Düsseldorf. In einer Moschee in Bochum treffen sich Juden und Muslime. Sie wollen ein Zeichen setzen, aber es gibt einen Zwischenfall. Ein Stimmungsbild.

  • Vertreter von jüdischen Verbänden in NRW haben am Freitag eine Moschee in Bochum besucht.
  • Es war das zweite Zusammentreffen der beiden Religionsgemeinschaften als Zeichen des Friedens in Anbetracht der drohenden Kriegsgefahr im Nahen Osten. Am Montag waren Vertreter von muslimischen Verbänden schon in einer Synagoge in Köln.
  • Alle vier muslimischen Verbände (Zentralrat der Muslime, Islamische Religionsgemeinschaft Ditib, Verband der Islamischen Kulturzentren und Islamische Religionsgemeinschaft NRW) hatten bei einem Treffen in der NRW-Staatskanzlei am 16. Oktober die Terrorangriffe der Hamas auf Israel uneingeschränkt verurteilt und eine unverzügliche Freilassung der Geiseln gefordert.

Halb zehn am Morgen in Bochum-Dahlhausen: NRW-Staatskanzlei-Chef Nathanael Liminski (CDU) trifft im strömenden Regen an der Sultan-Ahmed-Moschee ein. Es ist ein eher unscheinbares, hellblau gestrichenes Haus mitten in einem kleinen Wohngebiet und erinnert auf den ersten Blick nicht an ein Gotteshaus.

Vier muslimische Verbände hatten Vertreter von jüdischen Gemeinden aus NRW zu einem Austausch eingeladen. Es ist bereits das zweite Zusammentreffen der beiden Religionsgemeinschaften. Am Montag hatten sie sich zum ersten Mal in einer Synagoge in Köln getroffen – als Zeichen des Friedens.

Liminski, der auch an diesem Tag gekommen ist, um seine Solidarität in Anbetracht der drohenden Kriegsgefahr im Nahen Osten zu bekunden, sagt: „Wir wollen, dass in diesem Land alle frei und sicher leben können, unabhängig von ihrer Religion.“ Das Polizei- und Staatsschutz-Aufgebot und auch das der Presse ist groß an diesem Tag.

Pressevertreter warten vor der Moschee in Bochum in einem Pavillon auf den Ausgang des Gespräches zwischen den Vertretern von muslimischen und jüdischen Gemeinden.
Pressevertreter warten vor der Moschee in Bochum in einem Pavillon auf den Ausgang des Gespräches zwischen den Vertretern von muslimischen und jüdischen Gemeinden. © FUNKE Foto Services | Arnulf Stoffel

Moschee in Bochum: Sicherheitstür und Kamera nach islamfeindlichem Angriff

Nach einer kurzen Ansprache betritt Liminski die Moschee, die gerade erst Ziel eines islamfeindlichen Angriffs war. Unbekannte hatten in der vergangenen Woche versucht, die Fensterläden anzuzünden. Außerdem hatten sie zwei Davidsterne und ein Hakenkreuz an die weiße Eingangstür geschmiert, die nach dem Vorfall ausgetauscht worden war.

Die Brandspuren des islamfeindlichen Angriffs auf die Moschee in Bochum sind am Freitag, 27. Oktober 2023, noch immer an den Rollläden zu sehen.
Die Brandspuren des islamfeindlichen Angriffs auf die Moschee in Bochum sind am Freitag, 27. Oktober 2023, noch immer an den Rollläden zu sehen. © FUNKE Foto Services | Arnulf Stoffel

Jetzt erwarten Besucher eine dicke, graue Sicherheitstür, eine Kamera und eine Gegensprechanlage am Eingang. Die Fassade an den Türrahmen bröckelt. Durch einen kleinen Vorraum, in dem Tee gekocht wird, geht es ein paar Treppenstufen hoch, hinein in einen kleinen Raum, in dem sich Tische aneinanderreihen. Rund 20 geladene Gäste nehmen Platz. Pressevertreter erhaschen nur einen kleinen Einblick und müssen die Räumlichkeiten dann wieder verlassen. Der Austausch ist intern; was genau besprochen wird, bleibt unklar.

Moschee-Besuch: Landtagsabgeordneter Serdal Yüksel wird „herauskatapultiert“

Vor der Tür regnet es weiter in Strömen. Die Journalisten warten unter einem Pavillon auf das Ende des Gespräches – und sind irritiert, als es wenige Minuten später zu einem Zwischenfall kommt: Der Bochumer Landtagsabgeordnete Serdar Yüksel verlässt mit grimmiger Miene die Moschee. Was passiert ist? „Ich bin gerade vom Vorstand der Moscheegemeinde herauskatapultiert worden“, sagt Yüksel.

Serdar Yüksel, Landtagsabgeordneter aus Bochum, ist pikiert, nachdem er vom Vorstand der muslimischen Gemeinde gebeten wurde, die Moschee in Bochum zu verlassen.
Serdar Yüksel, Landtagsabgeordneter aus Bochum, ist pikiert, nachdem er vom Vorstand der muslimischen Gemeinde gebeten wurde, die Moschee in Bochum zu verlassen. © FUNKE Foto Services | Janina Abendroth

Er habe der Staatskanzlei im Vorfeld Bescheid gegeben, dass er dazustößt, um seine Solidarität kundzutun und es sei normal, dass Landtagsabgeordnete die Minister begleiten, wenn sie in den Wahlkreis kommen. Dass er am Gespräch nicht teilnehmen darf, bezeichnet er als „bemerkenswerten Vorgang“. Es zeige, dass „Toleranz und Respekt dann, wenn es drauf ankommt, scheinbar nicht da sind“, so Yüksel, der auch der deutsch-israelischen Parlamentariergruppe angehört.

Yüksel vermutet, dass er wegen seiner kurdischen Wurzeln unerwünscht gewesen sei. „Darüber bin ich sehr traurig und auch ein bisschen verärgert. Das hätte ich mir nicht vorstellen können, aber das zeigt, welche Gesinnung da auch herrscht.“ Im Nachhinein wird der Vorsitzende der Islamischen Religionsgemeinschaft Ditib NRW, Durmus Aksoy, den Rauswurf verteidigen und erklären, dass nur geladene Gäste am Gespräch teilnehmen durften. Es endet zwei Stunden später.

Israel-Konflikt: „Jüdische Gemeindemitglieder haben seitdem Angst“

Gegen halb zwölf öffnet sich die Tür der Moschee wieder. Die Mienen der Teilnehmer wirken freundlicher als vor dem Treffen. Wie die Atmosphäre war? „Herzlich und vertraut“, sagen sowohl die Vertreter der muslimischen als auch der jüdischen Gemeinden.

Nach dem Austausch zwischen Vertretern von muslimischen und jüdischen Gemeinden in einer Moschee in Bochum geben sich Durmus Aksoy, Vorsitzender der Islamischen Religionsgemeinschaft DITIB NRW (links), und Abraham Lehrer, Vizepräsident des Zentralrats der Juden (rechts), die Hand. In der Mitte steht NRW-Staatskanzlei-Chef Nathanael Liminski (CDU), der ebenfalls seine Solidarität bekundet hat.
Nach dem Austausch zwischen Vertretern von muslimischen und jüdischen Gemeinden in einer Moschee in Bochum geben sich Durmus Aksoy, Vorsitzender der Islamischen Religionsgemeinschaft DITIB NRW (links), und Abraham Lehrer, Vizepräsident des Zentralrats der Juden (rechts), die Hand. In der Mitte steht NRW-Staatskanzlei-Chef Nathanael Liminski (CDU), der ebenfalls seine Solidarität bekundet hat. © FUNKE Foto Services | Arnulf Stoffel

Irith Michelsohn, Vorsitzende der Union Progressiver Juden, erzählt zum Beispiel, sie sei mit einem Bauchkribbeln hergekommen und fahre nun mit einem guten Gefühl wieder nach Hause. „Wir alle wollen, dass unsere Kinder angstfrei sein können, unabhängig davon, ob sie in eine Moschee oder in eine Synagoge gehen.“ Der Alltag ihrer Gemeindemitglieder sei seit dem Angriff der Hamas auf Israel von Angst durchsetzt. Sie würden spüren, dass die Stimmung in Deutschland kippe.

Davon berichtet auch der Vizepräsident des Zentralrats der Juden, Abraham Lehrer. Auf vielen Pro-Palästina-Demos seien antisemitische Sprüche zu hören. „Das beunruhigt, das macht Angst und das führt dazu, dass das Gemeindeleben rückläufig ist. Viele Kinder kommen seltener in die Synagoge“, so Lehrer. Seiner Meinung nach habe der Austausch zu der Erkenntnis geführt, dass beide Religionsgemeinschaften an ihren jeweiligen Vorbehalten arbeiten müssten.

Mitglied der Moschee in Bochum: „Juden, Christen und Muslime sind keine Feinde“

So sieht es auch Nihal Kaplan, Vorstandsvorsitzende für die Frauen in der muslimischen Gemeinde in Bochum. „Wir müssen unseren Kindern von Anfang an beibringen, dass Juden, Christen und Muslime keine Feinde sind, sondern Freunde“, sagt die 35-Jährige. Sie habe zum Beispiel erst mit 22 Jahren eine Synagoge kennengelernt und freue sich deshalb darüber, dass ihr Sohn schon in der Schule am evangelischen Gottesdienst teilnehme. „Dadurch erfährt er schon in jungen Jahren, dass es unterschiedliche Religionen gibt – und dass wir alle Menschen sind, egal welchen Glauben wir haben.“

Nihal Kaplan, Mitglied in der muslimischen Gemeinde, zeigt den Gebetsraum in der Moschee in Bochum. Sie wünscht sich, dass Juden, Christen und Muslime mehr aufeinanderzugehen.
Nihal Kaplan, Mitglied in der muslimischen Gemeinde, zeigt den Gebetsraum in der Moschee in Bochum. Sie wünscht sich, dass Juden, Christen und Muslime mehr aufeinanderzugehen. © FUNKE Foto Services | Janina Abendroth

Für beide Religionsgemeinschaften steht nach dem Treffen fest: Sie wollen sich fortan öfter austauschen und in Zukunft auch christliche Gemeinden miteinbeziehen. Samir Bouaissa, Mitglied des Zentralrats der Muslime in Deutschland und Vorsitzender des CDU Stadtbezirksverbands Wuppertal-Vohwinkel, sagt: „Das Gespräch war so gut, dass wir uns jetzt in regelmäßigen Abständen treffen wollen. Es ist ein gutes Gefühl, dass wir in dieser schweren Zeit zusammenstehen und nicht jeder für sich bleibt.“

Am Ende des Gesprächs in der Moschee in Bochum: NRW-Staatskanzlei-Chef Nathanael Liminski sitzt vor Kopf (2.v.r.). Links neben ihm sitzt Durmus Aksoy, Vorsitzender der Islamischen Religionsgemeinschaft DITIB NRW, und rechts von ihm Abraham Lehrer, Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland.
Am Ende des Gesprächs in der Moschee in Bochum: NRW-Staatskanzlei-Chef Nathanael Liminski sitzt vor Kopf (2.v.r.). Links neben ihm sitzt Durmus Aksoy, Vorsitzender der Islamischen Religionsgemeinschaft DITIB NRW, und rechts von ihm Abraham Lehrer, Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. © FUNKE Foto Services | Arnulf Stoffel

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