Essen-Überruhr. Die digitale Teilhabe in Senioreneinrichtungen soll besser werden. Wie ältere Damen im Marienheim in Essen-Überruhr schon profitieren.

Mangelnde WLAN-Versorgung ist in vielen Altenheimen noch immer ein gängiges Phänomen. Ein Projekt der Hattinger Theresia-Albers-Stiftung (TAS) soll das ändern. Im Überruhrer Marienheim etwa gibt es digitale Gruppenangebote. Unter fachkundiger und liebevoller Betreuung durch Alltagsbegleiterin Elena Hilgenberg lernen die Senioren den Umgang mit Tablet und Internet. Spiele wie Memory, Kreuzworträtsel und Sudoku stehen auf der Beliebtheitsskala ganz weit oben.

Kreuzworträtsel zählen neben Sudoku und Memory zu den beliebtesten Spielen im Marienheim in Essen-Überruhr.
Kreuzworträtsel zählen neben Sudoku und Memory zu den beliebtesten Spielen im Marienheim in Essen-Überruhr. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Nur ein Bruchteil der in stationären Pflegeeinrichtungen Lebenden verfügt über einen drahtlosen Internetzugang, um sich mit ihren Familien und dem „Rest der Welt“ verbinden zu können. Was gerade in der Pandemie ein großer Nachteil war, weiß Marienheim-Leiter Thomas Schubert: „Umso wichtiger, den Menschen in unseren Heimen neue Möglichkeiten der gesellschaftlichen Teilhabe an die Hand zu geben. Mit Geräten, die zugleich der Förderung individueller Fähigkeiten und Fertigkeiten dienen.“

Im Zuge der digitalen Teilhabe wurden hier in Überruhr seit Juni 2021 viele der 121 Bewohner nach und nach mit den technischen Möglichkeiten vertraut gemacht. Wöchentlich treffen sich 30 Bewohner in fünf Gruppen, auch gibt es Einzelangebote auf den Zimmern. Ilse Peper ist Jahrgang 1929 und eine ehrliche Haut: „Erst wollte ich nicht. Man sieht die jungen Leute nur noch über so ein Ding gebeugt herumlaufen. Die bekommen doch überhaupt nichts mehr mit.“

Dann habe sie mit ihrem Sohn gesprochen und es doch mal versucht. Ihr iPad möchte sie nicht mehr missen: „Die Kinder haben mir eins geschenkt. Da hast du erstmal zu tun. Jetzt verstehe ich auch die jungen Menschen, die so lange davor sitzen.“ Die 92-Jährige gibt ein Alltagsbeispiel: „Sonntag kam nichts im Fernsehen. Da habe ich an meinem Gerät gehockt, bis der Akku leer war.“

Seniorinnen im Marienheim Überruhr entdecken das Internet für sich

Elena Hilgenberg muss schmunzeln: „Erst wollten sie nicht und dann konnten sie sich nicht mehr losreißen. So manche der Damen möchte gar ihr Mittagessen auslassen, damit sie noch weiterspielen kann. Doch 90 Minuten reichen nun wirklich. Das ist schon anstrengend.“ Auch für sie. Denn sie eilt hin und her in der lustigen Damenrunde, die älteste ist 98 und stolz, dass sie noch mithalten kann.

Wenn da nicht die technischen Problemchen wären: „Das Spiel war plötzlich weg. Dabei war ich da gar nicht dran, ehrlich nicht.“ Manches ist schon schwierig. Englisch zum Beispiel können hier die wenigsten, aber Elena hilft. Inge Rückel quält sich beim Worträtsel „Cody Cross“ gerade durch schwere Fragen: „Vater des Zeus? Kronos.“ Die 92-jährige lächelt verschmitzt: „Manchmal rate ich einfach.“

Alltagsbetreuerin Elena Hilgenberg und Einrichtungsleiter Thomas Schubert sind von den digitalen Angeboten im Seniorenzentrum Marienheim in Essen-Überruhr überzeugt.
Alltagsbetreuerin Elena Hilgenberg und Einrichtungsleiter Thomas Schubert sind von den digitalen Angeboten im Seniorenzentrum Marienheim in Essen-Überruhr überzeugt. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Tipps bekommt sie von Sitznachbarin Inge Goldbach. Die ist erst 85 Jahre und schon auf Level 156 beim Wortsuchspiel: „Ich bin gut dabei.“ Ilse Peper zermartert sich derweil das Gehirn: „Eine griechische Insel mit sieben Buchstaben? Ich habe schon Urlaub gemacht auf Kreta, Rhodos, Kos und Korfu, aber da komme ich jetzt nicht drauf.“ Liebe Erinnerungen kommen hoch, die Seniorin schaut ganz verträumt: „Da war es schön. Und warm.“ Stiftungssprecher Hubert Röser lächelt: „In fünf, zehn Jahren kommt eine neue Generation von Senioren in die Heime, die Smartphone und Tablet nicht missen möchten.“

Obwohl man die pfiffigen Ü90er von heute nicht unterschätzen solle, sagt Röser: „Ich habe mal mitgerätselt. Die Damen waren immer schneller fertig als ich.“ Der Bedarf steige schon jetzt, sagt Thomas Schubert: „Unsere Frau Hilgenberg kann sich kaum vor Nachfragen retten. Ursprünglich hatten wir nur fünf iPads und haben schon welche dazugekauft.“ Da hält der Einrichtungsleiter einen heißen Geschenktipp bereit: „Viele Kinder wissen doch gar nicht, was sie ihren Eltern schenken können. Da lag jetzt zu Weihnachten so manches Gerät auf dem Gabentisch.“

  • Die Theresia-Albers-Stiftung (TAS) betreibt neben dem Überruhrer Marienheim noch fünf weitere Altenheime.
  • Um digitale Teilhabe zu realisieren, beteiligte man sich an einem Projekt der „Stiftung Wohlfahrtspflege NRW“ und erhielt einen Zuschuss von 95 Prozent zum Kauf von Hardware und zur Verbesserung der digitalen Infrastruktur.
  • TAS-Sprecher Hubert Röser: „Was nutzen die schönsten Geräte und besten Programme, wenn im Haus kein flächendeckendes WLAN-Netz vorhanden ist?“
  • So wurden nicht nur zahlreiche Tablets angeschafft, sondern auch neue Basisstationen für das WLAN verbaut.