ja auch kurz Halt machen in Herten. Die Trails auf Hoppenbruch und Hoheward gelten zwar noch nicht als ausgewachsener Bikepark wie im Sauerland, aber Babybikepark kann man sie nennen. Und die Aussicht übers Ruhrgebiet von hier aus ist umwerfend – es muss sich nur noch weiter über die Grenzen des Reviers rumsprechen.
Sinnfälliger als an den Halden von Herten lässt sich Strukturwandel selten demonstrieren: Mancher, der früher auf Zeche Ewald in die Tiefe eingefahren ist und neben Kohle jede Menge Abraum förderte, geht heute auf dem aufgetürmten Abraum seinem Zweirad-Sport nach.