Berlin. Verdacht, Kontrolle, Streit – Misstrauen kann Beziehungen zerstören. Doch was treibt das nagende Gefühl an? Ein Blick auf die Ursachen.

Das nagende Gefühl, der Partner könnte fremdgehen, einen nicht genug lieben oder etwas verheimlichen, kann schnell zur Obsession werden. Die Gedanken kreisen endlos, Zweifel werden zur Gewissheit, und irgendwann treibt einen das Misstrauen in den Wahnsinn. Sticheleien, ständiges Beobachten und Kontrollieren folgen – bis die Beziehung in endlosen Streitereien versinkt.

Misstrauen ist ein unschöner, aber erschreckend häufiger Trennungsgrund. Doch was lässt Menschen so tief zweifeln? Zwei Paartherapeutinnen geben Einblick in die Psychologie des Misstrauens und erklären, wie dieses Gefühl Beziehungen zermürbt – und was man dagegen tun kann.

Wie erkennt man misstrauische Menschen?

Ein gewisses Maß an Skepsis ist normal – etwa, wenn man neuen Menschen oder unbekannten Situationen begegnet. Doch wo hört gesunde Vorsicht auf und wo beginnt destruktives Misstrauen? Laut der Berliner Paartherapeutin und systemischen Coach Jasmin Blümlein gibt es typische Verhaltensmuster, die Menschen mit ausgeprägtem Misstrauen zeigen.

1. Ständiges Hinterfragen und die Suche nach Gründen für Misstrauen

Misstrauische Menschen sind Meister darin, jede Aussage oder Handlung ihres Gegenübers akribisch zu analysieren. „Sie suchen geradezu nach Widersprüchen oder Lücken, die ihr Misstrauen bestätigen könnten“, sagt Blümlein. Dieses Verhalten führe dazu, dass negative Erfahrungen im Umgang mit anderen überproportional wahrgenommen werden – ein Phänomen, das in der Psychologie als „selbsterfüllende Prophezeiung“ bezeichnet wird.

2.  Overthinking: Wenn das Grübeln kein Ende nimmt

Eng mit dem ständigen Hinterfragen verbunden ist das Phänomen des „Overthinking“. Dabei kreisen die Gedanken endlos um Aussagen, Situationen oder Worst-Case-Szenarien – oft ohne je zu einem klaren Ergebnis zu kommen“, erklärt Paartherapeutin Blümlein und fügt hinzu: „Dieses Grübeln verstärkt Unsicherheiten und Ängste.“ Elke Paland, Paartherapeutin und Heilpraktikerin für Psychotherapie aus Berlin, ergänzt: „Das Gehirn wird quasi darauf trainiert, in die negative Richtung zu denken.“ 

Die Folgen zeigen sich nicht nur auf emotionaler, sondern auch auf körperlicher Ebene. „Typische Begleiterscheinungen sind Schlaflosigkeit, fehlende Tiefschlafphasen und ein spürbarer Energieverlust“, sagt Paland. Hinzu komme oft eine stark negative Grundhaltung, die selbst harmlose Situationen als bedrohlich interpretiert.

Paartherapeutin Elke Paland
Elke Paland ist Heilpraktikerin für Psychotherapie, zertifizierte Mediatorin und Paartherapeutin in Berlin. Mit ihrem Coaching unterstützt sie Menschen dabei, ihr Selbstvertrauen zu stärken und persönliche Konflikte zu lösen. © Elke Paland | Elke Paland

3. Kontrollverhalten und Einschränkungen des Partners

Ein weiteres klares Anzeichen für Misstrauen ist laut Paland ein stark ausgeprägtes Kontrollverhalten. Dieses Verhalten gehe oft mit einer stark negativen Grundhaltung einher, die dazu führe, dass selbst harmlose Situationen als bedrohlich wahrgenommen werden. Die Folge: Taschen werden kontrolliert, der E-Mail-Verkehr gecheckt und Nachrichten oder Social-Media-Aktivitäten des Partners überwacht.

Doch damit nicht genug: Das Kontrollbedürfnis geht laut Paland in stark ausgeprägten Fällen so weit, dass Betroffene ihrem Partner vorschreiben, wie er sich in der Öffentlichkeit zu präsentieren hat, mit wem er Kontakt haben darf oder von wem er sich zu distanzieren hat.

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Warum werden Menschen misstrauisch?

Misstrauen kommt selten aus dem Nichts. Menschen, die immer wieder von der Angst geplagt werden, dass ihr Partner sie belügt, betrügt oder verlässt, tragen oft die Last tiefgreifender Erlebnisse mit sich. Die Wurzeln liegen laut Paartherapeutin Blümlein dabei besonders oft in der Vergangenheit: „Menschen, die schon einmal verletzt, betrogen oder enttäuscht wurden, entwickeln Schutzmechanismen, um sich vor weiteren Enttäuschungen zu schützen.“ Auch frühe Bindungserfahrungen spielen laut der Expertin eine große Rolle: „Wer in der Kindheit unsichere oder instabile Beziehungen erlebt hat, kann Schwierigkeiten haben, anderen zu vertrauen“, sagt sie.

Aber auch aktuelle Ereignisse in der Beziehung können das Vertrauen nachhaltig erschüttern, erklärt Paartherapeutin Paland. Sie erlebt bei Therapien, dass Betrug, das Verschweigen wichtiger Informationen und Lügen – auch scheinbar harmlose Notlügen – das Vertrauen nachhaltig erschüttern oder gar zerstören. „Misstrauische Menschen haben aufgrund ihrer Erfahrungen sensible ‚Antennen‘ für Veränderungen in der Beziehung“, so. Das Problem: Diese Wachsamkeit kann in eine Art Überempfindlichkeit umschlagen.

Die Angst, betrogen zu werden, ist eine der größten Sorgen in einer Beziehung – und sie nährt oft tiefes Misstrauen. 
Die Angst, betrogen zu werden, ist eine der größten Sorgen in einer Beziehung – und sie nährt oft tiefes Misstrauen.  © Shutterstock / fizkes | Unbekannt

Nicht immer ist Misstrauen auf konkrete Vorfälle oder äußere Ereignisse zurückzuführen. Manchmal liegt der Ursprung tief im Inneren. „Oft entwickeln Menschen Misstrauen aus einer Unsicherheit heraus, die mit einem geringen Selbstwertgefühl oder latenten Ängsten zusammenhängt“, erklärt Jasmin Blümlein. In solchen Fällen gehe es weniger um das Verhalten des Partners als um eigene innere Konflikte. Gedanken wie „Ich bin nicht attraktiv genug“, „Ich bin nicht intelligent genug“ oder „Ich bin nicht erfolgreich genug“ graben sich dann unbemerkt ins Unterbewusstsein der Betroffenen und werden dort zu unsichtbaren, aber mächtigen Treibern des Misstrauens.

Paartherapeutin Jasmin Blümlein
Jasmin Blümlein bietet in ihrer Praxis in Berlin Paartherapie und systemisches Coaching an. Sie unterstützt Menschen dabei, neue Perspektiven zu gewinnen und individuelle Herausforderungen zu meistern. © Jasmin Blümlein | Jasmin Blümlein

Paartherapeutin Elke Paland beschreibt Misstrauen auch als eine Form der Angst: „Es ist die Angst, den Halt zu verlieren, verletzt zu werden oder allein zu bleiben“. Oft resultiere diese Angst aus der Überzeugung, mit Verlust oder Enttäuschungen nicht umgehen zu können. Doch genau hier liegt das Problem: Vertrauen – sowohl in sich selbst als auch in den Partner – kann nur auf einer stabilen inneren Stärke aufbauen.

Was hilft gegen eigene Selbstzweifel und Misstrauen?

Paland empfiehlt, gezielt am eigenen Selbstwertgefühl zu arbeiten, um diese Basis zu schaffen. Folgende Fragen können dabei helfen:

  • Was tut mir gut?
  • Was brauche ich, um mich sicher zu fühlen?
  • Wie reagiere ich aktuell, wenn ich misstrauisch bin, und wie möchte ich künftig reagieren?
  • Was kann ich konkret verändern?

Wie wirkt sich Misstrauen auf die Beziehung aus?

Starkes Misstrauen ist wie ein schleichendes Gift, das eine Beziehung nachhaltig belasten kann. Darunter leiden nicht nur die misstrauischen Partner selbst, sondern auch ihr Gegenüber. „Der misstrauische Partner trägt eine enorme emotionale Last“, erklärt Paartherapeutin Elke Paland. „Ständig ist er oder sie damit beschäftigt, im Außen nach Anzeichen für Verrat oder Unehrlichkeit zu suchen.“ Selbst harmlose Situationen könnten als Bedrohung interpretiert werden, was heftige Reaktionen auslöse und das Kontrollbedürfnis weiter verstärke. Zudem hat die ständige Wachsamkeit einen weiteren Preis: „Sie raubt nicht nur Energie, sondern lenkt die Betroffenen auch davon ab, sich auf ihre eigenen Bedürfnisse zu konzentrieren“, betont Paland.

Doch die Folgen bekommen auch die Partner der Misstrauischen zu spüren. „Sie verlieren oft ihre Leichtigkeit und passen ihr Verhalten immer mehr an, um Konflikte zu vermeiden“, beobachtet Paland. Das kann so weit gehen, dass sie beginnen, eine Rolle zu spielen, die den Erwartungen der misstrauischen Seite entspricht – von der Wahl der Kleidung über den Umgang mit Freunden zum Einhalten bestimmter Zeiten.

Die Folge: Beide Seiten entfernen sich immer weiter voneinander. „Oft entsteht ein Teufelskreis“, sagt Paartherapeutin Blümlein. „Die eine Seite sucht nach Beweisen für ihre Ängste, während die andere sich zurückzieht. Das verstärkt das Misstrauen und führt schließlich zu einer Spirale aus Vorwürfen und Rückzug“.

Wie geht man mit den Misstrauen des Partners um?

Um den destruktiven Kreislauf des Misstrauens zu durchbrechen, braucht es laut Paartherapeutin Jasmin Blümlein zunächst ein Umdenken: „Es hilft, sich bewusst Pausen vom Grübeln zu gönnen.“ Sie empfiehlt Achtsamkeitsübungen oder das gezielte Lenken der Gedanken auf positive Aspekte der Beziehung, um den Fokus von negativen Mustern abzulenken.

Auch das aktive Hinterfragen negativer Gedanken spielt eine zentrale Rolle, ergänzt Paartherapeutin Elke Paland. „Fragen wie: Wie oft habe ich heute schon negativ gedacht? Kann ich diesen Gedanken aus einer anderen, positiveren Perspektive betrachten?‘ können helfen, den Kreislauf aus Misstrauen und Kontrolle zu durchbrechen“, so Paland. Dieses Hinterfragen brauche zwar Übung, sei aber entscheidend, um das eigene Denken in eine konstruktive Richtung zu lenken. Außerdem schaffe es Raum, den anderen besser anzunehmen, so Paland.

Neben der inneren Reflexion ist die Kommunikation mit dem Partner unerlässlich. Das Gespräch über Ängste und Unsicherheiten sollte laut Blümlein offen und ehrlich geführt werden. Studien bestätigen, dass das Offenlegen von Verletzlichkeit – etwa durch Selbstoffenbarung oder aufrichtige Entschuldigung – die Nähe und das Vertrauen zwischen den Partnern stärken kann: „Wenn beide Partner bereit sind, transparent miteinander umzugehen und ehrlich über ihre Gefühle zu sprechen, kann Vertrauen allmählich wachsen“, betont Blümlein. Das sei ein Prozess, der Geduld und Mut erfordere, aber zu einer tieferen Verbindung und einem stabileren Fundament für die Beziehung führen könne.