Essen. Die Frauenquote kommt – aber wie weit sind heimische Unternehmen, Städte und Stadttöchter davon entfernt? Wir haben nachgezählt. Und festgestellt: Im Ruhrgebiet gibt's eine Menge Nachholbedarf. In 20 Aufsichtsräten haben wir nur eine einzige Chefin gefunden.

30 Prozent Frauen im Aufsichtsrat. Das haben SPD und Union am Dienstag nach monatelanger Diskussion beschlossen. Zwar fallen nur 108 börsennotierte Groß-Unternehmen unter die Frauenquote (andere müssen sie flexibel selbst bestimmen) – aber dennoch lohnt sich ein Blick in die Aufsichtsräte und Chefetagen des Ruhrgebiets: Wie nah kommen sie der Quote?

Wir haben uns große Unternehmen und Städte aus der Region angeschaut. Ganz gleich, ob sie nun unter die gesetzliche Frauenquote fallen oder nicht. Besonders rosig sieht es in den meisten Aufsichtsräten und Beiräten allerdings nicht aus. Noch schlechter stehen Geschäftsführungen und Vorstände da.

In 25 Unternehmen und Städten, Stadtwerken und Flughäfen, Vereinen und Kliniken mussten wir nach einer Aufsichtsrats-Chefin lange suchen – und wurden nur bei Henkel in Düsseldorf fündig. Hier stehen Frauen ohnehin gut da: Im Aufsichtsrat steht es 9 zu 7. Eine Vorstandsvorsitzende ist uns dagegen nirgends untergekommen.

Nur Henkel sticht beim Frauenanteil heraus

Die Quote (wir sind überall von 30 Prozent ausgegangen) erreichen nur Henkel, die Westfalenhallen Dortmund und die Messe Essen. Bei den Vorständen sticht lediglich die deutsche Rentenversicherung Knappschaft/Bahn/See heraus. In den Dezernaten sieht's in Dortmund, Bochum und Oberhausen ganz gut aus.

UnternehmenSitzAufsichtsrat m/wVorstand/GF m/w
EonDüsseldorf10/26/--
ThyssenKruppEssen17/34/--
HenkelDüsseldorf9/75/1
HochtiefEssen15/14/--
RWEEssen17/34/--
Franz HanielDuisburg11/12/--
EvonikEssen17/34/1
DRV Knappschaft/ Bahn/SeeBochum15/32/1
RAGHerne17/43/--
KarstadtEssen16/42/--
Kaiser's TengelmannMülheim10/62/--
UnternehmenAufsichtsrat m/wVorstand/GF m/w
Stadtwerke Essen13/22/--
Stadtwerke Dortmund16/43/--
Stadtwerke Herne16/21/--
Flughafen Dortmund13/31/--
Messe Essen13/11/--
Westfalenhallen Dortmund7/32/1
Uniklinik Essen8/44/1
FC Schalke 0411/--3/--
Borussia Dortmund6/--2/--
StadtOB und Dezernenten m/w
Essen6/1
Dortmund3/3
Oberhausen4/2
Duisburg6/1
Bochum4/3

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Welche Unternehmen sind betroffen? Fakten zur Frauenquote: 

Die Führungsetagen in deutschen Großunternehmen werden weiblicher. Nach der Verständigung im Koalitionsausschuss von Union und SPD über letzte strittige Punkte soll der Gesetzentwurf zur Frauenquote am 11. Dezember vom Kabinett verabschiedet werden. Das Gesetz baut auf drei Säulen:

1. 30-Prozent-Quote für Aufsichtsräte von Großunternehmen

Bei Neuwahl von Aufsichtsräten voll mitbestimmungspflichtiger sowie börsennotierter Unternehmen gilt ab 2016 eine Frauenquote von mindestens 30 Prozent. Betroffen sind davon 108 Großunternehmen mit jeweils über 2000 Mitarbeitern sowie zusätzlich 6 Konzerne, die nach europäischem Recht (SE) organisiert sind - wie etwa die Allianz, der Axel Springer-Verlag oder die BASF. Die Quote wird erstmals wirksam bei Nachbesetzungen, später dann bei turnusgemäßer Neuwahl des gesamten Aufsichtsrates. Wird die Quote nicht erreicht, bleiben die entsprechenden Stühle im Aufsichtsrat frei. Ausnahmen oder eine Härtefallregelung gibt es für diese Unternehmen nicht.

2. Flexi-Quote für börsennotierte/mitbestimmungspflichtige Unternehmen

Rund 3500 börsennotierte oder mitbestimmungspflichtige Unternehmen werden bereits ab 2015 verpflichtet, sich auf verbindliche Zielgrößen für die Erhöhung des Frauenanteils im Aufsichtsrat, Vorstand und in den obersten Management-Ebenen festzulegen. Die Zielgröße muss höher sein als der Ist-Zustand. Die ersten Zielgrößen müssen noch innerhalb dieser Wahlperiode (bis 2017) erreicht werden und dürfen nicht nachträglich gesenkt werden.

Über die Entwicklung ist nach der ersten Bestandsaufnahme 2017 künftig alle fünf Jahre zu berichten - und zwar im regulären Lagebericht laut Handelsgesetzbuch. Sanktionen bei einem Rückfall unter die bisherige Frauenquote sind nicht vorgesehen. Die Koalition setzt hier auf öffentlichen Druck. Unter diese Regelung fallen Großunternehmen, die der Mitbestimmungspflicht unterliegen, aber auch kleinere Unternehmen ab 500 Mitarbeitern, sofern sie börsennotiert sind.

3. Frauenquote für öffentliche Unternehmen des Bundes

Die Quote sowie die Regelungen zur Frauenförderung gelten auch für öffentliche Unternehmen des Bundes (wie etwa die Bahn) und auch für Mandatswahlen zu Aufsichts- oder Entscheidungsgremien im Einflussbereich des Bundes. Dazu muss das Bundesgleichstellungsgesetz wie auch das Gremienbesetzungsgesetz des Bundes geändert werden. (dpa)