Essen. Mehrere hunderttausend Menschen in NRW haben sich bereits gegen die Virusgrippe Influenza impfen lassen. Doch jetzt warnen Apotheker, der Impfstoff werde knapp. Schuld sei das neue Vergabeverfahren. Doch sowohl Ärzte als auch Krankenkassen bestreiten, dass es überhaupt einen Engpass gibt.
Apotheker an Rhein und Ruhr warnen vor einem Engpass bei der Versorgung mit Grippe-Impfstoffen. In mehreren Apotheken seien die Vorräte bereits aufgebraucht, sagt Ulrich Schwier, Vorsitzender des Apothekerverbands Essen, Mülheim, Oberhausen. Großhändler seien teilweise nicht mehr in der Lage, Nachbestellungen auszuliefern.
Die Krankenkassen widersprechen vehement: 80 Prozent des von den Ärzten bestellten Grippe-Impfstoffs sei bereits ausgeliefert worden, mehrere hunderttausend Menschen in NRW schon geimpft worden. "Es gibt keinen Engpass", sagt Jens Kuschel, Sprecher der AOK Nordwest. Denkbar sei allenfalls, dass die Lager einzelner Großhändler vorübergehend leer seien. "Die müssen dann aber bloß nachbestellen", beim Hersteller Sanofi Pasteur seien noch tausende Impf-Dosen vorrätig.
Das Pharmaunternehmen bestätigt das: Seit September liefere man den Impfstoff "Vaxigrip" aus. Von Engpässen könne keine Rede sein. Gleiches verlautbaren die Mediziner. Lieferschwierigkeiten einzelner Großhändler seien kein Indiz für einen echten Impfstoff-Mangel, sagt Heiko Schmitz, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein.
Kritik an Ausschreibungen von Grippe-Impfstoffen
Erstmalig entscheiden Ärzte im Bereich Nordrhein in dieser Grippe-Saison nicht mehr allein, welchen Impfstoff sie geben. Die Krankenkassen haben die Herstellung von drei Millionen Impf-Dosen europaweit ausgeschrieben, dabei hatte sich Sanofi Pasteurs mit seinem Impfstoff "Vaxigrip" durchgesetzt. Wenn sie Kassenpatienten impfen, müssen Ärzte jetzt diesen Impfstoff nutzen, sonst zahlen die Kassen nicht.
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Ärzte und Apotheker hatten die Ausschreibungspraxis, die in anderen Regionen schon länger üblich ist, heftig kritisiert, nachdem es in der vergangenen Grippe-Saison zu Engpässen gekommen war. In Schleswig-Holstein mussten die Krankenkassen den Ärzten freistellen, welchen Impfstoff sie verwenden, obwohl ein Exklusivvertrag mit Novartis bestand. Der Hersteller war nicht in der Lage, ausreichend Impf-Dosen zu liefern.
60 Prozent weniger Impf-Dosen bestellt
Apotheker Schwier macht das Ausschreibungssystem auch für die angeblichen Lieferengpässe verantwortlich: Die Ärzte hätten bereits im Sommer entscheiden müssen, wie viele Impf-Dosen sie benötigten. "Dabei konnten sie das zu dem Zeitpunkt gar nicht abschätzen", sagt Apotheker Schwier.
Schließlich hätten die Ärzte bisher immer sprechstundenweise neue Dosen bestellt - ohne Statistik zu führen. Seine eigene Buchführung zeige, dass die Bestellungen 60 Prozent unter dem Vorjahr lägen. Rückschlüsse auf die Gesamtzahl der Impfungen lassen sich daraus nicht ziehen.
Die Krankenkassen verteidigen ihr Ausschreibungs-System: "Der Exklusivvertrag mit Sanofi garantiert uns, dass ausreichend Impf-Dosen geliefert werden", sagt AOK-Sprecher Kuschel - und verweist auf positive Erfahrungen in der Nachbarschaft: In Westfalen-Lippe setzten die Kassen schon vergangenes Jahr exklusiv auf Sanofi Pasteurs. Engpässe blieben aus.