Essen. Nordrhein-Westfalen stellt Geimpfte und Genesene mit negativ Getesteten gleich. Die Nachweispflicht sorgt auch für Bauchschmerzen.

In NRW haben vollständig Geimpfte und genesene Corona-Patienten seit dieser Woche mehr Freiheiten. Gehen sie etwa zum Friseur oder nehmen je nach Corona-Lage vor Ort einen Einkaufstermin in ein Geschäft wahr („Click and Meet“), brauchen sie dazu keinen negativen Corona-Test. In der Praxis eckt das auch an: Erste Friseure wollen vom Hausrecht Gebrauch machen, Einzelhändler fordern verständliche Lösungen zur Nachweispflicht. Städte wie Bottrop hoffen darauf, dass die am Dienstag vom Bundeskabinett beschlossene Verordnung Unklarheiten in NRW aus der Welt schafft.

Was konkret gilt?

Das Land NRW stellt vollständig Geimpfte und genesene Corona-Patienten mit Menschen gleich, die negativ getestet sind. Bei „Click and Meet“ im Einzelhandel, zulässigen körpernahen Dienstleistungen, der Testpflicht in Schulen oder Einreisequarantäne müssen sie keinen zusätzlichen negativen Corona-Test nachweisen. Sie müssen sich aber als geimpft oder genesen ausweisen können.

Der Bund will mit seiner Regelung noch weiter gehen und für diese Gruppe auch die Kontaktbeschränkungen lockern und Ausgangsbeschränkungen aufheben. In NRW gilt dies bislang nicht. Maskenpflicht und Abstandsgebote sollen bestehen bleiben.

Welche Nachweispflichten gelten derzeit in NRW?

Für vollständig Geimpfte gilt: Die abschließende Impfung mit einem in der EU zugelassenen Vakzin muss mindestens 14 Tage zurückliegen.

Genesene müssen den Nachweis eines positiven laborbestätigten Testergebnisses (PCR-Test) vorlegen, das mindestens 28 Tage alt sein muss, aber nicht älter als sechs Monate sein darf.

Wer einen älteren positiven Befund hat, also dessen nachgewiesene Erkrankung länger als ein halbes Jahr her ist, der muss derzeit in NRW zudem eine erste Impfung vor mindestens 14 Tagen nachweisen, wie das Gesundheitsministerium auf Nachfrage erklärt.

Wie weist man die Immunisierung derzeit in NRW nach?

Laut NRW-Gesundheitsministerium genügt „jedes Dokument oder jeder eindeutige digitale Nachweis“, mit dem eine Personenzuordnung ermöglicht wird und Zeitpunkt der Impfung bzw. des positiven PCR-Tests sowie die ausstellende Stelle zu erkennen ist. Bei Geimpften ist das der Impfpass. Der Nachweise des positiven Testergebnisses (PCR-Test) ist üblicherweise ein schriftlicher Testnachweis vom Labor, es kann gegebenenfalls auch die Quarantäneanordnung des Gesundheitsamts sein.

Vom Prinzip her erfolge der Nachweise wie bisher beim Schnelltest, hieß es aus dem Ministerium: Man benötige Impfpass und oder den Testnachweis und zeige das Dokument zusammen mit Personalausweis oder Führerschein vor.

Wie fälschungssicher sind die Testnachweise?

Selbst die ausstellenden Fachkräfte haben da ihre Zweifel. Cornelia Wanke, Geschäftsführerin des Vereins Akkreditierte Labore in der Medizin, der über 200 medizinische Labore in Deutschland vertritt, hält die Testnachweise nicht für fälschungssicher. „Letztlich erhalten die Betroffenen ein PDF-Dokument, in dem man am Computer Daten verändern kann“, sagte Wanke dieser Redaktion.

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Von Matthias Düngelhoff und Nina Stratmann

Städte wie Mülheim gehen deshalb einen anderen Weg. Dort gilt die amtliche Quarantäneanordnung für positiv getestete Personen als Nachweis einer durchgemachten Infektion. Oberhausen verweist auf Nachfrage ebenfalls auf die Ordnungsverfügung oder einen Nachweis des ursprünglichen Testergebnisses.

Sorge vor zahlreichen Patientenanrufen haben dennoch schon jetzt die Hausärzte: Wer den Testnachweis nicht mehr finden kann, könne sich an Arzt oder ausstellendes Labor wenden, schreibt das Ministerium am Dienstag auf seiner Internetseite. „Das ist nicht zu schaffen“, sagte Monika Baaken, Sprecherin des Hausärzteverbandes Nordrhein. „Wenn Politik eine Lösung diskutiert, müssen Praktiker mit an den Tisch. Es kann nicht sein, dass Hausärzte jetzt wieder Verpasstes ausbaden müssen.“

Wie zufrieden sind Städte und Handel?

Als „unpraktikabel“ beschreibt ein Sprecher der Stadt Bottrop die NRW-Lösung. „Wir brauchen einen einfachen Kriterienkatalog, nach dem unsere Ordnungskräfte die Einhaltung dieser neuen Vorgaben kontrollieren können“, sagte der Sprecher. „Die jetzigen Landesvorgaben sind kompliziert und die Nachweise nicht nachzuvollziehen.“ In Bottrop, wo die Wocheninzidenz unter 150 liegt, werde die Neuregelung deshalb zunächst nicht mittels Bußgeld durchgesetzt. Man warte die Bundesvorgaben ab.

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Der in der Pandemie erheblich gebeutelte Handel begrüßt die Lockerungen. Peter Achten, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes NRW sagte, die Gleichstellung von Geimpften und Genesenen mit Personen mit aktuellem Negativtest sei ein logischer nächster Schritt. „Die Prüfung muss natürlich für die Händler einfach sein, Apps können hierbei unterstützen.“

Marc Heistermann, Geschäftsführer des Handelsverbandes Ruhr, mahnte, am Ende dürfe nicht der Händler selbst haftbar gemacht werden. Statt dass Einzelhändler nun im Impfausweis den Impfstoff nachprüfen oder Laborbefunde lesen können müssten, brauche es bundesweit einheitliche, auf den ersten Blick verständliche Nachweisdokumente.

Einige Friseure gehen nach Auskunft des Friseur- und Kosmetikverbandes NRW etwas weiter. Geschäftsführer Andreas Di Stefano sagte, dass die Meinung in der Branche zu den Lockerungen für Genesene und Geimpfte zwar von vielen Mitgliedern begrüßt werde. „Einige überlegen aber schon, von ihrem Hausrecht Gebrauch zu machen und trotz der neuen Vorgaben auf einen negativen Schnelltest zu bestehen.“ Man wolle Unsicherheiten ausschließen.