Berlin. Auch Paartherapeuten haben Probleme. Doch Gisbert Straden und seine Frau haben bestimmten Fehler vermieden, der oft zu Trennung führt.
Paare durchlaufen, früher oder später, alle sechs Phasen einer Beziehung, auch wir – obwohl wir als Therapeuten diese Entwicklung kennen. Wie bei jedem anderen Paar war sie auch bei uns irgendwann da: die Phase der Ernüchterung. Wir schlugen auf dem Boden der Wirklichkeit auf. Wir büßten die rosarote Brille ein. Wir verklärten nicht länger den Alltag.
Diese Phase tritt in der Regel nach ungefähr zwei Jahren in jeder Beziehung auf. Nach Erkenntnissen von Michael Rosenfeld, der an der Stanford Universität lehrt, liegt die Trennungsrate im ersten Jahre bei über 70 Prozent, und zwar unabhängig davon, ob es sich um ein hetero- oder ein homosexuelles Paar handelt.
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Im fünften Jahr sinkt dann die Trennungsquote laut Rosenfeld auf ungefähr 20 Prozent. Von diesem Zeitpunkt an verringert sich das Risiko einer Trennung mit jedem weiteren Jahr, bis die Marke von rund 20 Jahren erreicht wird. Die Trennungsquote pendelt sich in dieser Spanne bei annähernd fünf Prozent ein (homosexuelle Paare) und 10 Prozent (heterosexuelle Paare).
Gründe für Trennung: Im Kern gibt es zwei Probleme
Natürlich sind die Gründe, weshalb Menschen sich trennen, immer vielschichtig. Im Kern handelt es sich um zwei Probleme: Da ist der Mangel an empfundener Intimität oder innerer Verbundenheit – den Paaren fehlt plötzlich die „soziale Belohnung“ für ihr Verhalten, wie Psychologen dazu sagen. Und da ist das Gefühl, vom Partner jetzt zurückgewiesen oder nicht mehr in seiner Eigenheit akzeptiert zu werden – jetzt fühlen wir uns „sozial bedroht“, so der Fachbegriff.
Bei uns kam in der Phase der Ernüchterung das Gefühl auf, dass wir einander nicht mehr so akzeptierten, wie wir waren. Die neugierige Anpassung an den Partner, das liebevolle Hinwegsehen über Marotten ließ allmählich nach. Wir mussten einsehen, dass der Alltag seine Logik besitzt und die Ernüchterung uns umfasste.
Es dauerte einige Wochen und Monate und bedurfte unerfreulicher Auseinandersetzungen, bis wir bemerkt hatten, was gerade mit uns passierte. Gott sei Dank stand bei uns nie die Frage der Trennung im Raum – auch wenn wir dies häufig in unserer Praxis bei vielen Paaren beobachten.
Stress in Beziehung: Einen Fehler unbedingt vermeiden
Wir haben glücklicherweise nicht den Fehler begangen, an unserer Liebe und an der Grundlage unserer Beziehung zu zweifeln. Wir haben nach und nach verstanden, dass es nun unsere Aufgabe ist, mit dieser Veränderung zu leben und zu lernen, damit umzugehen. Da wir in der Theorie bewandert sind, waren wir praktisch ein bisschen auf die Phase der Ernüchterung vorbereitet.
Dabei hilft es immer, miteinander zu reden, auch wenn es nicht leichtfällt. Da in dieser Phase die Bedürfnisse auseinander fallen, ist es besonders wichtig, nicht in Schweigen zu verfallen, sondern darüber ins Gespräch zu kommen. Wir mussten lernen, Verständnis für die Sicht des anderen aufzubringen. Auch mussten wir lernen, Regeln im Umgang mit unseren verletzlichen Seiten aufzustellen, die aus der Vergangenheit oder sogar der Kindheit rühren.
Die Beschäftigung mit diesen Problemen hat uns das Durchstehen der Ernüchterungs-Phase erleichtert. Was bleibt, ist das Wissen und die Überzeugung, dass sich die Gespräche über das, was unser Innerstes berührt, jederzeit lohnen. Sie sind das Salz in der Suppe. Sie können die Beziehung stärken und auch jeden einzelnen Partner.
Beziehungstipp: Kleine Gesten mit großer Wirkung
Auch wir haben gelernt, uns gegenseitig mehr zu öffnen und mehr aus der eigenen Gefühlswelt zu erzählen. Zum Beispiel:
- ewige Geschichten, die uns begleiten, oder
- Glaubenssätze, die uns prägen und Bedeutung für unsere Beziehung haben
So sind wir – hoffentlich – durch das bewusste Durchleben der Phase der Ernüchterung zusammengewachsen, anstatt auseinander zu treiben.
Die Untersuchungen von Michael Rosenfeld belegen auch, dass von den antagonistischen Kräften, der Mangel an empfundener sozialer Belohnung von größerer Bedeutung ist als die empfundene soziale Bedrohung. Ob es nun eine kleine Liebeserklärung ist, ein Zettel am Kühlschrank oder ein Lächeln – in der Beziehung zwischen zwei Menschen gibt es zahlreiche Gesten, die die Zweisamkeit manifestieren und das Paar stärken.
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Gerade die kleinen alltäglichen Gesten registrieren Gehirn und Körper als wohltuend. Nach einer Studie des Jelouschek Instituts in Freiburg sind 27,6 Prozent aller empfundenen Verletzungen und Kränkungen im alltäglichen und 21,7 Prozent in Rückzug und mangelnder Kommunikation der Partner begründet.
Beziehungsprobleme: Als Partner für bestimmte Hormone sorgen
Gerade in schwierigen Phasen der Beziehung fällt es uns erstaunlicherweise leichter, große Gesten – die Einladung in ein teures Restaurant, ein Konzertbesuch oder ein aufwändiges Geschenk – zu machen. Es sind aber gerade die kleinen Zeichen, die dafür Sorge tragen, dass unser neuronales Liebesnetzwerk wächst und gedeiht.
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Unsere Bindung wird gefestigt, weil unser Gehirn unserem Körper beständig signalisiert, Dopamin, Oxytocin und Endorphin auszuschütten. Diese Hormone sind der Kitt in Beziehungen und in komplizierten Phasen entscheidend für das Zusammenbleiben. Ohne soziale Belohnungen kann es mit der Beziehung nur bergab gehen.
Stress in Beziehung: Krise nicht immer eine Gefahr
Dass wir nach der ersten Verliebtheit auf den Boden der Wirklichkeit zurückgeholt werden, ist überaus normal und nicht unbedingt ein Zeichen dafür, dass die Beziehung grundsätzlich in der Krise steckt. Vielmehr tritt das Paar in die nächste Phase ein und entwickelt sich weiter.
Gisbert Straden & Andrea Katz
Genau wie seine Frau Andrea Katz ist Gisbert Straden ausgebildeter Paar- und Sexualtherapeut. Zuvor war er als Dozent für Wirtschaftspsychologie tätig. Gemeinsam mit seiner Frau, die hauptberuflich als Lehrerin arbeitet, betreibt er die Praxis „Von Paar zu Paar“ in Berlin. In ihrer Beziehungskolumne „Wie Katz und Straden“ beleuchten sie gemeinsam Beziehungsprobleme und suchen nach Lösungen – sowohl aus der Perspektive erfahrener Therapeuten als auch aus ganz persönlicher Sicht, mit eigenen Konflikten und Herausforderung in der Beziehung.
Es verhält sich wie Satelliten auf einer Umlaufbahn: Diese ist nicht kreisförmig und hält zu jedem Zeitpunkt denselben Abstand zum Planeten. Eher verläuft die Bewegung elliptisch. Mal sind sich die Partner näher, mal driften sie auseinander. Wenn aber das Magnetfeld stark genug ist, behält die Beziehung ihre Anziehungskraft.
Auch wir mussten ernüchtert feststellen, dass wir gelegentlich Abstand voneinander suchten. Aber das sichere Wissen, dass wir uns zurecht füreinander entschieden hatten, führte dazu, dass die Zettelchen wieder Einzug in unsere Beziehung hielten. Wir hatten die Welle durchtaucht.