Düsseldorf. . Im NSU-Untersuchungsausschuss werden grobe Fehler der Staatsanwaltschaft deutlich. So sahen Ermittler keine Ansatzpunkte für ein politisches Motiv.

Erinnerungslücken, Ermittlungspannen, grobe Fehler – in der ersten Zeugenvernehmung im NRW-Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der rechtsterroristischen NSU-Anschläge hat die damalige Kölner Staatsanwaltschaft eine schlechte Figur gemacht. Oberstaatsanwalt a.D. Hans-Bernhard Jansen (76) räumte ein, dass er nach dem Sprengstoffanschlag in der Kölner Probsteigasse 2001 keine Ansatzpunkte für ein politisches Motiv gesehen habe. „Sonst wäre der Fall an den Bundesanwalt gegangen.“

„Fremdenfeindlichkeit war kein Thema“

Bei dem Anschlag war die 19-jährige Tochter des deutsch-iranischen Ladenbesitzers am 19.Januar 2001 beim Öffnen einer Christstollendose schwerst verletzt worden, die ein angeblicher Kunde bereits vor Weihnachten 2000 im Geschäft zurückgelassen hatte. Im Ausschuss konnte sich Pensionär Jansen an viele Details der Ermittlungsarbeit nicht erinnern. Zudem sei der „Fall in der Probsteigasse nichts Besonderes gewesen“. Es wurde ermittelt wie in einem normalen Sprengstofffall. „Fremdenfeindlichkeit war kein Thema“, erinnerte sich Jansen. Ein schwerer Irrtum.

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Erst 2011 waren die Anschläge in der Probsteigasse, das schwere Attentat in der Kölner Keupstraße 2004 mit 22 Verletzten und zehn Morde deutschlandweit der rechtsterroristischen NSU zugeschrieben worden. Der Untersuchungsausschuss des Landtags will die Ermittlungsarbeit der Behörden bei den Verbrechen in NRW aufklären. Nicht nur für FDP-Innenexperte Joachim Stamp bleibt es unverständlich, dass die Staatsanwälte bei einem Sprengstoffanschlag auf Ausländer nicht in Richtung Fremdenfeindlichkeit ermittelt hatten. Auch Jansen bezweifelt im Nachhinein, dass „alles so o.K. gelaufen ist“.

19-Jährige war offenbar ein Zufallsopfer

Dass die Ermittlungen bereits fünf Monate nach dem Anschlag in der Probsteigasse eingestellt wurden, hält Jansen heute für „fahrlässig“. Auch dass Beweismittel schon 2006 vom Kölner Staatsanwalt Karl-Heinz Schlotterbeck vernichtet wurden, sei ein „grober Fehler“ gewesen. Zwar hält Zeuge Schlotterbeck die Vernichtung auch heute noch für „angemessen“, weil es damals keine neuen Anhaltspunkte auf mögliche Täter gegeben habe. Der ehemalige Gruppenleiter bei der Kölner Anklagebehörde glaubt, dass die 19-Jährige ein Zufallsopfer war. An einen fremdenfeindlichen Hintergrund habe er nicht gedacht, weil die Probsteigasse keine Einkaufsstraße „für Leute mit Migrationshintergrund“ sei. In die Ermittlungen war Schlotterbeck nicht selbst eingebunden, weil er erst 2003 in die Abteilung für Brand- und Sprengstoffsachen der Staatsanwaltschaft kam.

Dem ermittelnden Kriminalhauptkommissar Edgar Mittler war 2004 aufgefallen, dass die Sprengvorrichtungen in der Probsteigasse und in der Keupstraße ähnlich war. Das habe er der Sonderkommission (Soko) auch geschrieben, erklärte Mittler im Ausschuss. Auch weil es in Köln pro Jahr einen Sprengstoffanschlag gibt, wurden die Taten aber nicht der NSU zugeordnet. Der Leiter der Ermittlungsgruppe „Probst“ verwies zudem darauf, dass der Vater des Anschlagopfers damals „zu 100 Prozent“ ausgeschlossen habe, dass es sich um einen ausländerfeindlichen Anschlag gehandelt habe. Auch der Staatsschutz habe keinen Hinweis gegeben, sagte Mittler. „Wir konnten uns keinen Reim aus dem Anschlag machen.“

SPD-Ausschussprecher Andreas Kositzki kritisierte nach der Ausschusssitzung die „sehr blasse Rolle der Staatsanwaltschaft“. Der CDU-Experte Heiko Hendriks und die Grüne Monika Düker beklagten, dass die Staatsanwälte nicht früher in Richtung Fremdenfeindlichkeit ermittelt hatten. Auch deshalb blieb die NSU mit ihren rechtsextremen Anschlägen so lange unerkannt.