Berlin. Gerade bei Langzeitpaaren kann Sex zum Problem werden. Ein Paartherapeut und eine Schlafexpertin raten zu Anpassungen im Schlafzimmer.
Langjährige Beziehungen zeichnen sich oft durch eine tiefe emotionale Bindung und Vertrauen aus. Mit der Zeit kann sich allerdings die Leidenschaft verändern: Die anfängliche Aufregung und das Verlangen lassen nach, und auch die Lust auf Sex sinkt. Dahinter stecken Alltagsbelastungen, beruflicher Druck oder die Verantwortung als Eltern. Doch es gibt einen weiteren Aspekt, den Paare oft unterschätzen und leicht beeinflussen können.
So kann US-amerikanischen Forschenden zufolge auch das Schlafverhalten zu schwindender Lust führen und Paaren die Energie aus den Bettlaken nehmen. Phyllis Zee ist leitende Schlafmedizinerin an der Northwestern University und rät Paaren dazu, ihre Schlafgewohnheiten zu beobachten. Aber: Mehr Schlaf allein reicht nicht immer aus – vor allem bei Langzeitpaaren.
Forscher: Wer schlecht schläft, hat weniger Lust auf Sex
Wie bei vielen Problemen steht am Anfang das eigene Eingeständnis: Viele Paare würden mangelnde Lust in ihren Beziehungen zu leicht akzeptieren, sagt Zee gegenüber CNN. Sie ermahnt dazu, sexuelle Probleme nicht einfach auf das fehlende Interesse des Partners, das höhere Alter oder die Müdigkeit zu schieben. „Beobachten Sie sich, Ihre Schlafgewohnheiten und die Ihres Partners“, so die Expertin.
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Laut der Ärztin steht schlechte Schlafqualität in direkter Verbindung mit einem Mangel an Sexualhormonen wie Testosteron. „Sowohl bei Männern als auch bei Frauen hängt der Sexualtrieb mit Testosteron zusammen“, so die Expertin. Der Grund: Testosteron steigert die Libido.
Doch welche Rolle spielt dabei der Schlaf? „Der Testosteronspiegel steigt um etwa 3 oder 4 Uhr an und erreicht seinen Höhepunkt am Morgen“, erklärt Zee weiter. Bei einem ausgewogenen Schlaf-Wach-Rhythmus läuft die Hormonproduktion des Körpers nachts auf Hochtouren. Bei Schlafstörungen, so Zee, sinke sie dagegen.
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Gesundheit und Sex: Zu wenig Schlaf legt den gesamten Körper lahm
Das zeigen auch Forschungen. So verdeutlicht eine Studie der Menopause Society aus dem Jahr 2017, dass Frauen über 50 mit weniger als sieben bis acht Stunden pro Nacht seltener Sex hatten als jüngere Frauen mit ausreichend Schlaf. Besonders auffällig: Bei Frauen über 70, die nachts weniger als fünf Stunden schliefen, nahm die sexuelle Aktivität gegenüber Frauen mit sieben bis acht Stunden Schlaf um rund ein Drittel ab.
Auch bei Männern sind Schlafqualität und sexuelle Lust eng miteinander verbunden. Eine Studienanalyse aus dem Jahr 2021 ergab, dass Männer mit Schlafmangel einen niedrigeren Testosteronspiegel hatten. Ein anderes Forschungsteam fand zudem heraus, dass Männer mit Schlafstörungen neben dem niedrigeren Testosteronspiegel auch höhere Mengen des Stresshormons Cortisol produzierten. Ist die Cortisolausschüttung über längere Zeit erhöht, kann sich das zusätzlich negativ auf die Libido auswirken.
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Diese Tipps können Paare bei der Schlafhygiene unterstützen
Wer einen guten und erholsamen Schlaf zur Priorität macht, kann also sowohl sein Sexualleben als auch seine Gesundheit deutlich verbessern. Schlaf-Expertin Zee empfiehlt: „Hören Sie auf zu arbeiten und bereiten Sie sich auf Entspannung vor.“ Dazu gehöre auch, eine Stunde vor dem Schlafengehen auf geistige Anstrengung zu verzichten.
Weitere Tipps für einen gesunden Schlaf:
- Halten Sie das Schlafzimmer kühl und dunkel: Die optimale Schlafzimmertemperatur liegt zwischen 16 und 19 Grad, Fernseher und Smartphones sollten aus dem Raum verbannt werden.
- Vermeiden Sie etwa drei Stunden vor dem Schlafengehen größere Mahlzeiten für einen besseren Schlaf: Dazu gehört auch Alkohol, der zu vermehrten Weckreaktionen führen und die Tiefschlafphasen reduzieren kann.
- Achten Sie auf genügend Schlaf: Eine Online-Umfrage aus dem Jahr 2015 deutete darauf hin, dass schon eine zusätzliche Stunde Schlaf eine bessere Libido und Vaginalfeuchtigkeit bei Frauen bewirken kann.
- Hören Sie beruhigende Musik, machen Sie Yoga oder meditieren:. Mentale Entspannungstechniken aktivieren den Parasympathikus und senken Stresshormone. Studien des Max-Planck-Instituts zeigen, dass Meditation den Cortisolspiegel um bis zu 50 Prozent reduzieren kann. Auch ein warmes Bad oder eine heiße Dusche unterstützen den Schlaf.
Der positive Nebeneffekt: Sex und Schlaf unterstützen sich gegenseitig. „Sex ist tatsächlich gut für den Schlaf“, betont Paartherapeut Ian Kerner. So fahre der Körper beim Sex in einen natürlicheren Fluss und schalte Sorgen und Ängste eher ab. Dabei fördere guter Sex die Nachtruhe zusätzlich: „Orgasmen setzen schlaffördernde Hormone und Neurotransmitter frei“, so der Experte.
Schlafprobleme: Bei diesen Symptomen hilft Expertenrat
2022 litten laut einer Umfrage der Barmer-Krankenkasse rund sechs Millionen Menschen in Deutschland an Schlafstörungen – ein Problem, das erhebliche Auswirkungen auf die sexuelle Gesundheit haben kann. Besonders die obstruktive Schlafapnoe, bei der die Atmung mehrmals pro Stunde aussetzt, steht in engem Zusammenhang mit Erektionsstörungen bei Männern und Sexualstörungen bei Frauen.
Weitere häufige Symptome der Schlafapnoe sind Schnarchen, Nachtschweiß, Zähneknirschen und morgendliche Kopfschmerzen. Wachen Betroffene nachts auf und haben Schwierigkeiten, wieder einzuschlafen, ist dies ein weiteres Anzeichen für Schlafapnoe. Wenn Sie eines oder mehrere dieser Symptome bei sich selbst feststellen, ist es ratsam, einen Schlafspezialisten zu konsultieren, um mögliche Ursachen zu klären und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.
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Schlechter Schlaf beeinträchtigt außerdem den Blutkreislauf und erhöht bei beiden Geschlechtern das Risiko für Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Diese gesundheitlichen Beeinträchtigungen beeinflussen nicht nur das allgemeine Wohlbefinden, sondern auch die sexuelle Funktion. Wie sich Herzprobleme auf das Sexleben auswirken können, lesen Sie hier.
Abends nicht müde? Das könnte genetisch bedingt sein
Mehr Schlaf führt aber nicht automatisch zu mehr Sex. Menschen mit einem gestörten zirkadianen Rhythmus erleben mehr Probleme bei der Produktion von Sexualhormonen und sind insgesamt anfälliger für gesundheitliche Beeinträchtigungen. Der zirkadiane Rhythmus ist die innere Uhr des Körpers, die in einem 24-Stunden-Zyklus wichtige Funktionen und Prozesse steuert.
Besonders Schichtarbeiter mit unregelmäßigen Arbeitszeiten tragen ein erhöhtes Risiko für chronische sexuelle Funktionsstörungen. Das betrifft sowohl Männer als auch Frauen. Auch der sogenannte Chronotyp ist in diesem Zusammenhang wichtig: Der Schlaftyp bestimmt, ob Menschen eher Früh- oder Spätaufsteher oder sogar eine Mischform davon sind.
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Schlafexpertin Zee rät dazu, diese individuelle Neigung in einer Partnerschaft zu berücksichtigen: Denn haben Partner ungleiche Schlafchronotypen, kann dies das Sexualleben auch mit viel Schlaf negativ beeinflussen. So sollen Paare mit ähnlichen Schlaftypen in der Regel eine bessere Schlafqualität und ein erfüllteres Sexualleben genießen. „Wer sich unsicher ist, sollte online einen Test durchführen“, so Zee.
Für mehr Sex: Expertin erklärt, wie Sie Ihren Schlaftyp verändern
Der Chronotyp ist größtenteils genetisch bedingt, kann sich im Laufe des Lebens aber verändern. So gibt es Möglichkeiten, den Schlafrhythmus zu steuern und an den Schlaftyp des Partners anzupassen. Neigt etwa ein Partner dazu, spät ins Bett zu gehen, kann er beispielsweise das Licht früher dimmen, um die Produktion des Schlafhormons Melatonin anzuregen. Dies fördert einen früheren Schlaf.
Wer morgens länger schläft als sein Partner, sollte dagegen helles Licht zum Wachwerden nutzen. „Helles Licht ist der beste Neustart für das zirkadiane System“, erklärte Zee in einem früheren Interview mit CNN. Das morgendliche Licht habe sowohl auf zellulärer als auch molekularer Ebene Einfluss auf den Körper, so die Schlaf-Expertin: „So kurbeln Sie all Ihre Rhythmen früher an – sei es der Schlaf, der Blutdruck, die Herzfrequenz oder der Cortisolrhythmus.“
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Paartherapeut: Das sollten Langzeitpaare für mehr Sex tun
Gerade Langzeitpaare sollten sich allerdings nicht darauf verlassen, dass die Libido bei ausreichend Schlaf wie von alleine zurückkommt. Die Erklärung dafür ist banal, wie Paartherapeut Kerner zeigt: „Viele Leute denken, Sex sei spontan und organisch, und sexuelle Chemie und Feuerwerke sollten einfach passieren“, sagt er. „Das stimmt in Langzeitbeziehungen absolut nicht. Guter Sex muss, genau wie guter Schlaf, geplant werden.“
In seiner Arbeit rät Kerner Paaren zu sogenannten Bereitschaftsfenstern für Intimität. „Das muss nicht unbedingt zu Sex führen“, so der Experte. „Es können auch nur 15 Minuten Küssen oder Herumalbern sein, um sich aufzuwärmen und zu sehen, wie es weitergeht.“ Das wichtigste Ziel seien die Wertschätzung und die Erinnerung daran, dass Sex ein wichtiger Teil des gemeinsamen Lebens sei.
Der Paartherapeut vergleicht Sex dabei eher mit einem Dimmer als einem Lichtschalter, der sich einfach ein- und ausschalten lässt. So sind sowohl beim Sex als auch beim Schlaf eher die Gewohnheit und Ausdauer als schnelle Ergebnisse wichtig. Oder wie Kerner es beschreibt: „Jede gemeinsame Erregung und jeder Flirt ist ein positiver Schritt in Richtung zukünftiger sexueller Ereignisse.“