Berlin. Die ersten Schritte des Kindes mit dem Handy sollten Eltern eng begleiten, sagt eine Expertin. Eine aktuelle App gilt als besonders riskant.
Es steht ganz oben auf dem Wunschzettel vieler Jugendlicher und älterer Kinder: das eigene Smartphone. Im Alter von neun Jahren bekommen Kinder heute im Durchschnitt ihr erstes Handy, das zeigt eine aktuelle Umfrage von Google in Deutschland und 22 weiteren Ländern. Häufig kommt das begehrte Mobiltelefon als Weihnachtsgeschenk in den Haushalt. Mit dem Schenken allein ist es aber nicht getan.
„Kinder und auch Jugendliche müssen auf ihrem Weg in die digitale Welt begleitet werden – sowohl durch Unterricht zu Digitalkompetenzen in den Schulen als auch durch das Elternhaus“, benennt unter anderem Bitkom-Geschäftsführer Bernhard Rohleder die Herausforderung. Wie also richten Eltern das neue Smartphone gemeinsam mit und für den Nachwuchs ein? Was ist heutzutage bei der Onlinesicherheit für Kinder zu beachten? Und welche Gefahren über soziale Netzwerke und Apps können beim Alltag im Internet auf das Kind zukommen?
- Psychologie: Mit Kindern Glück trainieren – Experte rät Eltern zu diesen Übungen
- Schulkinder: Schlechtere Noten – wie sich Eltern gegen unfaire Lehrer wehren
- Pädagogik: Genderneutrale Erziehung: Paar berichtet, wie das funktioniert
- Missbrauch: Sexuelle Übergriffe unter Kindern – das raten Experten Eltern
- Ernährung bei Kindern: „Wenn das Kind die Möhre nicht mag, machen Sie mal Pause“
WhatsApp, Tiktok & Instagram: Schon für Kinder unter 13 die Lieblings-Apps
„Das eigene Smartphone wird für Kinder ab Ende der Grundschulzeit immer wichtiger“, sagt Lidia de Reese. Sie ist Referentin für Medienbildung bei der FSM, das steht für Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter e.V. Nicht nur die große Mehrheit der Erwachsenen und Jugendlichen sei heute wie selbstverständlich auf den großen Social-Media-Plattformen unterwegs, erklärt de Reese: „Selbst die Kinder unter 13 Jahren nennen da schon WhatsApp, YouTube, TikTok und Instagram als ihre wichtigen Lieblingsapps.“ Bei der FSM geben sie und ihr Team Eltern daher Schritte an die Hand, damit gerade Kinder dort weniger Risiken ausgesetzt sind oder lernen, wie sie mit Belästigungen im Netz, Cybermobbing oder Desinformation umgehen können.
Was ist an Gefahren im Netz und riskanten Apps für den Nachwuchs in der jüngeren Vergangenheit hinzugekommen? De Reese spricht hier den wachsenden Einfluss durch künstliche Intelligenz (KI) an. „Die Kinder und Jugendlichen interessieren sich für alles, was mit KI zu tun hat. Daraus ergeben sich gerade neue Risikolagen, über die auch wir Erwachsenen Bescheid wissen müssen, Stichwort Deepfakes.“ Gemeint sind überwiegend Fotos oder Videos, in denen Gesichter etwa von Politikern oder anderen Prominenten mithilfe von KI digital ausgetauscht wurden. Darunter können aber auch Tonaufnahmen mit täuschend echt gefälschten Stimmen bekannter Personen fallen.
Auch interessant
Gerade jüngere Nutzer seien noch unerfahren und könnten auf die immer besser gestalteten Fälschungen in sozialen Netzwerken hereinfallen, warnt die FSM-Expertin. Das verschärfe insgesamt das schon länger bekannte Problem der Fake News. Hier werden in sozialen Medien mit reißerischen Schlagzeilen, gefälschten Bildern und Behauptungen Lügen und Propaganda verbreitet.
Konkurrenz zu TikTok und Instagram: Was steckt hinter BeReal?
Doch damit nicht genug: Abseits der bei Kindern und Jugendlichen besonders beliebten Social-Media-Apps Tiktok, Instagram oder Snapchat tauchen immer wieder neue Apps auf, die mit eigenen Regeln um junge Nutzer buhlen. Von „BeReal“ (deutsch: sei echt) etwa haben längst noch nicht alle Eltern gehört. Die französische App konnte seit 2022 hierzulande mit ihrem frischen Ansatz auch zahlreiche Jüngere begeistern.
Lesen Sie auch: Fake News oder Fakten? So sollen Jugendliche fit gemacht werden
Das Prinzip von BeReal: Schieße und teile nach Aufforderung sofort ein Foto, egal wo du bist, wie spät es ist oder was du anhast. Damit wollen die Macher den oftmals gestellten, geschönten, auf Hochglanz polierten Fotos bei Instagram und Co. etwas „Natürliches“ entgegensetzen.
„Das finden Jugendliche natürlich spannend“, sagt de Reese. „Eltern sollten aber vorher mit ihrem Kind mal durchspielen: Was kann ich tun, wenn die Benachrichtigung der App kommt und ich gerade im Bad bin“. Kritiker warfen den App-Betreibern vor, dass der Zwang zum schnellen Foto rasch zu unerwünschten Bildern aus dem Kinderzimmer führen kann und die Privatsphäre der Minderjährigen gefährdet. „Diese Gespräche können Eltern aber nur führen, wenn sie vorher wissen, was in einer App passiert, oder man lässt es sich von den Jugendlichen selbst erklären.“
Wie also halten Eltern eine gesunde Balance zwischen Freiheit und Fürsorge? Beim ersten Handy wie auch später beim souveränen Umgang im Netz hält die Expertin als oberste Regel zwei Punkte für besonders wichtig:
- Als Eltern in Sachen Mediennutzung möglichst interessiert und informiert sein und
- regelmäßig mit dem Nachwuchs über die Nutzung im Gespräch bleiben.
Warnzeichen: Wenn das Kind im Internet bedroht wird
Ein Warnzeichen für Eltern sei es, wenn sich Jugendliche zurückziehen, schlechter schlafen und sich nicht mehr so frei äußern würden wie gewohnt, sagt de Reese. Die ruhige Zeit zwischen den Feiertagen hält die Expertin für eine gute Gelegenheit, um mit dem Kind mal zu besprechen, auf welchen Plattformen es überhaupt unterwegs ist und ob die dort vorhandenen Einstellungen altersgerecht angepasst sind. Altersangaben von Minderjährigen sollten wahrheitsgemäß gemacht werden, damit vorhandene Sicherheitseinstellungen auf Plattformen auch greifen können. So lasse sich recht gut verhindern, dass Fremde das Kind einfach so anschreiben können.
„Kinder und Jugendliche sollen lernen, dass sie nichts falsch machen, wenn ein erwachsener Fremder sie im Netz einfach anspricht. Sondern sie müssen ihn dann blockieren oder melden“, betont de Reese. Eltern müssten dem Nachwuchs dafür Vertrauen entgegenbringen und nicht das Gefühl geben, dass ihnen das Smartphone gleich wieder weggenommen wird.
Checkliste für Eltern: Onlinesicherheit für das Kind verbessern
Als praktische Unterstützung für Eltern gedacht ist eine neue Checkliste, welche die FSM kürzlich gemeinsam mit Google und YouTube veröffentlicht hat. Sie soll dabei helfen, dem Thema Onlinesicherheit von Kindern mit Wissen und Kompetenz zu begegnen.
Die Tipps und Hilfestellungen umfassen drei Schritte:
- Anlaufstellen kennen: Die FSM mit anderen Partnern bietet beispielsweise mit Elternguide.online eine Übersicht der meistgenutzten Netzwerke, Apps sowie Spiele für Kinder und Jugendliche samt Erklärungen und Filter nach Altersgruppen. Zusätzlich finden sich dort Artikel, Tool-Beschreibungen, praktische Tipps, virtuelle Elternabende und mehr, zusammengestellt von namhaften Institutionen aus Jugendschutz und Medienbildung. Auf der Website Google für Familien finden Eltern außerdem Materialien von Google und unabhängigen Fachleuten zur sicheren Internetnutzung für Kinder.
- Den Dialog suchen: Die Hälfte der in der anfangs genannten Google-Studie befragten Eltern fanden es ab einem Alter von neun Jahren schwieriger, Regeln für das Kind festzulegen. Fachleute empfehlen, gemeinsam als Familie ein Regelwerk für die Nutzung von Medien und Onlineangeboten aufzustellen und umzusetzen. Dazu gibt es mehrere Gesprächsleitfäden für Eltern im Internet.
- Auf den Onlinekinderschutz ausgerichtete Tools und Apps nutzen: So gibt es beispielsweise mit YouTube Kids eine separate App der großen Videoplattform. Sie soll Kindern ein sichereres und einfaches Erlebnis auf YouTube bieten samt einer Reihe von Jugendschutzeinstellungen. Die App Google Family Link kann genutzt werden, um eine Bildschirmzeit einzustellen und bietet einen Überblick über heruntergeladene Apps und Inhalte. Google Safe Search ist eine Funktion im Browser Google Chrome, die beim Suchen die Anzeige etwa von anstößigen Inhalten verhindert. Für Kinder gibt es zudem altersgerechte Suchmaschinen wie fragfinn.de (auch als App verfügbar).
- Familien: Diese Warnsignale für toxische Beziehungen sollten Eltern beachten
- Sex-Ratgeber: Von Kindern im Bett erwischt: Experte gibt Eltern wichtige Tipps
- Plötzlich vermisst: Wie Eltern ihr Kind auf einen Notfall vorbereiten können
- Erziehung: Kinderarzt warnt – Eltern liegen bei gesunder Ernährung oft völlig falsch