Berlin. In ihrer App Cherrish lässt Bianca Praetorius Frauen entscheiden, wer mitmachen darf. Zudem hat sie wichtige Tipps für starke Frauen.

Der Weg von der Dating-App bis zur glücklichen Beziehung ist oft lang und schmerzhaft. Glaubt man der Unternehmerin Bianca Praetorius, führt er besonders für emanzipierte Frauen oft in eine Sackgasse. Der Grund: Viele Männer fühlen sich von ihnen eingeschüchtert und bedroht. Mit ihrer Dating-App Cherrish will Praetorius schon vor dem ersten enttäuschenden Date ansetzen und nutzt dafür einen radikalen Prozess: Ohne weibliche Empfehlung kommen Männer nicht rein.

Die sogenannten Wing Women bürgen dabei für ledige Freunde, Bekannte und Kollegen, die sie für besonders gute Beziehungspartner halten. Warum in dieser Dating-App auch Single-Frauen mehr Zeit investieren müssen und welchen Rat Praetorius kritischen Männern gibt, erklärt sie im Gespräch.

Welche schreckliche Dating-Story hat Sie zu dem Punkt gebracht, an dem Sie dachten: Ich gründe jetzt meine eigene Dating-App?

Bianca Praetorius: Ich war selber lange Single und habe meinen Mann mit Mitte 30 kennengelernt. Die App spiegelt zwar nicht direkt meine eigene Geschichte wider, aber ich kenne den Schmerz gut. Es gab damals diesen Moment, in dem ich dachte: Ist das der Preis dafür, dass ich mein Leben frei gestaltet habe? Als Single-Frau ist es schwer zu sagen: Ich finde keinen Mann, weil ich einschüchternd wirke. Das macht verletzbar, immerhin könnte jemand antworten: Nein, du bist einfach nervig.

Ich habe mit vielen erfolgreichen und schönen Freundinnen gesprochen, die keinen Typen fanden, der sich aufrichtig mit Ihnen über ihren Erfolg freuen konnte. Es gab einen initialen Moment, wo in mir die Idee für Cherrish entstand: ein Abendessen mit einer Aktivistin, einer Influencerin und einer Führungskraft einer internationalen, politischen Behörde. Bei denen liefen Dates oft so ab, dass der Mann es problematisch fand, wie viel sie für die Arbeit herumreisen oder dass sie in einem Jahr gleich zwei Bücher veröffentlichen. Da habe ich gemerkt: Das ist ein strukturelles Problem.  

Beziehung: In der Theorie finden Männer intelligente Frauen attraktiver als in Wirklichkeit

Sie sprechen oft über die Female Success Penalty – also eine Bestrafung von erfolgreichen Frauen. Was ist das? 

Praetorius: Das Konzept beschreibt die Sanktionierung von Frauen, die in traditionell männlich gelesenen Aufgaben gut performen. Wir sehen Präsidenten, CEOs oder Athleten noch immer als Männerdomänen. Bei Frauen in diesen Bereichen heißt es dagegen oft, sie seien abgehoben oder unsympathisch. Das kann sogar von anderen Frauen kommen. Männer stört es aber vor allem im Beziehungskontext: In der Theorie finden sie intelligente Frauen sexy, im Gespräch ist es Ihnen eher unangenehm. Eine Studie der University of Bath in England hat sogar gezeigt, dass die mentale Gesundheit von Männern abnimmt, wenn ihre Partnerin mehr als 40 Prozent des Haushaltseinkommens generiert. 

Unternehmerin Bianca Praetorius beschreibt ihre Dating-App Cherrish als „Antithese zu Tinder“.
Unternehmerin Bianca Praetorius beschreibt ihre Dating-App Cherrish als „Antithese zu Tinder“. © Andi Weiland

Woran könnte das liegen?

Praetorius: Ich kann es nachvollziehen, dass die Männer damit hadern. Früher haben Frauen oft nach oben geheiratet, weil sie kein eigenes Einkommen hatten und ihre Partner ihnen und ihren Kindern eine finanziell eine sichere Zukunft geben konnten. Heute sind Frauen unabhängiger. Für Männer muss das eine brutale Angst sein: Wenn ich ihr finanziell unterlegen bin, verlässt sich mich für einen, der mehr verdient. Deshalb haben auch Frauen eine Aufgabe: Sie müssen ihren Partnern glaubhaft vermitteln, dass sie sie für ihre sozialen und menschlichen Qualitäten lieben – und nicht nur für ihren Status. Die Männer müssen sich trauen, diese Veränderung zu akzeptieren und realisieren: Ich muss nicht gebraucht werden.

Dating: Frauen brauchen keinen Beschützer – und Männer müssen das akzeptieren

Wie reagiert Ihre Dating-App darauf?

Praetorius: Cherrish versucht zwei Dinge: Wir wollen Frauen mit den guten Männern – die es ja gibt – verbinden. Das sind Männer, die mit sich im Reinen sind und deren Ego nicht zerschellt, wenn sie merken: Diese Frau ist krasser als ich. Gleichzeitig wollen wir Frauen dabei helfen, die Liebe ihres Lebens zu finden. Sie sollen in Ruhe schauen dürfen, ob ihnen ein Mann gefällt – und währenddessen sicher sein: Es wird nicht daran kaputtgehen, dass er sich beim Gedanken an eine erfolgreichere Partnerin in die Hose macht. Mir wurde oft gesagt, ich ginge immer sofort in die Führungsrolle und müsse deswegen nicht beschützt werden. Dabei brauche ich zwar keinen Beschützer, will aber trotzdem geliebt und in den Arm genommen werden. Die Rollenbilder der Liebe sind die letzte Meile der Gleichberechtigung. Eine Dating-App alleine wird dieses Problem nicht lösen, aber vielleicht kann sie proaktiv ansetzen und zum Umdenken verführen.

Wo findet man diese guten Männer?

Praetorius: Die Männer können sich nicht selbst empfehlen. Sie kommen nur in die App, wenn Frauen für sie bürgen. Denn meiner Meinung nach können Freundinnen, Kolleginnen oder Ex-Partnerinnen am besten einschätzen, ob ein Mann eine erfolgreiche Frau tatsächlich wertschätzt. Aus unternehmerischer Sicht ist das das Dümmste, was ich machen kann: Ich brauche für eine Dating-App zwei Seiten und schließe eine aus, indem ich hohe Hürden einbaue. Aber das ist es mir wert.

Wie funktioniert der Anmeldeprozess?

Praetorius: Nach der Empfehlung müssen die Männer zwei Fragen beantworten. In der einen Antwort sollen sie etwas über sich erzählen. In der anderen geht es darum, wie sie damit umgehen würden, wenn ihre Partnerin mehr verdienen würde oder besser ausgebildet wäre. Weil man beim Tippen oder mit einem einzelnen Klick viel faken kann, müssen sie die Fragen in einer Sprachnachricht beantworten. Ich sehe das aber nicht als Bewerbung: Man kann schließlich nicht abgelehnt werden. Allerdings können Männer ihren Zugang auch wieder verlieren, wenn sie gemeldet werden.

Cherrish-Gründerin: Dating-App ist „die Antithese zu Tinder“

Finger of woman pushing heart icon on screen in mobile smartphone application. Online dating app, valentine's day concept.
Die Fotos der Cherrish-Nutzer werden erst nach dem Abhören einer Sprachnachricht vollständig angezeigt. © iStock | Oatawa

Es steht und fällt also alles mit der Frau. 

Praetorius: Genau. Wir vertrauen den Frauen. Sie können sich mit ihrem LinkedIn-Profil bei uns anmelden, geben ihr Gesicht und ihren Vornamen. Dann erklären sie – ebenfalls per Sprachnachricht – warum sie den Mann für geeignet halten. Diese Sprachnachricht bleibt auf dem Profil des Mannes, genau wie jene mit seiner Selbstbeschreibung. Wir nennen diesen Ansatz Audio First. Übrigens kann jede Frau Bekannte, Freunde oder ihren Bruder für die App empfehlen. Dabei ist es egal, ob sie selbst single oder in einer Beziehung ist. 

Warum spielen Audionachrichten eine so große Rolle bei Cherrish?

Praetorius: Cherrish ist die Antithese zu Tinder. Am Anfang sind die Fotos auf den Profilen verschwommen. Je länger die Sprachnachrichten angehört werden, desto schärfer wird das Bild. Beim Zuhören spürt man schnell, ob einen ein Mensch berührt. Natürlich können die Nutzerinnen ein Profil auch schon vorher wegwischen. Und natürlich können zwei Personen auch ganz normal miteinander texten, wenn sie ein Match haben

Praetorius: Jede Frau darf sich auf der Dating-App anmelden

Können Hausfrauen die App genauso nutzen wie Managerinnen?

Praetorius: Ja, die Frauen dürfen sich selbst selektieren. Denn was heißt überhaupt Erfolg? Es geht dabei nicht nur um Business-Frauen. Es geht auch um die Grundschullehrerin, die Bildungsaktivismus betreibt. Oder die Organisatorin einer Kirchengemeinde. Jede Frau, die Dinge in die Hand nimmt, kann vom Wesen her einschüchternd wirken.

Haben Sie keine Angst, dass die App ausschließend wirken kann?

Praetorius: Diese Kritik kam am Anfang, weil ich für erfolgreiche Frauen Beispiele wie Taylor Swift genutzt habe. Ich versuche deswegen zu kommunizieren, dass es um normale Frauen mit einem großen Geist geht. Wenn Männer das Konzept ausschließend finden, verweise ich gerne auf die vielen anderen Dating-Apps ohne diese Hürden. Es geht hier nicht darum, den Männern beizubringen, wie sie ein besserer Typ werden. Aber der Ausschluss kann auch ein Anstoß sein, sich als Mann zu fragen: Woran könnte es liegen, dass mich noch keine Frau für Cherrish empfohlen hat? Das ist ein guter Moment, um mit der Selbstreflexion zu beginnen und möglicherweise an sich zu arbeiten.