Düsseldorf. Bergbau statt Barock: Wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel am Dienstag NRW besucht, gibt es das Kontrastprogramm zum Prunk von Herrenchiemsee.

Wird die Kanzlerin nach der Landung auf dem Düsseldorfer Flughafen gleich in Kaiserswerth eine Rheinfähre besteigen und flussaufwärts bis in die Altstadt schippern? Ließe sich von dort nicht im offenen Wagen mit einem kleinen Umweg über die Königsallee problemlos der rote Teppich vor dem „Ständehaus“ erreichen? Das ist zwar kein Schloss Herrenchiemsee, aber immerhin die gute Stube der Landeshauptstadt.

Vor dem Besuch Angela Merkels am Dienstag in Nordrhein-Westfalen schießen die Spekulationen über das protokollarische Besteck dieser Visite ins Kraut. Seit Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) im Juli die Kanzlerin in märchenhaftem Ambiente mit Bootstour, Kutschfahrt und Kabinettssitzung im vergoldeten Spiegelsaal umschmeichelte, richten sich viele Blicke auf NRW-Regierungschef Armin Laschet. Wie wird sich der Aachener inszenieren, der CDU-Bundesvorsitzender und ebenfalls Kanzlerkandidat der Union werden will?

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In einen Bilderstreit will er sich augenscheinlich nicht begeben. Merkels Auftritt sei als „Arbeitsbesuch“ ohne Prunk und Protz angelegt, heißt es in Düsseldorf. Die Kanzlerin werde „ganz gewöhnlich“ anreisen und mit Laschets Kabinett über die Corona-Lage und die deutsche EU-Ratspräsidentschaft beraten. Anschließend gehe es nach Essen, um nachmittags im „Erich Brost-Saal“ des Weltkulturerbes Zeche Zollverein mit Akteuren der „Ruhr-Konferenz“ über mögliche Bundeshilfen für die Zukunft des Ruhrgebiets zu sprechen.

Laschet wird auf das Zollverein-Foto an Merkels Seite achten

Laschet wird gewiss darauf achten, dass Fotos von ihm an der Seite Merkels mit Zollvereins berühmtem Doppelbock-Förderturm im Hintergrund verbreitet werden. Doch eine märchenhafte Söder-Show würde weder zu NRW noch zu seinem Ministerpräsidenten passen, der bislang wenig Talent für das ganz große politische Gemälde zeigte. Bergbau statt Barock, Haltung statt Herrenchiemsee - die Eitelkeit der NRW-Veranstaltung dürfte in ihrer demonstrativen Uneitelkeit liegen.

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Mit einer Mischung als Belustigung und Verärgerung war in Düsseldorf zuletzt registriert worden, wie sich Söder vor Alpenkulisse als Merkels Kronprinz und bester Corona-Krisenmanager ausleuchten ließ, während Laschet mit miesen Schlagzeilen und Umfragewerten kämpfte. NRW-Innenminister Herbert Reul, ein Vertrauter des Ministerpräsidenten, tobte sogar öffentlich: „Heiße Luft und eine Politik, die auf Inszenierungen setzt, bringen die CDU nicht weiter“, sagte er dem „Kölner Stadtanzeiger“. Ihm sei es „unerklärlich“, wie man Söder für einen geeigneten Kanzlerkandidaten halten könne, so Reul.

Laschet selbst soll das etwas differenzierter sehen. Er versteht, dass Merkel nach den erbitterten Kämpfen mit der CSU um ihre Flüchtlingspolitik heute ein unbedingtes Interesse an der Einheit der Schwesterparteien hat. Für das Wohl der Union könne man sich auch mal mit der Kutsche umher fahren lassen, heißt es. Dass die Kanzlerin mit ihren Länder-Besuchen in den unausgesprochenen Kanzlerkandidaten-Wettstreit der Union eingreifen wolle, wird indes bestritten.

Das Düsseldorfer „Ständehaus“ steht für Demokratiegeschichte

Außerdem weiß Laschet, wie hart einem die schillerndsten politischen Kulissen in der nächsten Krise auf die Füße fallen können. Söder dürfte das in den kommenden Tagen wegen seiner riesigen „Corona-Testpanne“ in Bayern schmerzvoll erfahren. Trotzdem wird eine Spur zu deutlich betont, dass Merkels Visite in NRW schon lange vor Herrenchiemsee verabredet worden sei und es keinerlei Zusammenhang bei den Länder-Bereisungen gebe.

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Dass die Kabinettssitzung mit der Kanzlerin im „Ständehaus“ abgehalten wird, dürfte ebenfalls kein Zufall sein. Offiziell schuld daran sind Bauarbeiten im „Landeshaus“, in der wenige hundert Meter entfernt die Staatskanzlei beheimatet ist. Dort ruft Laschet normalerweise jeden Dienstag seine Regierungsmannschaft zusammen. Das Landeshaus ist zwar ebenfalls ein historisches Ensemble in bester Rheinufer-Lage, atmet aber im Innern den Charme eines Polizeipräsidiums aus alten „Derrick“-Krimis. Das „Ständehaus“ hingegen beherbergte bis 1988 den Landtag, war im 19.Jahrhundert Sitz des Rheinischen Provinziallandtags und ist mithin eines der ältesten Parlamentsgebäude Deutschlands. Solche dezenten demokratiegeschichtlichen Gesten sind Laschet wichtig. Ob sie sich dem breiten Publikum vermitteln?