Essen. Pflegeunternehmen im Ruhrgebiet begrüßen Vorstoß des Gesundheitsministers und fordern Ende der einrichtungsbezogenen Impflicht vor dem Herbst.

Pflegeunternehmen im Ruhrgebiet fordern das sofortige Ende der einrichtungsbezogenen Impfpflicht in Kliniken, Pflegeheimen, Praxen und Rettungsdiensten. „Wir freuen uns über den Vorstoß des Gesundheitsministers, fragen uns aber, warum die Impfpflicht dann nicht sofort ausgesetzt wird oder zumindest wie in Bayern klargestellt wird, dass die angekündigten Sanktionen nicht vollzogen werden“, sagte Thomas Eisenreich, Sprecher der Ruhrgebietskonferenz Pflege.

Die Branche bezieht sich auf eine Aussage von NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU), der in der vergangenen Woche die Vorschriften in Frage gestellt hatte. „Wir wissen heute: Die Impfung schließt Ansteckungen nicht aus. Daher bin ich schon der Meinung, dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht nicht das Nonplusultra ist.“ Der Bund solle die Impfpflicht auf den Prüfstand stellen und nicht über das Jahresende hinaus verlängern, so Laumann weiter.

Ab Oktober Auffrischungsimpfung nötig

Der Ruhrgebietskonferenz Pflege, eine Arbeitgeberinitiative von rund 40 öffentlichen und privaten Pflegeunternehmen im Ruhrgebiet mit insgesamt rund 20.000 Beschäftigten, geht dies nicht schnell genug. „Am 1. Oktober endet für viele Mitarbeiter der Geimpften-Status. Das bedeutet Unsicherheit und Aufwand für drei Monate im Herbst für eine Pflicht, die aufgehoben werden soll“, gibt Eisenreich zu bedenken. „Den Aufwand sollte der Gesetzgeber den Pflegeanbietern ersparen.“

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Seit dem 16. März müssen Beschäftigte von Kliniken, Arztpraxen, Pflegeheimen und Rettungsdiensten offiziell einen vollständigen Impfschutz nachweisen. Personen, die lediglich eine zweimalige Impfung erhalten haben, gelten aber nur noch bis 30. September als „vollständig geimpft“. Ab 1. Oktober ist nach dem Infektionsschutzgesetz grundsätzlich eine Auffrischungsimpfung (Booster) erforderlich, um den vollständigen Impfstatus zu erlangen.

Großer Verwaltungsaufwand

Eisenreich befürchtet dadurch einen erneuten bürokratischen Aufwand bei den Pflegediensten und in den Gesundheitsämtern. Ab Oktober müssten die Prüfungen der Ämter und die Nachweisführung durch die Träger wieder von vorne losgehen. Und das, „obwohl die Impfpflicht Ende des Jahres schon wieder auslaufen wird“. Bis 1. Juli haben nach Angaben der Ruhrgebietskonferenz Pflege die örtlichen Gesundheitsbehörden über 12.000 Anhörungen an das Ministerium zurückgemeldet. Nur 66 Betretungs- und Tätigkeitsverbote wurden bislang ausgesprochen. In etwa 3000 Fällen seien Verfahren beabsichtigt.

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Pflegeunternehmen, die an verschiedenen Orten im Ruhrgebiet tätig sind, klagten schon lange über einen Flickenteppich beim Vorgehen der Gesundheitsämter. „Wir haben an fast jedem Standort unterschiedliche Eingabemasken für die gleichen Inhalte“, berichtet Sabrina Moske von den Awo-Seniorendiensten Niederrhein, die Einrichtungen in mehreren Ruhrgebietsstädten betreiben. „Für unsere Beschäftigten ist es unverständlich, warum für sie eine Impfpflicht gilt, während Angehörige einer solchen nicht unterliegen und Infektionen in unsere Einrichtungen tragen.“

Ende der Impfpflicht wäre „Nonplusultra“

Bei den Kommunen hatte die mögliche Kehrtwende bei der Impfpflicht indes Irritationen ausgelöst. Der Vorsitzende des Städtetages NRW und Essener Oberbürgermeister Thomas Kufen sprach von einem „Schlingerkurs“ bei der einrichtungsbezogenen Impfpflicht. „Das erstaunt vor dem Hintergrund, dass wir spätestens ab dem Herbst die Bürgerinnen und Bürger wieder verstärkt dazu aufrufen werden, eine Schutzimpfung gegen das Coronavirus in Anspruch zu nehmen. Wer soll das verstehen?“, sagte Kufen.

Für die Pflegebranche im Ruhrgebiet ist die Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht „eine Farce“. Sprecher Ulrich Christofczik vom Cristophoruswerk in Duisburg fordert daher die Politik zum Handeln auf: „Für uns wäre die umgehende Aussetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht unmittelbar nach Ende der parlamentarischen Sommerpause das Nonplusultra.“