Berlin. Erfülltes Liebesleben trotz Herzproblemen: Ein Kardiologe nennt Sex-Zeitplan, gibt Sicherheitstipp und warnt vor bestimmtem Medikament.

  • Sex und Herzprobleme – passt das zusammen
  • Ein Experte erklärt, was Betroffene beachten sollten
  • Mit seinen Tipps ist ein erfülltes Liebesleben weiterhin möglich

Das Herz will nicht mehr so wie früher? Gemeint ist nicht die Liebe, sondern das Herz-Kreislauf-System. Probleme damit können eine Beziehung stark beeinflussen. Gerade nach einem Herzinfarkt oder einer Herz-OP seien viele Betroffene verunsichert und ziehen sich teils emotional, insbesondere aber körperlich zurück, wie die Deutsche Herzstiftung gegenüber dieser Redaktion bestätigt.

Die Deutsche Herzstiftung geht nach Schätzungen davon aus, dass mindestens jeder zweite Herzpatient beziehungsweise jede zweite Herzpatientin Schwierigkeiten mit der Sexualität haben. „Oft lähmen Unsicherheit und Scham so sehr, dass Patientinnen und Patienten sich eher zurückziehen, anstatt offen mit dem behandelnden Arzt oder der Ärztin über ihre Ängste zu sprechen“, erklärt Kardiologe und Reha-Spezialist Markus Wrenger, Ärztlicher Direktor der Fachklinik Weserland in Bad Pyrmont. „Das kann eine Partnerschaft erheblich belasten und eine Rückkehr in ein gemeinsames, erfülltes Sexualleben erschweren.“

Herzkrankheit: Sex nun zu anstrengend? Einfache Faustregel hilft

Dabei zählt Sex zu den wichtigsten Bedürfnissen des Menschen. Doch ist das Ausleben der eigenen Sexualität für Betroffene nun tatsächlich zu anstrengend fürs Herz? Hier gibt der Experte der Deutschen Herzstiftung Entwarnung: „Die körperliche Belastung beim Sex wird sehr häufig überschätzt“, betont er.

Sex ist laut des Kardiologen meist weniger anstrengend als viele vermuten würden. „Bei den meisten Menschen steigt der Puls nicht über 130 Schläge pro Minute, der obere Blutdruckwert nicht über 170 mmHg“, so der Experte. Das ist kurzfristig unproblematisch.

Dr. med. Markus Wrenger
Kardiologe Markus Wrenger ist ärztlicher Direktor der Fachklinik Weserland und Experte der Deutschen Herzstiftung. Menschen mit Herzproblemen will er die Angst vor dem Sex nehmen. © Rehasan Fachklinik Weserland | Rehasan Fachklinik Weserland

Wrenger hat für Betroffene eine einfache Faustregel zur Orientierung: „Wer noch zwei Stockwerke Treppen steigen kann oder zügig Spazierengehen, ohne dass es zu Herzschmerzen oder Atemnot kommt, der ist auch fit genug für sexuelle Aktivitäten.“ Das statistische Risiko eines Herzinfarktes oder einer anderen schwerwiegenden Störung der Herzfunktion während sexueller Aktivität hält er für „ausgesprochen gering“.

Sex und Herzerkrankung: Experte gibt wichtige Tipps

Wer Bedenken hat, dem empfiehlt der Kardiologe, das Gespräch mit dem behandelnden Arzt zu suchen – besonders während einer kardiologischen Rehabilitation, um individuelle Bedenken aus dem Weg zu räumen. Selbst wer mit einem implantierten Defibrillator lebt, müsse sich laut Wrenger keine Gedanken machen. Dass das Gerät des Geschlechtsverkehrs einen Schock abgibt, sei zwar durchaus möglich, den Partner oder die Partnerin gefährde das jedoch nicht.

Vielmehr noch: Sexuelle Aktivität scheint sich sogar positiv auf das weitere Leben von Herzerkrankten auszuwirken. Das zeigt eine wissenschaftliche Untersuchung aus Israel. „Die Forscher der Universität Tel Aviv fanden heraus, dass bei Patienten, die innerhalb von sechs Monaten nach einem Herzinfarkt wieder zu ihrer bisherigen sexuellen Aktivität zurückgekehrt waren, das Sterberisiko um 35 Prozent verringert war im Vergleich zu Patienten, die weniger oder gar nicht sexuell aktiv waren“, so Wrenger – nachzulesen im kostenlosen Ratgeber „Kardiologische Rehabilitation“ der Herzstiftung.

Das sollten Patientinnen und Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen beachten:

  • Auf Sex verzichten, wenn schon bei geringer Belastung Brustschmerzen oder Atemnot auftreten
  • Bei fortgeschrittener Herzschwäche vor sexuellen Aktivitäten ärztlichen Rat einholen
  • Vorsicht bei Medikamenten zur Behandlung von Erektionsstörungen, da diese eine Kreislaufschwäche verursachen können

Kardiologe Wrenger ergänzt: „Bei der stabilen koronaren Herzkrankheit gelten die Medikamente jedoch im Allgemeinen als sicher“. Gleichzeitig warnt er vor einer kombinierten Einnahme von Potenzmitteln wie Viagra und sogenannten Nitraten. Der Grund: Nitropräparate, die etwa bei Angina-pectoris-Beschwerden angewendet werden, verstärken die gefäßerweiternde Wirkung der Potenzmittel.

„Bei gleichzeitiger Einnahme von potenzsteigernden Mitteln und Nitraten kann es zu kritischen, auch lebensbedrohlichen, Blutdruckabfällen kommen, sodass man hier sehr zurückhaltend sein und vorher ärztlichen Rat einholen sollte“, warnt Wrenger. Sein Tipp: Beim Nitrospray könne aufgrund der kurzen Wirkdauer meist schon ein bestimmter Zeitabstand zur Einnahme des Potenzmittels helfen, einen kritischen Blutdruckabfall zu vermeiden.

Herzprobleme: Wann Experten von Sex abraten

Dennoch gibt es Situationen, in denen Paare im Bett erstmal lieber kuscheln sollten, statt wieder sexuell voll aktiv zu werden. Wie lange, ist dabei ganz unterschiedlich.

In diesen Situationen ist laut des Experten und der Herzstiftung zunächst sexuelle Enthaltsamkeit geboten.

  • nach einer Bypassoperation – Empfehlung: sechs bis acht Wochen mit erneuter sexueller Aktivität warten, bis das Brustbein verheilt ist
  • nach Eingriffen ohne Eröffnen des Brustbeins (Stentimplantation, kathetergestützte Aortenklappen-Implantation) – Empfehlung: meist nur wenige Tage Pause nötig, bis keine Symptome und Beschwerden mehr bestehen
  • nach einer Schrittmacher- oder Defibrillator-Implantation – Empfehlung: meist nur wenige Tage Pause nötig, aber Arm auf der operierten Seite etwa sechs Wochen schonen und nicht über Schulterniveau anheben
  • nach einem Herzinfarkt – Empfehlung: meist nur wenige Tage Pause nötig, bis keine Symptome und Beschwerden mehr bestehen
  • nach einer Herzkatheteruntersuchung – Empfehlung: etwa zwei Tage auf größere Anstrengungen und Sex

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