Düsseldorf. Viele Senioren haben kein Smartphone oder einen Computer. Im Alltag kommen sie deshalb immer weniger zurecht. Wie ihnen geholfen werden könnte.

  • Viele Senioren in NRW haben kein Smartphone, keinen Computer und damit auch keinen Internetzugang.
  • Digitale Endgeräte sind aber inzwischen für viele Produkte und Dienstleistungen nötig.
  • In der Landespressekonferenz am Montag wurde deshalb kritisiert, dass ältere Menschen ausgegrenzt werden.
  • Wie fühlen sich Betroffene und was kann helfen?

Peter Schwarze (Name von der Redaktion geändert) ist 71 Jahre alt. Seinen echten Namen möchte er nicht nennen. Ihm ist es unangenehm, dass er sich mit der digitalen Welt nicht auskennt und deshalb oft Probleme in seinem Alltag hat – zum Beispiel, wenn er einen Termin beim Bürgeramt oder bei seinem Arzt braucht.

„Wenn ich da anrufe, lande ich entweder ewig in der Warteschleife oder ich bekomme gesagt, man kann den Termin nur online ausmachen. Aber ich weiß nicht, wie das geht“, berichtet der Senior aus Hilden. Er hat zwar ein Smartphone im Gegensatz zu vielen seiner Bekannten. Aber er habe es bisher „nur“ geschafft, sich selbst beizubringen, wie man damit telefoniert, die Wetter-App nutzt und Nachrichten bei Whatsapp schreibt. Alles andere überfordert ihn.

Würde er sich mehr auskennen, könnte er seine Mails oder das E-Paper auf dem Smartphone lesen. „Aber da kamen immer irgendwelche Fehlermeldungen. Ich weiß nicht, was ich falsch mache, und habe auch niemanden, den ich um Hilfe bitten kann“, sagt Schwarze. Er habe Angst davor, auf einer Fake-Seite zu landen oder seine persönlichen Daten in einer App anzugeben – Angst vor der digitalen Welt, die inzwischen fast den gesamten Alltag durchdringt.

Fast eine Million Menschen über 70 Jahre sind in NRW digital abgehängt

So wie ihm geht es vielen älteren Menschen in Deutschland. Im Gegensatz zu Schwarze, der zumindest sporadisch mal online ist, waren 17 Prozent der 65- bis 74-Jährigen in Deutschland noch nie im Internet. Das sind über 325.000 Personen allein in NRW. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie des Statistischen Bundesamtes.

Eine andere Untersuchung von Digital 21, einem IT-Projekt des Caritasverbandes, zeigt, dass knapp 35 Prozent der Ü-70-Jährigen kein Internet nutzen - rund 975.000 Personen in NRW. Sie würden immer mehr ausgegrenzt, kritisieren unter anderem der Förderverein „Wir Verbraucher in NRW“ der Verbraucherzentrale und die NRW-Landesseniorenvertretung.

Digitale Teilhabe von Senioren: Viel mehr niederschwellige Angebote nötig

„Diese Menschen sind in einer ganz anderen Welt großgeworden und brauchten nie digitale Geräte, um im Alltag klarzukommen“, sagt Erwin Knebel, Verwaltungsratsvorsitzender der Verbraucherzentrale NRW. Inzwischen gebe es aber immer mehr Produkte und Dienstleistungen, die ausschließlich digital erworben und genutzt werden können. Der Förderverein und die Seniorenvertretungen fordern deshalb von Land und Kommunen viel mehr Online-Kurse für Senioren, um die digitale Teilhabe für ältere Menschen zu sichern.

In NRW gebe es zwar Angebote, aber die würden sich fast ausschließlich an Kinder und Jugendliche richten, die schon Vorerfahrungen haben. Bei Senioren müsse man aber bei null anfangen. „Für ältere Menschen ist die digitale Welt eine exotische Welt. Die wissen nicht, was Google ist oder was Scrollen heißt, geschweige denn, wie sie mit dem Finger auf dem Smartphone herumwischen können“, erklärt Knebel.

Digitale Teilhabe: „Senioren dürfen nicht ausgegrenzt werden“

Angebote von Volkshochschulen kämen für viele ältere Menschen nicht infrage, weil dort immer in größeren Gruppen gelernt wird und der Kurs meist nur einmal in der Woche stattfindet. „Ältere Menschen brauchen eine Einzelbetreuung und das am besten täglich. Sie müssen die Handhabungen immer und immer wieder üben, um das Erlernte nicht sofort wieder zu vergessen“, erklärt Knebel.

In seiner Heimatstadt Hilden würden sich jeden Tag Ehrenamtliche mit Senioren in der Stadtbibliothek treffen und ihnen beibringen, wie man ein Smartphone oder einen Computer benutzt. Solche wohnortnahen „digitalen Trainingszentren“ wünscht sich Knebel auch in anderen Kommunen.

Außerdem fordert er wohnortnahe Servicestellen für Menschen, die sich im hochbetagten Alter nicht noch Online-Kenntnisse aneignen wollen oder die körperlich gar nicht mehr in der Lage dazu sind. „Sie brauchen einen Ort, an dem sie sich zum Beispiel einen Online-Fahrplan für Bus und Bahn ausdrucken lassen können“, sagt Knebel.

Nicht nur digitale Teilhabe stärken, auch analoge Angebote beibehalten

Linda Göbl, die an der Katholischen Hochschule zur digitalen Teilhabe von älteren Menschen forscht, macht deutlich: Es brauche einen Mix von analogen und digitalen Angeboten, um ältere Menschen nicht auszuschließen und zu diskriminieren.

Peter Schwarze wartet sehnsüchtig auf Abhilfe. „Ich würde mich freuen, wenn es mehr Online-Kurse für Ältere gibt, in denen ich all meine Fragen stellen kann“, sagt er. Aber man dürfe nicht gezwungen werden, alles im Internet zu erledigen, findet der 71-Jährige: „Es muss weiterhin analoge Angebote geben, damit wir nicht abgehängt werden.“

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