Berlin. Scheidung trotz Kindern: Eine Psychologin erklärt, was es zu bedenken gilt – und wie Trennungskinder später glückliche Beziehungen führen.
Immer wieder dieselben Diskussionen, kaum noch Gemeinsamkeiten und keine Gefühle mehr für den Partner oder die Partnerin. Viele Paare denken in derartigen Situationen über eine Trennung nach. Doch wenn die Liebe, die einen einst zusammengebracht hat, im Laufe der Jahre irgendwo zwischen Wäschebergen und Kinderbetreuung verloren gegangen ist, sieht das schon anders aus. Sind gemeinsame Kinder im Spiel, beeinflusst das häufig die Trennungsentscheidung. Oft wird eine unglückliche Beziehung sogar der Kinder wegen noch über Jahre hinweg aufrechterhalten – teils bewusst so lange, bis diese aus dem Haus sind.
In Deutschland wird statistisch jede dritte Ehe geschieden. Wie viele unverheiratete Paare sich trennen, wird nicht erfasst. Rund die Hälfte der im Jahr 2023 geschiedenen Ehepaare hatte laut Statistischem Bundesamt minderjährige Kinder. Insgesamt waren 2023 etwa 109.600 Minderjährige von der Scheidung ihrer Eltern betroffen.
Psychologin: Dieser Gedanke kann bei einer Trennung entlastend sein
Viele Eltern, die sich über eine mögliche Trennung Gedanken machen, fühlen sich ihren Kindern gegenüber schuldig. „Ich trenne mich von meinem Partner, nicht von meiner Familie“, sagt Yvonne C. Beuckens. Sie ist Diplom–Psychologin aus Bad Nauheim. „Für viele Eltern ist es eine Entlastung, sich das klarzumachen.“
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Schuldgefühle findet sie falsch. „Man hat eine Verantwortung, seine Beziehungen gut zu gestalten und wenn man alles getan hat, was in seiner Macht steht, dann muss man irgendwann daraus Konsequenzen ziehen“, erklärt Beuckens. „Man übernimmt Verantwortung, wenn man auf das Wohl der Kinder achtet und sich um seine eigenen verletzten Gefühle kümmert – wenn es nötig ist, auch professionell.“
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Einige Eltern fürchten zudem, dass sie mit einer Trennung ihren Kindern nachhaltig schaden und so Einfluss auf deren spätere Beziehungen nehmen könnten. Diesbezüglich gibt die Expertin Entwarnung, denn Kinder lernen am Vorbild. „Sie lernen an der Kommunikation der Eltern, was sie später selbst von Beziehungen erwarten dürfen“, so Beuckens. „Das heißt, wenn ich den Kindern was mitgeben möchte, dann sicherlich nicht eine unglückliche Ehe als Blaupause dafür, wie sie später selbst ihre Beziehungen gestalten.“
Gedanken an Trennung? Das sollten Eltern tun
Steht eine Trennung im Raum, empfiehlt sie „noch mal alles zu versuchen“. Konkret bedeutet das, mit dem Partner oder der Partnerin über die unerfüllten Bedürfnisse zu sprechen. „Das bedeutet aber auch, mit sich selbst in Kontakt zu bleiben und zu schauen, ob die eigenen Baustellen dazu führen, dass man das Gefühl hat, sich trennen zu wollen und vielleicht aufgelöst werden können“, so Beuckens. „Wenn wichtige Lebensentscheidungen und Veränderungen anstehen, kann es generell hilfreich sein, zu Therapeuten zu gehen, damit solche Prozesse bestmöglich begleitet werden.“
Das alles bedeutet nicht, dass die Kinder bei all den Überlegungen keine Rolle spielen sollten – ganz im Gegenteil. Auch ihre Bedürfnisse sollten im Fokus stehen. „Sobald es nicht mehr möglich ist, die Kinder großzuziehen, ohne ständig vor ihnen zu streiten und sie dauernd die Spannungen und offenen Machtkämpfe der Eltern miterleben müssen, ist es besser, sich zu trennen“, sagt die Psychologin. Ein solches Umfeld ist für Kinder enorm belastend. Dann seien die Kinder oft sogar froh und erleichtert, wenn sich die Eltern trennen, so die Expertin.
Scheidung der Eltern: Das bedeutet eine Trennung für Kinder
Kommen Eltern letztlich zu diesem Entschluss, hat aber natürlich auch das Folgen für die Kinder. „Wie jede große Veränderung – etwa ein Schulwechsel oder ein Umzug ist das für Kinder eine große Belastung“, sagt Beuckens. Psychisch werde es den Kindern erst einmal schlechter gehen, sie bräuchten Unterstützung dabei, sich an die neue Situation anzupassen.
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Doch Eltern sollten auch bedenken, dass es zum Leben dazu gehöre, dass Dinge passieren, die man nicht unter Kontrolle habe. „Kinder können daraus lernen, mit solchen Situationen umzugehen und ihre Gefühle zu navigieren“, so die Psychologin. „Eine Trennung ist deshalb nichts, was Eltern ihren Kindern nicht zumuten könnten.“
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Um möglichst wenig Schaden bei den Kindern auszulösen, spielt die Kommunikation eine entscheidende Rolle. „Es ist sinnvoll, eine Trennung gut vorzubereiten und zu begleiten“, sagt Beuckens. „Wenn die Eltern ein gutes Team bilden, die Kinder nicht in ihre Konflikte mir hineinziehen und es ihnen selbst schnell wieder gut geht, sind nach aktuellem wissenschaftlichen Stand für die Kinder mittelfristig und langfristig keine negativen Folgen zu erwarten.“ Sprich: Trennungskinder, deren Eltern Vorbilder waren und sie gut begleitet haben, können später selbst gesunde Beziehungen führen.
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Das sollten Eltern bei einer Trennung beachten
Doch wie sollten sich Eltern konkret verhalten, um eben dieses gute Vorbild für ihr Kind oder ihre Kinder zu sein? Die Expertin hat dafür sieben Tipps:
- Als Team auftreten: Es sei wichtig, dass die Eltern gemeinsam mit den Kindern über die Trennung sprechen.
- Ohne Schuldzuweisungen auskommen: „Es ist wichtig, den Kindern zu sagen, dass man sie liebt und sie nicht verantwortlich für die Trennung sind“, sagt Beuckens. „Weil Kinder häufig denken, dass sich die Eltern trennen, weil sie etwas falsch gemacht haben, werden die Kinder so entlastet.“ Bei kleineren Kindern könnten außerdem Bilderbücher zum Thema beim Verarbeiten helfen.
- Den Trauerprozess normalisieren: „Es kann auch helfen, wenn die Eltern ihre eigenen Gefühle kindgerecht benennen und beschreiben und beispielsweise sagen, dass sie auch traurig sind“, erklärt Beuckens.
- Den Trauerprozess zulassen: Kinder würden ihre Gefühle oft sprunghaft verarbeiten. „Mal sind sie sehr traurig, in der nächsten Minute ist das schon ganz anders“, so die Psychologin. „Kinder dürfen trauern, wenn sie das möchten. Ein gesunder Trauerprozess bedeutet nicht, dass man zeitnah nicht mehr traurig ist, sondern dass man auch wieder froh ist.“
- Neue Strukturen schaffen: Dabei sei es wichtig, dass diese verbindlich seien, sodass die Kinder sich darauf verlassen können.
- Wohnsituation schnellstmöglich verändern: „So können sich die Kinder ein neues Zuhause schaffen, das sie im besten Fall mitgestalten können“, erklärt die Psychologin.
- Trennung nach außen kommunizieren: Wichtig sei es zudem auch, mit Kindergärten und Schulen zu sprechen und dort Bescheid zu geben, dass gerade eine Veränderung anstehe. „So können die unterstützen und wissen auch ein gegebenenfalls verändertes Verhalten zu deuten“, sagt Beuckens.
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