Düsseldorf. Hitlerbilder, Hakenkreuze und Witze über Gaskammern. Solche Inhalte tauchen in vielen Chats von Polizisten auf. Belangt werden sie oft nicht.
In den vergangenen Jahren sorgten gleich mehrere Fälle für Aufsehen. In Frankfurt, Mülheim und Münster wurden in Chat-Gruppen von Polizisten rechtsextremistische Inhalte gefunden. Von Hitlerbildern und Hakenkreuzen über antisemitische Slogans bis zu Gewaltfantasien. In den wenigsten Fällen wurden die Beteiligten dafür vor Gericht belangt. Wie kann das sein? Zwei Rechtsanwälte haben mit unserer Redaktion über die Grenzen des Strafrechts gesprochen.
Christoph Arnold ist Fachanwalt für Verwaltungs- und Strafrecht in Bonn. Seit über 20 Jahren betreut er Polizeibeamte. Auch mehrere Beteiligte aus besagten Chats hat er vertreten. Vor allem der Mülheimer Fall habe ihn damals sehr überrascht: „Es waren viele entsetzt, auch innerhalb der Polizei, wie lange man stillschweigend zugesehen hat, was da für ein Dreck gepostet worden ist, wenn ich das mal so ganz salopp sagen kann.“ Erst durch einen Zufall war der Vorfall im September 2020 ans Tageslicht gekommen. Interne Ermittler hatten gegen einen beteiligten Beamten aus anderem Grund ermittelt und seine Handydaten ausgewertet.
Rechtsextreme Chats: Für welche Inhalte kann man rechtlich belangt werden?
Inwiefern Beamte für rechtsextreme Inhalte belangt werden können, hängt von mehreren Faktoren ab. Erst einmal müsse geschaut werden, um welche Inhalte es sich handelt, erklärt Arnold. Sind es verfassungsfeindliche Symbole, ist es Volksverhetzung oder geht es um Beleidigungen?
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Verfassungsfeindliche Symbole, wie die Verwendung eines Hakenkreuzes, seien immer ein Straftatbestand – egal, ob sie mit Graffiti an Hauswände gesprüht werden oder ob sie als Bild bei WhatsApp verschickt werden.
Volksverhetzende und beleidigende Inhalte seien erst dann strafbar, wenn sie öffentlich verbreitet werden. „Die Gedanken sind frei und auch das private Gespräch ist frei. Das heißt, wenn man im privaten Gespräch beleidigende oder volksverhetzende Inhalte teilt, ist das nicht strafbar, weil es nicht nach außen dringt“, erklärt Arndt Kempgens, Strafrechtler aus Gelsenkirchen. Das sei auch gut so, wenn man nicht in einem Überwachungsstaat leben wolle. Sobald man die Inhalte aber in einer größeren Öffentlichkeit verbreitet, mache man sich strafbar.
Ob Inhalte in Chats verurteilt werden können, ist in den Bundesländern verschieden
„Ob geschlossene Chat-Gruppen, wo ich keine Öffentlichkeit habe, ausreichend sind für das Verbreiten, ist rechtlich noch umstritten“, sagt Christoph Arnold. Die rechtlichen Meinungen gingen bundesweit auseinander. NRW sehe in Chat-Gruppen keine öffentliche Verbreitung. Hessen bewerte das anders.
Arnold hält die NRW-Strategie für richtig. „Wenn wir gesamtgesellschaftlich sagen, dass private Äußerungen privat bleiben, dann spielt es keine Rolle, ob ich das in einem Brief, in einem Telefonat oder in einer Whatsapp-Nachricht mache.“ Ein Unterschied sei aber, ob die Gruppe aus 5000 Personen besteht, die sich nicht alle kennen oder aus 30 Leuten, die zusammenarbeiten, wie bei der Dienstgruppe in Mülheim.
Rechtlicher Unterschied: Wer ist Täter? Wer ist Mitwisser? Nur zugucken ist erlaubt
Ein weiterer Faktor sei die Beteiligung im Chat. „Es macht einen Unterschied, ob ich selbst irgendeinen Hitler-Cartoon poste oder ob ich den nur bekomme, also, ob ich Täter bin oder stillschweigender Mitläufer“, so Arnold.
Bei denen, die nur zugucken, sei es sehr schwierig, eine Strafbarkeit zu begründen. In Deutschland sei man nicht verpflichtet, Straftaten zur Anzeige zur bringen.
Bei manchen Beteiligten, die an rechtsextreme Inhalte einen Smiley gesetzt hatten, wurde versucht, diese Reaktion als Bestätigung vor Gericht auszulegen. „Aber ob das tatsächlich so ist der nicht, ist rechtlich ganz wackelig. Deshalb hat Strafbarkeit eine Grenze.“
Gruppendynamik: Mitwisser haben die Vorfälle aus Angst nicht zur Anzeige gebracht
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Arnold betont, dass nicht alle Polizisten in den besagten Gruppenchats rechtsextrem seien. Es handele sich um Einzeltäter. In Mülheim habe zum Beispiel hauptsächlich ein Beamter rechtsextreme Inhalte geteilt, den Arnold als hohes „Alphatier“ bezeichnet.
„Es waren ganz viele, vor allem junge Kollegen, die sich nicht getraut haben, aufzumucken oder für die es bequemer war, nicht aufzumucken. Das ist dann strafrechtlich sehr schwierig. Deshalb gibt es da auch so wenige Verfahren zu.“
Strafgesetz: Braucht es schärfere Gesetze in Deutschland?
Die beiden Anwälte sprechen sich nicht für schärfere Gesetze aus. „Es muss eine gewisse Freiheit von privaten Gesprächen geben. So schmerzlich das in manchen Einzelfällen auch ist“, sagt Kempgens.
Und Arnold betont: „Solche Zustände müssen viel früher in der Führung auffallen. Dafür haben zwei Dienstgruppenleiter auch lange Bewährungsstrafen bekommen.“ In Mülheim habe das Führungssystem versagt.
„Die Quintessenz, die man für die Polizei daraus ziehen muss, ist, dass man mehr Initiativen und mehr Fokus auf innere Führung legen muss, um sicherzustellen, dass so gruppendynamische Prozesse nicht passieren“, so Arnold. Außerdem müsse die Polizei mehr darauf achten, „was das für Menschen sind, die da arbeiten“.
Kempgens glaubt, dass es sich nicht nur um ein Problem bei der Polizei handele, sondern um ein gesamtgesellschaftliches.