Berlin. Nach einem Temperatursturz im Gesprächsklima haben Union und SPD zumindest eine Einigung beim Spitzentreffen im Kanzleramt erzielt. Große Unternehmen müssen ab 2016 eine gesetzliche Frauenquote von 30 Prozent einhalten. Ob die Harmonie in der Koalition hält, muss sich aber noch zeigen.
Die größten deutschen Unternehmen müssen sich auf eine gesetzliche Frauenquote von 30 Prozent vom Jahr 2016 an einstellen. Die Spitzen der großen Koalition zurrten nach wochenlangem Streit am späten Dienstagabend bei einem Treffen im Kanzleramt letzte Details für das Quoten-Paket fest.
Nach den koalitionsinternen Rempeleien der vergangenen Tage unter anderem zwischen CSU-Chef Horst Seehofer und dem SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel betonten Teilnehmerkreise, bei dem Treffen habe bei Ente, Gemüse und Rösti eine konstruktive Atmosphäre geherrscht.
"Ein guter Tag geht zu Ende"
Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) zeigte sich nach den knapp viereinhalbstündigen Verhandlungen der Partei- und Fraktionschefs erleichtert. "Ein guter Tag geht zu Ende. #Frauenquote kommt. Freue mich", schrieb sie am Mittwochmorgen im Kurznachrichtendienst Twitter. Es wurde erwartet, dass sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Mittwoch in der sogenannten Generaldebatte über den Kanzleretat im Bundestag zu den Ergebnissen des Koalitionstreffens äußert.
Bei der gesetzlichen Frauenquote soll knapp ein Drittel der Aufsichtsratsposten in gut 100 börsennotierten Unternehmen von Frauen besetzt sein. Dabei soll es nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur keine Ausnahmen geben. Das Kabinett wolle das Gesetz am 11. Dezember verabschieden, hieß es in einer Erklärung. Zudem wollen Union und SPD die Flüchtlingshilfe des Bundes aufstocken.
Quote gilt auch für öffentliche Unternehmen
Bei der Quote bleibt es nach der Entscheidung der schwarz-roten Spitzenpolitiker bei den von Schwesig und ihrem Justizkollegen Heiko Maas (beide SPD) vorgesehenen Sanktionen gegen die rund 100 betroffenen Unternehmen, die die Quote unterschreiten. Sollten die Firmen die Posten nicht ausreichend mit Frauen besetzen, bleiben die Stühle leer. Die Quote gilt auch für öffentliche Unternehmen.
Aus der CSU hieß es, wichtig sei, dass bei der flexiblen Quote für weitere 3500 größere Unternehmen (Gesellschaften mit beschränkter Haftung) auch ein Unterschreiten zuvor festgelegter Mindestquoten nicht dazu führe, dass der jeweilige Stuhl leer bleiben muss. CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt sagte, es sei "ein guter Kompromiss, der unseren wichtigsten Bedenken Rechnung trägt".
Daneben ging es in der Spitzenrunde um weitere Themen
Flüchtlinge: Die SPD will in den nächsten Wochen durchsetzen, dass der Bund Städten und Gemeinden mit bis zu einer Milliarde Euro bei der Unterbringung und den Gesundheits- sowie Bildungskosten für die nach Deutschland vor Krieg und Gewalt geflüchteten Menschen hilft. Nach dem Treffen wurde betont, man wolle die Länder substanziell unterstützen. Eine konkrete Summe wurde aber nicht genannt.
Bürokratieabbau: Die Koalition will die Wirtschaft stärker als bisher von Bürokratie entlasten. Dies gelte besonders für Start-ups und Unternehmensgründer, die in den ersten drei Jahren von Melde- und Informationspflichten befreit werden sollten. Zur Vermeidung neuer Bürokratie sollen generell Belastungen in gleichem Maße abgebaut werden, wie sie durch Regelungsvorhaben anderweitig neu entstehen. Das Kabinett will das noch in diesem Jahr auf den Weg bringen.
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Klima: Das Ziel von 40 Prozent weniger Treibhausgasemissionen bis 2020 (im Vergleich zu 1990) soll eingehalten werden. Da es derzeit nur auf maximal 35 Prozent hinaus läuft, soll wie geplant am 3. Dezember ein Klimaschutzaktionsprogramm beschlossen werden. Es soll Einsparungen in allen Bereichen geben, von Landwirtschaft, Verkehr, im Bereich Energieeffizienz bis hin zu fossilen Kraftwerken. Gabriel will bei Kraftwerken jährlich 4,4 Millionen Tonnen CO2 einsparen.
Investitionspaket: Erstmals seit 1969 soll es 2015 einen Haushalt ohne neue Schulden geben. Wie von Finanzminister Wolfgang Schäuble angekündigt, sollen dennoch 2016 bis 2018 zehn Milliarden Euro zusätzlich für Investitionen bereitstehen. "Über die Verwendung der Mittel wird im Zusammenhang mit der Aufstellung der Eckpunkte für den Haushalt 2016 entschieden", betonten die Koalitionsspitzen. (dpa)